Forschungsstand und Quellenlage zum KWIE

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Die NS-Zeit in Veröffentlichungen des KWIE

Die Geschichte des KWIE während der NS-Zeit wurde bisher nur in Ansätzen bzw. auf bestimmte Themengebiete begrenzt aufgearbeitet. In den Untersuchungen zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) im Nationalsozialismus sind zwar immer wieder Hinweise zur Geschichte des KWIE enthalten. Allerdings existiert bisher weder eine Monografie zur Gesamtgeschichte noch eine eingehende und umfassende Behandlung der NS-Geschichte des Instituts. Das MPIE selbst hat sich bisher nicht detailliert mit seiner Rolle im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Die Chroniken zum 10-jährigen Jubiläum des Instituts als Max-Planck-Institut für Eisenforschung von 1955 und zum 50-jährigen Jubiläum von 1967 handeln die Zeit des „Dritten Reichs“ auf nur wenigen Seiten ab, ohne konkret auf die Rolle des Instituts in der Rüstungsforschung, seine Involvierung in die NS-Politik und ähnliche Aspekte einzugehen.[1] Spätere Jubiläumsschriften gibt es nicht. In internen Mitteilungen von 1978 und 1993 wird die NS-Zeit im Rahmen eines jeweils kurzen historischen Abrisses der Institutsgeschichte nur gestreift.[2] Einen vorwiegend chronistischen Charakter hat das 2011 zum 100-jährigen Jubiläum der KWG erschienene Handbuch zur Institutsgeschichte der KWG/MPG von Eckart Henning und Marion Kazemi, in dem auch ein Einzelbeitrag zum KWIE/MPIE enthalten ist. Hier werden aber einzelne wichtige Hinweise zur NS-Geschichte gegeben.[3]

Personelle Kontinuitäten in der Nachkriegszeit

Eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in der NS-Zeit erfolgte am MPIE lange Zeit nicht. Insbesondere in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde das Thema weitestgehend ausgeklammert. Die Kriegs- und Rüstungswichtigkeit des KWIE während der Jahre 1933 bis 1945, das hohe Ausmaß der Integration in das NS-System und die Rolle führender Persönlichkeiten wie die der Direktoren Friedrich Körber und Franz Wever wurde nicht reflektiert. Eine kritische Distanz zur Geschichte des Instituts vor 1945 und zum Führungspersonal während der NS-Zeit gab es nicht – allein schon wegen der personellen Kontinuitäten auf der Leitungsebene und der Weiter- bzw. Wiederbeschäftigung von belasteten Personen. Diese Haltung zeigt sich auch in mehreren Festbeiträgen und Reden zu verschiedenen Jubiläen des KWIE/MPIE. In den Publikationen zum 10-jährigen Jubiläum des Instituts als Max-Planck-Institut für Eisenforschung von 1955 und zum 50-jährigen Jubiläum des KWIE/MPIE von 1967 war die NS-Zeit nur eine Randnotiz.[4] Hatte Willy Oelsen, der Franz Wever als Direktor folgte, 1961 in einem historischen Rückblick noch behauptet, das Institut sei bis 1942 „nahezu unberührt von den Kriegsereignissen“ geblieben, erwähnte er 1967, das Institut habe im Zweiten Weltkrieg „eine Zeit ungeheurer Arbeitsdichte“ durchlebt. Dies bewertete er jedoch als durchaus positiv. Der militärische Zusammenhang der während des Kriegs am KWIE durchgeführten Forschungen blieb jedoch auch hier unerwähnt. Von den Institutsleitern Körber und Wever sprach Oelsen ehrfürchtig und ohne kritische Distanz. Das Kriegsende wurde als „schmerzvoller“ Moment in der Institutsgeschichte dargestellt, dessen Schilderung sich Oelsen „versagen“ wollte.[5] In anderen Reden, etwa der des damaligen Vorsitzenden des MPIE-Kuratoriums, Hermann Reusch, wurde das Institut mehr als Leidtragende der NS-Zeit bzw. des Kriegs denn als Profiteur beschrieben, wenn er zum relevanten Zeitabschnitt folgende Stichworte gab: „Institutsausbau kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, Zerstörung durch Kriegseinwirkung, Hemmung der wissenschaftlichen Arbeit durch notwendige Verlagerung, schließlich Verbot der wissenschaftlichen Tätigkeit nach dem Zusammenbruch“.[6] Dieser Umgang entsprach einer Politik der Vergangenheitsverdrängung, die mindestens bis in die 1980er-Jahre innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft insgesamt praktiziert wurde und in Deutschland lange Zeit auch gesamtgesellschaftlich vorherrschte. Gerade die Mitwirkung und Integration wissenschaftlicher Institutionen in das NS-System wurden in der Öffentlichkeit, in der Geschichtswissenschaft und nicht zuletzt von den jeweiligen Institutionen selbst weit unterschätzt.[7] Helmut Maier spricht für das MPI für Metallforschung von „Vergangenheitsversenkung“.[8] Rüdiger Hartmann sieht bei der Vergangenheitspolitik der MPG imsgesamt über weite Zeit eine „apologetische Rhetorik“ einer „politisch unschuldigen Grundlagenforschung“[9] Eine umfassende Bearbeitung der Geschichte der MPG und ihrer Institute erfolgte erst mit der wissenschaftlichen Bearbeitung durch eine Historikerkommission seit den 1990er-Jahren. Hieraus erwuchsen auch wichtige Erkenntnisse und ein Umdenken in Bezug auf die Rolle des KWIE/MPIE. Auch das MPIE arbeitete seine Geschichte auf. Ein Anlass dafür, die NS-Geschichte des Instituts näher zu beleuchten, war 2017 das 100. Jubiläum der Gründung. Darüber hinaus hat die Geschäftsführung der Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH die Firma Neumann & Kamp Historische Projekte damit beauftragt, die Geschichte der Institution in den Jahren 1933 bis 1945 systematisch und umfassend aufzuarbeiten.

Wissenschaftliche Untersuchungen über das KWIE

Einen wichtigen Forschungsbeitrag zur Geschichte des KWIE liefert Sören Flachowsky. Er beleuchtet die Rolle des Instituts im „Dritten Reich“ in erster Linie mit Hinblick auf dessen Einbindung im Bereich der Autarkie- und Rüstungsforschung.[10] Darüber hinaus untersucht Flachowsky auch die Verbindungen und Kooperationen zwischen KWIE und dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) in diesem Kontext.[11] Über die Verbindung zum VDEh nimmt das KWIE auch in den Untersuchgen von Manfred Rasch und Helmut Maier in dem Sammelband zur Geschichte und Gegenwart des Stahlinstituts VDEh eine wichtige Rolle.[12] Andere grundlegende Themen wie die „Gleichschaltung“ und Nähe zur NSDAP, der Umgang mit jüdischen und systemkritischen Wissenschaftlern und Mitarbeitern, die Frage des „Beuteguts“ oder der Zwangsarbeitern wurden allerdings bisher nicht oder nur am Rande behandelt.

Quellenlage

Eine wichtige Quellengrundlage für dieses Geschichts-Wiki bilden zahlreiche der Forschung bisher nicht zugängliche und daher auch in früheren Studien nicht berücksichtigte Akten aus Altbeständen des MPIE in Düsseldorf, die von Neumann & Kamp Historische Projekte gesichtet und ausgewertet wurden. Nach der Generalsanierung des Institutshauptgebäudes zwischen 2000 und 2005 und den damit verbundenen Entrümpelungen, lag die Vermutung nahe, dass in deren Rahmen zahlreiche Dokumente und Akten vernichtet worden wären. Dennoch ist eine überraschend große Zahl an Akten erhalten geblieben. Diese Akten umfassen unter anderem Arbeits-, Zeit- und Finanzpläne sowie Forschungsaufzeichnungen und -protokolle des Instituts und der einzelnen Abteilungen des KWIE. Daneben beinhalten die Akten zahlreiche Schriftwechsel des KWIE und metallverarbeitenden Betrieben sowie mit Forschungsverbünden, staatlichen Stellen und mit Untergliederungen der NSDAP. Eine dritte Gruppe von Akten umfasst die Korrespondenzen und Aufzeichnungen einzelner KWIE-Mitarbeitern, insbesondere die der Direktoren und Abteilungsleiter. Während die Akten zu diesen Themen zahlreiche aussagekräftige Unterlagen umfassen, sind sehr wenige Personalunterlagen erhalten geblieben. Weitere Quellen, auf denen dieses Geschichts-Wiki fußt, stammen aus unterschiedlichen öffentlichen Archiven. Akten aus dem Archiv der Max-Planck-Gesellschaft und dem Bundesarchiv in Berlin sowie dem Archiv des Stahlinstituts VDEh umfassen unter anderem weitere Dokumente zu den Kooperationen der KWG-Generalverwaltung, des VDEh und staatlicher Stellen mit dem KWIE. Akten aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg geben unter anderem über Forschungsaufträge durch das Militär und über die militärischen Karrieren von KWIE-Mitarbeitern Auskunft. Die Entnazifizierungsakten im nordrhein-westfälischen und im niedersächsischen Landesarchiv enthalten Informationen darüber, welche Mitarbeiter des KWIE seit wann Mitglieder der NSDAP und ggf. ihrer Unterorganisationen waren und welche Ämter sie dort bekleideten. Außerdem umfassen diese Akten teilweise Selbstzeugnisse und Leumundszeugnisse, mit denen nach 1945 viele Menschen beweisen wollten, lediglich Mitläufer gewesen zu sein. Akten aus dem Stadtarchiv Düsseldorf geben beispielsweise über Schäden während des Kriegs, Verlagerungen und den Einsatz von Zwangsarbeitern Auskunft. Informationen zu einzelnen am KWIE eingesetzten Zwangsarbeitern finden sich in den Arolsen Archives, dem Archiv des Internationalen Suchdiensts in Bad Arolsen.

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. MPIE: 10 Jahre Eisenforschung; MPIE: 50 Jahre KWIE.
  2. Berichte und Mitteilungen der MPG, 3/78; Berichte und Mitteilungen der MPG, 5/93.
  3. Henning/Kazemi: Handbuch, Bd. 1, S. 393-417.
  4. Vgl. MPIE: 10 Jahre Eisenforschung; MPIE: 50 Jahre KWIE.
  5. Oelsen: MPIE, S. 233; Oelsen: Festvortrag, S. 926-928. Siehe auch: Flachowsky: Alle Arbeit, S. 156.
  6. Begrüßung Bergassessor Dr. Hermann Reusch, in: MPIE: 50 Jahre Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung, S. 4-5.
  7. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 79.
  8. Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 952.
  9. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 2, S. 1159-1168.
  10. Flachowsky: Alle Arbeit; Flachowsky: Das MPIE.
  11. Flachowsky: Wagenburg.
  12. Rasch: Zwischen Politik und Wissenschaft; Maier: Der VDEh im Nationalsozialismus.