Die Abteilungsleiter des KWIE

Aus Geschichts-Wiki MPIE
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Willy Oelsen, ab 1941 zweiter Vorsteher der Chemischen und Metallurgischen Abteilung

Ähnliche Beobachtungen wie für die Institutsleitung können auch für den wissenschaftlichen Bereich bzw. für die wissenschaftlichen Abteilungen gemacht werden. Die führenden Wissenschaftler der 1920er-Jahre blieben nach 1933 am KWIE tätig. Kein Abteilungsleiter wurde abgesetzt, in seiner Stellung degradiert oder verließ das Institut.

Walter Luyken

Vorsteher der Erzaufbereitung in den Jahren 1922 bis 1945 war Walter Luyken. Parallel dazu setzte Luyken nach 1922 seine akademische Tätigkeit fort, inzwischen an der Technischen Hochschule (TH) Aachen. Nach der Habilitation wurde er dort er mit einer Dozentur für Aufbereitung betraut. Damit hatte diese Fachabteilung der TH Aachen eine enge Verbindung zum KWIE und Luykens Erzaufbereitungsabteilung aufgebaut. Luyken gehörte offiziell auch nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dem Aachener Lehrkörper an, hielt jedoch keine Lehrveranstaltungen mehr ab, da er durch seine Arbeiten am KWIE und für den Aufbau verschiedener Großanlagen zu sehr eingebunden war.[1]

Peter Bardenheuer

Der Chemischen und Metallurgischen Abteilung stand in den Jahren 1922 bis 1945 Peter Bardenheuer vor. Nachdem Fritz Wüst zum ersten Direktor des neu gegründeten KWIE ernannt worden war, arbeitete Bardenheuer hier seit 1918 als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Dort betrieb er wissenschaftliche Forschung für seine Promotion zum Dr.-Ingenieur, die er 1919 abschließen konnte. Danach wechselte er zunächst in die Wirtschaft. Zwischen 1919 und 1921 leitete er etwa bei der Gutehoffnungshütte in Oberhausen die physikalische Versuchsanstalt. Ab 1922 war Bardenheuer wieder für das KWIE in Düsseldorf tätig.[2]

Willy Oelsen

Willy Oelsen hatte sein Studium der physikalischen Chemie, Mathematik, Physik, Mineralogie und Metallkunde an Universität Göttingen 1929 mit der Promotion abgeschlossen. Zwischen Januar 1930 und März 1931 war er wissenschaftlicher Assistent von Gustav Tamman am Institut für physikalische Chemie der Universität Göttingen. Oelsen hatte bereits seit 1931 eine Assistentenstelle am KWIE inne und zwar als persönlicher Assistent des Direktors Friedrich Körber. Oelsen, der seit 1938 das physikalische-chemische Laboratorium leitete, wurde 1941 zweiter Vorsteher der Chemischen und Metallurgischen Abteilung.[3]

Anton Pomp

Die Mechanische Abteilung unterstand von 1924 bis 1945 Anton Pomp, ebenso die Technologische und die Metallographische Abteilung. Nebenberuflich lehrte Pomp seit 1931 als Dozent an der Bergakademie Clausthal.[4] Pomp erlangte am KWIE eine führende Stellung. Aufgrund der schweren Erkrankung Körbers übernahm Pomp Mitte 1944 vorübergehend die Leitung des KWIE.[5]

Weitere Abteilungsleiter

Für die Physikalische Abteilung war seit 1921/1922 Franz Wever zuständig. Gustav Thanheiser leitete seit Beginn der 1920er-Jahre das chemische Laboratorium. Unter seiner Leitung wurde dieses zur selbständigen wissenschaftlichen Abteilung des Instituts ausgebaut.[6] Alle genannten Abteilungsvorsteher wurden anlässlich des 25-jährigen Bestehens 1942 zu Abteilungsdirektoren ernannt.[7] Gerhard Trömel leitete nach 1938 die Thomasschlackenstelle.

Personelle Kontinuitäten

Die personellen Kontinuitäten am KWIE waren stark bzw. ungebrochen. Die wissenschaftlichen Führungspersönlichkeiten wiesen – neben ihrer erfolgreichen akademischen Vita und wissenschaftlichen Qualifikationen – verschiedene Gemeinsamkeiten auf. Luyken und Pomp gehörten, ebenso wie Körber und Wever, zu der um 1890 geborenen Generation und hatten dementsprechend Fronterfahrung aus dem Ersten Weltkrieg. Oelsen zählte aufgrund seines jüngeren Alters (geb. 1905) nicht zur Generation der Kriegsteilnehmer. Jedoch absolvierte er 1924/1925 einen einjährigen freiwilligen Militärdienst in der Reichswehr.

„Alte Kämpfer“ oder Parteiaktivisten waren nicht unter den wissenschaftlichen Führungskräften des KWIE. Der ursprüngliche politische Hintergrund war meist nationalkonservativ bzw. rechtsliberal. Wie Wever gaben zum Beispiel Luyken und Pomp nach Kriegsende an, bei der Novemberwahl 1932 für die rechtsliberale DVP gestimmt zu haben. Luyken war hier sogar Mitglied.[8] Bardenheuer hingegen hatte nach eigener Aussage bei den Reichstagswahlen im November 1932 und im März 1933 das katholische Zentrum gewählt.[9] Oelsen hatte nach eigener Aussage vor 1933 SPD gewählt.[10]

Das Ausmaß der Anpassung an den Nationalsozialismus nach 1933 war unterschiedlich. Pomp und Thanheiser waren bereits ab dem 1. Mai 1933 Mitglieder der NSDAP.[11] Bardenheuer, Luyken und Oelsen traten mit Wirkung zum 1. Mai 1937, also nach Lockerung der Aufnahmesperre, in die Partei ein. Wie die Direktion bestand das sonstige leitende Personal des KWIE demnach zum größten Teil aus Mitgliedern der NSDAP.[12]

SS-Angehörige gab es an der Spitze des KWIE offenbar keine, vereinzelt aber SA-Mitglieder. SS und SA zählten gemeinsam mit dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) zu den sogenannten „NS-Kampforganisationen“ aus der Zeit vor 1933. Sie hatten den Status von NSDAP-Gliederungen. Später galten auch der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, die NS-Frauenschaft sowie die HJ zu diesen Parteigliederungen. Davon waren die sogenannten „angeschlossenen Verbände“ der NSDAP zu unterscheiden, zu denen etwa die DAF, die NSV oder der NSLB gehörten. Diese Differenzierung wurde im Rahmen der Entnazifizierung auch von den Alliierten getroffen, wie Fragenkatalog der Entnazifizierungsfragebögen des Military Government deutlich wird.[13] Ähnlich wie Wever war Oelsen bereits vor seinem Parteieintritt, nämlich am 27. September 1933, Mitglied der Marine-SA geworden. 1935 bis 1936 bekleidete er den Rang eines Scharführers, danach wurde er davon beurlaubt. Auch der DAF gehörte er seit dem Jahr 1934 an. Für sie fungierte er dann ab 1942 als Blockobmann der Abteilung Chemie am KWIE.[14]

Eine Ausnahme bezüglich der Parteimitgliedschaft bildete Gerhard Trömel, der nach 1938 die Thomasschlackenstelle leitete. Er trat weder 1933 noch danach in die NSDAP oder Parteigliederungen wie SS oder SA ein.[15] Insofern zeigt sein Beispiel, dass es durchaus möglich war, am KWIE als wissenschaftlicher Mitarbeiter aufzusteigen, ohne Mitglied von einem der wichtigsten nationalsozialistischen Vereinigungen zu sein.[16]

Die Genannten gehörten darüber hinaus zahlreichen der NSDAP angeschlossenen Verbänden an. Bis auf Trömel waren alle genannten wissenschaftlichen Abteilungsleiter ferner frühzeitig Mitglieder der DAF geworden, die seit 1934 der NSDAP angeschlossen war. Verbreitet war außerdem die Mitgliedschaft bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), die seit der NS-„Machtübernahme“ den Status einer der NSDAP-Parteiorganisation innehatte. Die führenden KWIE-Wissenschaftlicher waren – begründet durch die Mitgliedschaft beim VDEh – in der Regel Mitglied beim Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik (NSBDT), außerdem gehörten viele dem NS-Lehrerbund (NSLB), dem NSDDozB sowie ferner dem Reichsluftschutzbund (RLB) oder dem gleichgeschalteten Deutschen Roten Kreuz (DRK) an. Trömel etwa war zwischen 1935 bis 1943 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), sowie aufgrund der Zugehörigkeit zum VDEh Mitglied beim NSBDT, dem NSLB gehörte er ab etwa 1934 ebenfalls an.[17] Pomp trat 1933 der NSV bei. Oelsen gehörte ebenfalls der NSV und dem NSBDT an, Letzterem aufgrund seiner Mitgliedschaft im VDEh. Außerdem war Oelsen zeitweise Mitglied im Bund Deutscher Osten (1938-1940) sowie dem gleichgeschalteten DRK (1941-1943), im August 1940 wurde er vor dem Hintergrund der Habilitation und seiner neu aufgenommenen Dozententätigkeit Mitglied im NSDDozB.[18] Luyken war seit 1933 Mitglied im NSLB. Im selben Jahr trat er auch der NSV bei. Dem NSBDT gehörte er aufgrund seiner Mitgliedschaft beim VDEh an. Verhältnismäßig spät, erst 1940, wurde er Mitglied in der NSDDozB.[19] Bardenheuer war beispielsweise unter anderem. Mitglied im RLB, dem er bis 1943 angehörte. Hier übernahm er zwischen 1936 und 1937 das Amt eines Blockwarts. Bardenheuer wurde 1936 Mitglied in der NSV. Als Mitglied des VDEh, der am 1. Januar 1938 dem NSBDT angeschlossen wurde, wurde Bardenheuer somit Mitglied auch dieses Verbandes. Zum 1. Juni 1938 trat er zudem dem NSLB bei, seine Mitgliedschaft dort bestand bis Ende 1943.[20] Mit einer Reihe von „in der Heimatfront tätigen Institutsangehörigen“ hatte er in den Kriegsjahren das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse verliehen bekommen.[21] Nach eigenen Angaben war er am 11. März 1945 noch für wenige Stunden Mitglied des Volkssturms in Clausthal.[22] Pomp gehörte dem RLB seit dem Jahr 1935 an, dem NSBDT seit 1936. Zusätzlich trat er 1940 dem DRK bei, ein Jahr später erfolgte der Beitritt zum NSDoB.[23]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Lebenslauf. Siehe auch: Kalkmann: Die TH Aachen, S. 497 f.
  2. LAV NRW, NW-1092-BG-08-00030, Entnazifizierungsakte Peter Bardenheuer, Fragebogen des Military Government, 12.02.1947.
  3. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Lebenslauf, Fragebogen des Military Government; Dönges: Geschichte, S. 21.
  4. LAV NRW, NW 1079-9085, Entnazifizierungsakte Anton Pomp, Fragebogen des Military Government, 12.08.1946; NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 55596, Entnazifizierungsakte Anton Pomp, Fragebogen des Military Government, ausgefüllt am 25.07.1945.
  5. VDEh, Ac 201, Schreiben Anton Pomps an den VDEh, 05.06.1944 u. Schreiben von Anton Pomp an Albert Vögler, 05.06.1944; MPIE, 24-0-01-1, 22. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eisenforschungsinstitut, September 1944.
  6. MPIE, 7-0-00, Stahl u. Eisen: Nachruf Gustav Thanheiser; MPIE, 7-0-00, Gedächtnisrede von P. Bardenheuer beim Betriebsappell am 18.03.1941; Dönges: Geschichte, S. 19.
  7. Siehe VDEh, Ac 207, Band 1, Niederschrift über die Kuratoriumssitzung, 20.06.1942.
  8. LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Fragebogen des Military Government, 30.05.1946; LAV NRW, NW 1079-9085, Entnazifizierungsakte Anton Pomp, Fragebogen des Military Government, 12.08.1946; NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 55596, Entnazifizierungsakte Anton Pomp, Fragebogen des Military Government, 25.07.1945.
  9. LAV NRW, NW-1092-BG-08-00030, Entnazifizierungsakte Peter Bardenheuer, Fragebogen des Military Government, 12.02.1947.
  10. NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 20097, Entnazifizierungsakte Willy Oelsen, Fragebogen des Military Government, 10.05.1947.
  11. Vgl. BArch (Berlin), R 9361 IX/44341106, NSDAP-Karteikarte Gustav Thanheiser.
  12. Vgl. Flachowsky: Wagenburg, S. 689 f.
  13. Vgl. Wenzel: Die NSDAP.
  14. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Fragebogen des Military Government, 06.08.1945 (Abschrift).
  15. Zu den einzelnen Angaben Dönges: Geschichte, S. 21 f.; Flachowsky: Wagenburg, S. 680 f; Hans Walter: Gerhard Trömel; NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66860, Entnazifizierungsakte Gerhard Trömel, Fragebogen des Military Government, 24.03.1946.
  16. Vgl. NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66860, Entnazifizierungsakte Gerhard Trömel, Stellungnahme Deutscher Entnazifizierungsausschuss, Zellerfeld, 15.07.1947.
  17. NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66860, Entnazifizierungsakte Gerhard Trömel, Stellungnahme Deutscher Entnazifizierungsausschuss, Zellerfeld, 15.07.1947.
  18. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Fragebogen des Military Government, 06.08.1945 (Abschrift).
  19. LAV NRW, NW 1079-9461, Fragebogen des Military Government, 25.02.1946.
  20. LAV NRW, NW-1092-BG-08-00030, Entnazifizierungsakte Peter Bardenheuer, Fragebogen des Military Government, 12.02.1947.
  21. Dönges: Geschichte, S. 25.
  22. NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66084, Entnazifizierungsakte Peter Bardenheuer, Fragebogen des Military Government, September 1945.
  23. LAV NRW, NW 1079-9085, Entnazifizierungsakte Anton Pomp, Fragebogen des Military Government, 12.08.1946; NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 55596, Entnazifizierungsakte Anton Pomp, Fragebogen des Military Government, 25.07.1945