Walter Luyken
Werdegang
Walter Luyken wurde am 14. Oktober 1890 in Wesel geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums in Wesel und Emmerich erhielt er im Jahr 1910 sein Reifezeugnis. Er studierte ab 1911 an der Universität Straßburg, der Technischen Hochschule (TH) Aachen und der Bergakademie Clausthal.[1]
Wehrdienst
1912 absolvierte Luyken zwischenzeitig ein Dienstjahr beim 2. Ober-Elsässischen Feldartillerie-Regiment Nr. 51 in Straßburg. Am Ersten Weltkrieg nahm er von 1914 bis 1918 zuletzt als Leutnant der Reserve teil. Für seinen Einsatz als „Frontkämpfer“ erhielt Luyken das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse.[2]
Wiederaufnahme des Studiums und Eintritt in das KWIE
Nach dem Krieg nahm Luyken seine Studien an der Bergakademie Clausthal wieder auf und bestand im August 1919 die Prüfung zum Bergreferendar, im Oktober 1921 die zum Bergassessor. Seit dem 1. Januar 1922 war Walter Luyken Abteilungsvorsteher der Erzaufbereitungsabteilung am KWIE. Parallel zu seiner Stellung am KWIE setzte Luyken seine akademische Tätigkeit an der TH Aachen nach 1922 fort. Nach der Habilitation 1928 wurde er dort er mit einer Dozentur für Aufbereitung betraut. Damit bestand zwischen dieser Fachabteilung der TH Aachen auf der einen Seite und dem KWIE sowie Luykens Erzaufbereitungsabteilung auf der anderen Seite eine Verbindung. Luyken gehörte offiziell auch nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dem Aachener Lehrkörper an, hielt jedoch keine Lehrveranstaltungen mehr ab, da er durch seine Arbeiten am KWIE und für den Aufbau verschiedener Großanlagen zu sehr eingebunden war.[3]
Mitgliedschaft in NS-Organisationen
Luyken war seit 1933 Mitglied im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB). Mit Wirkung zum 1. Mai 1937, also nach Lockerung der Aufnahmesperre, trat er in die NSDAP ein, im selben Jahr wurde er auch Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Dem Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik (NSBDT) gehörte er aufgrund seiner Mitgliedschaft beim Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) an. Verhältnismäßig spät, erst 1940, wurde er Mitglied im Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund (NSDDozB).[4]
Erneuter Wehrdienst
In den Jahren 1935, 1937 und 1939 absolvierte Luyken kurzfristige Wehrmachts-Übungen in der Beobachtungs-Abteilung 6 in Lemgo. Dort war er als Zugführer im Rang eines Leutnants, später Oberleutnants im Einsatz. Darüber hinaus nahm Luyken zwischen Mai und September 1940 am Frankreich-Feldzug teil, wobei er „wegen Tapferkeit oder Bewährung in der Führung“ die Spange zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse erhielt. Auf Anforderung des KWIE wurde er jedoch am 9. Oktober 1940 vom Militärdienst zurückgestellt.[5]
Forschungstätigkeit während des Zweiten Weltkriegs
Zentrale Bedeutung für das KWIE erlangte etwa eine Großversuchsanlage, die von den Vereinigten Oberschlesischen Hüttenwerken im polnischen Praschkau errichtet worden war. Praschkau lag in dem Teil Polens, der nach der Besetzung als „Reichsgau Wartheland“ dem Deutschen Reich eingegliedert worden war. Die Versuchsanlage, die Ende 1941 oder Anfang 1942 in Betrieb genommen wurde, wurde mit Unterstützung des Reichsamts für Wirtschaftsausbau errichtet. In ihr sollten vor allem Untersuchungen zur Anreicherung von Eisensandsteinen aus Oberschlesien und den angrenzenden polnischen Gebieten durchgeführt werden, wobei ein Verfahren zur magnetisierenden Röstung angewendet wurde, das vom KWIE ausgearbeitet worden war. Wissenschaftler des KWIE, namentlich Walter Luyken und Helmut Kirchberg von der Erzabteilung, führten persönlich verschiedene Untersuchungen in Praschkau durch.[6] Die Rolle der Erzabteilung wird auch in einem Vortrag deutlich, den Luyken im April 1941 über die „großdeutschen Bodenschätze unter besonderer Berücksichtigung von Kohle und Erz“ hielt.[7]
Ein Teil der KWIE-Forschungen zielte außerdem auf die Nutzbarmachung der Erze aus der Slowakei ab, die nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei ein Bündnispartner der faschistischen Achsenmächte geworden war. Luyken unternahm mehrere Forschungsreisen in die Slowakei. Er besuchte verschiedene Gruben- und Hüttenwerke und nahm dort Proben. Da Luyken sich in seinem Bericht über die jüdischen Vorbesitzer beider Gruben äußerte, handelte es sich wahrscheinlich um „arisierte“ Unternehmen.[8]
Antisemitische Äußerungen
Interne wissenschaftliche Berichte Luykens zeigen, dass er antisemitisch eingestellt war. Im Juni 1942 unternahm der Abteilungsvorsteher der Erzaufbereitungsabteilung eine Studienreise in die Slowakei, um sich über die Beschaffenheit der dort geförderten Eisenerze und ihre aufbereitungstechnische Nutzbarmachung zu unterrichten. In seinem Bericht über diese Studienreise tätigte er auch antisemitische Äußerungen. Im Rahmen der Studienreise hatte Luyken unter anderem die Aufbereitungsanlage der Grube Slovenka in der östlichen Slowakei besichtigt. Über frühere Erzproben dieser Grube, die offenbar für die Maschinenbauanstalt Humboldt bestimmt waren, äußerte er sich folgendermaßen: „Auch dem Humboldt waren vor einiger Zeit Erzproben für Versuche zugegangen und ein recht eingehender Bericht erstattet worden. Der seinerzeitige Mitbesitzer, der Jude Fuld hatte jedoch – wohl aus dem Willen zur Täuschung dritter Personen über den Cu-Gehalt der Erze – Humboldt Erze mit 3,66% Cu zugeleitet, sodass der Humboldt-Bericht dadurch wenig Wert hat.“.[9] Nach der Grube Slovenka besichtigte Luyken am selben Tag, dem 24. Juni, die Krompacher Kupferhütte. In seiner Beschreibung dieses Betriebes befindet sich ebenfalls eine antisemitische Äußerung: „Ausserdem ist ein 60 m langer Sinterdrehofen für Eisenerzkonzentrate vorhanden, der aus jüdischer Gewinnsucht auf fast 7% Neigung gelegt wurde.“[10]
Luykens Bericht über seine Studienreise war an sich sehr sachlich gehalten. Er beschrieb darin die technischen Details der besuchten Betriebe bzw. Anlagen und führte Messergebnisse auf. Daher fallen die beiden genannten kurzen Bemerkungen in dem sechsseitigen Bericht auf. Sie greifen auf antisemitische Stereotype zurück. Zugleich ist die Tatsache, dass Luyken solche Einlassungen im Rahmen eines wissenschaftlichen Berichts als legitim erschienen, ein Hinweis darauf, dass an der Institutsspitze des KWIE antisemitische Haltungen akzeptiert wurden.
Entnazifizierung
Luyken hatte im Zuge der Entnazifizierung erstmals in Clausthal im August 1945 einen Fragebogen der Militärregierung ausgefüllt.[11] Auf dieser Grundlage teilte der Landrat des Kreises Zellerfeld dem KWIE am 9. November 1945 mit, dass – nach Beschluss der Militärregierung – Luyken weiter am Institut beschäftigt werden könnte.[12] Dennoch wurde Luyken zum Jahresende gekündigt. Sein Ausscheiden erfolgte offiziell „wegen fehlender Geldmittel und Einschränkung des Arbeitsgebietes“.[13] Diese Angaben zum Kündigungsgrund verweisen darauf, dass das KWIE die Erzabteilung nach Kriegsende auflöste. Ursächlich dürfte im Kontext der Entmilitarisierung des KWIE gewesen sein, dass die Abteilung im besonderen Maße der Autarkiepolitik gedient hatte. Um an der TH Aachen weiterhin als Dozent tätig zu sein, musste Luyken sich dort ebenfalls seit 1946 einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen.[14]
In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde Luyken zunächst als „Mitläufer“ (Kategorie IV) eingestuft, da er nur als „nominelles“ Parteimitglied galt und auch in den anderen NS-Organisationen keinen Posten besessen hatte. Später erreichte er sogar eine Einstufung als „Entlasteter“ (Kategorie V).
Einzelnachweise
→ zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Lebenslauf.
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Lebenslauf.
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Lebenslauf. Siehe auch: Kalkmann: Die TH Aachen, S. 497 f.
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Fragebogen des Military Government, 25.02.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Fragebogen des Military Government, 30.05.1946.
- ↑ MPIE 24-1-00-1, Versuchsanlage Praschkau, 12.09.1942; MPIE, 24-2-10-2, Schreiben von Luyken zur Versuchsanlage Praschkau, 12.06.1942.
- ↑ MPIE, 24-9-02-6, Die großdeutschen Bodenschätze unter besonderer Berücksichtigung von Kohle und Erz, Vortragsmanuskript, gehalten 30. April 1941.
- ↑ MPIE, 24-9-02-4, Aktennotiz über eine Studienreise in die Slowakei, 09.07.1942.
- ↑ MPIE, 24-9-02-4, Bericht von Walter Luyken über eine Studienreise in die Slowakei, 09.07.1942.
- ↑ MPIE, 24-9-02-4, Bericht von Walter Luyken über eine Studienreise in die Slowakei, 09.07.1942.
- ↑ Flachowsky: Alle Arbeit, S. 180; LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Fragebogen des Military Government, 30.05.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Schreiben des Landrats Zellerfeld an das KWIE, 09.11.1945.
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Fragebogen des Military Government, 05.08.1945.
- ↑ LAV NRW, NW 1079-9461, Entnazifizierungsakte Walter Luyken, Befragung durch Special Branch im Mai 1946, Bestätigung des KWIE-Betriebsrates, 27.02.1946.