Rüstungsforschung (1943–1944): Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 4. Januar 2021, 19:14 Uhr
Untersuchungen für das Reichsluftfahrtministerium (RLM)
1943 markierte den Übergang Deutschlands zur „totalen wirtschaftlichen Mobilmachung“ und in die Phase des „Totalen Kriegs“, in der die Rüstungsproduktion und -forschung noch einmal deutlich gesteigert wurden. Dies betraf auch das KWIE. Die Mechanisch-Technologische Abteilung führte für das Reichsluftfahrtministerium (RLM) ab 1943 unter anderem Untersuchungen zum Schwingungsverhalten von Flugzeug-Ventilfedern aus legiertem Stahl durch. An erbeuteten Flugzeugmotoren (Rolls-Royce Merlin) wurden Untersuchungen und Prüfungen der Ventilfedern durchgeführt. Die Prüfungen wurden danach an Federn weiterer Motorentypen „verschiedener Feindländer (GB, USA, UdSSR) fortgesetzt“ – so der Wortlaut des entsprechenden Berichts.[1]
Außerdem wurden Geschützrohrstähle getestet und vergleichende Beschussversuche an Flugzeugbekleidungsblechen vorgenommen. Ebenso wurden Fragen zur Wärmebehandlung von Patronenhülsenstahl behandelt.[2] Im Auftrag des Leiters des Arbeitsrings Weiterverarbeitete Rohre (im Hauptring Eisenverarbeitung beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition) übernahm das KWIE die Prüfung von längsnahtgeschweißten Flugzeugrohren, die dem Institut von sieben Herstellern geliefert wurden.[3] Diese Untersuchungen dauerten bis 1944 an.
Versuchsreihen im Rahmen des Reichsforschungsrats (RFR)
Die Metallurgische Abteilung unterrichtete im Herbst 1943 den Reichsforschungsrat (RFR). darüber, dass „die Erprobung der im Institut entwickelten Titanstähle mit hoher Warmfestigkeit als Werkstoff für Maschinengewehrläufe […] bisher sehr befriedigend“ verlaufen sei, wie es im Tätigkeitsbericht der Abteilung heißt.[4] Versuche zur Behebung von Schwierigkeiten in der Bearbeitung seien noch im Gange. Darüber hinaus wurden die Schmelzbedingungen von Stählen mit genau vorgeschriebenem Titangehalt untersucht, vor allem zur Vermeidung von Abbrandverlusten.
Für das laufende Panzerprogramm wurden Versuche zur Entlastung und Leistungssteigerung des Elektrostahlofens unternommen. Es konnte gezeigt werden, dass sich in der Bessemerbirne Stähle für unlegierte Kettenglieder erschmelzen ließen, die guten Stählen aus dem Elektroofen vollkommen ebenbürtig waren.[5] Die Panzerrüstung stand damals im Zentrum der deutschen Rüstungsplanung. Anfang 1943 war mit dem sogenannten „Adolf-Hitler-Panzerprogramm“ ein zweijähriges Projekt zur Vervierfachung der Panzerproduktion aufgenommen worden.[6]
Untersuchungen zum elektrolytischen Polieren hatten zu „einer erfolgreichen Oberflächenverbesserung von Waffenteilen“ geführt. Demnach konnte beim Entgraten gezogener Schusswaffenläufe Blei eingespart werden. Durch das Glätten des Patronenlagers wurden Ladehemmungen vermieden. Weiterhin konnte durch das elektrolytische Polieren eine erhöhte Lebensdauer von MG-Schlossteilen erzielt werden.[7]
Forschung für das Oberkommando des Heeres (OKH)
Im Auftrag des Oberkommandos des Heeres (OKH) bzw. des Heereswaffenamts führte die Metallurgische Abteilung Anfang 1943 Untersuchungen an titanlegierten Blechen für die Bereifung von Infanteriekarren durch.[8] Im Jahr 1944 erfolgten Schmelzungen von Titanstählen am Institut. Das Walzen der Bänder wurde bei der Hoesch AG im Werk Hohenlimburg durchgeführt, das Schmieden der dazu notwendigen Knüppel übernahm die Firma Rheinmetall. Die Profilierung bzw. das Rundwalzen der Bänder zu Felgen geschahen bei der Kronprinz AG in Solingen-Ohligs.[9]
Pulvermetallurgische Untersuchungen
Besondere Rüstungsrelevanz besaßen nach wie vor auch die pulvermetallurgischen Arbeiten des KWIE. Im November 1944 teilte das Institut dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) in einem Kurzbericht mit, dass die Entwicklung von Sinterweicheisen, Sintergusseisen und Sinterstahl „vornehmlich in der Rüstungsfertigung steigende Bedeutung“ erlangt hätte.[10] In einem Tätigkeitsbericht für das vierte Quartal 1944 heißt es weiterhin: „Sämtliche pulvermetallurgischen Arbeiten laufen unter dem Kriegsauftrag SS 4118-1023/44, der dem Institut als Sammelauftrag ohne Befristung am 25.1.1944 vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion erteilt wurde.“[11] Dementsprechend beschäftigte sich das Pulvermetallurgische Laboratorium der Physikalischen Abteilung unter der Leitung von Hans Wiemer etwa mit der Entwicklung von Kohlenstoffsinterstählen für Waffenteile und andere Verwendungszwecke.[12] Darüber hinaus hatte das Laboratorium Versuche über den Einfluss der Voroxydation auf die technologischen und physikalischen Eigenschaften von Sinterweicheisen durchgeführt und in Zusammenarbeit mit dem Metallwerk Plansee und dem Sintermetallwerk Krebsöge in deren Betrieben Versuche an Infanteriewaffenteilen unternommen.[13]
Ab 1944 fungierte das KWIE als Zentralstelle für Pulvermetallurgie. Hierzu sollte es „von allen infrage kommenden Stellen, wie OKH, Reichsminister, Luftfahrtministerium und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI), das gesamte Schrifttum über Pulvermetallurgie etwa vom Jahre 1942 an“ erhalten und „dann auch gleich die Schrifttumsauswertung übernehmen“.[14] Zur Pulvermetallurgie wurde am KWIE auch abteilungsübergreifend geforscht. So beteiligte sich 1943 und 1944 auch die Erzabteilung unter Walter Luyken mit Versuchen zur Herstellung reinster Eisenerzkonzentrate für die Erzeugung von Eisenpulver für sintermetallurgische Zwecke an diesem Forschungsgebiet.[15] Im Zuge dessen hatte die Erzabteilung „Beschussversuche mit Ringen aus einer im Institut hergestellten Eisenpulvermenge“ durchgeführt.[16]
Weitere Forschungen des KWIE
Verschiedene Untersuchungen konnten im Jahr 1943 abgeschlossen werden, darunter eine Arbeit über die Gewinnung von Mangan aus deutschen manganhaltigen Eisenerzen, die als vertraulicher Bericht des Chemiker-Ausschusses des VDEh erschienen war. Ebenfalls zu Ende geführt wurden Untersuchungen zu Vanadium in Eisenerzen, über den Gefügeaufbau deutscher Eisenerze und über die Beeinflussung der Magnetisierbarkeit von Eisenglimmen.[17]
Neben seiner eigentlichen Forschungstätigkeit am KWIE wurde Peter Bardenheuer im Frühjahr 1944 als technischer Berater zu einem streng geheimen Waffenprogramm herangezogen: dem Projekt V3 / „Hochdruckpumpe“. Dabei handelte es sich um die Entwicklung eines Ferngeschützes, das im „Rahmen der Vergeltung gegen England von der Kanalküste ein fortlaufendes Störungsfeuer auf das Stadtgebiet von Groß-London abgeben und dadurch die Räumung Londons erzwingen“ sollte, so der Wortlaut in internen Papieren der NS-Forschung.[18] Diese Superkanone, an der in Deutschland seit 1942 gearbeitet wurde, wurde später zu einer der sogenannten „deutschen Wunderwaffen“ stilisiert. Erste Schießversuche wurden Anfang 1944 in der Heeresversuchsanstalt Hillersleben durchgeführt.[19] Allerdings war es bei der Fertigung von Einzelteilen immer wieder zu Schwierigkeiten gekommen. Daher wurde auf Vorschlag Friedrich Körbers Bardenheuer im März 1944 als Gutachter für die Probleme hinzugezogen.[20]
Siehe auch
- Rüstungsforschung (1933–1935)
- Rüstungsforschung (1936–1939)
- Das KWIE als Wehrwirtschaftsbetrieb und Rüstungsforschung (1940–1942)
- Rüstungsforschung und Institutsentwicklung in den letzten Kriegsjahren
Einzelnachweise
→ zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis
- ↑ MPIE, 9-2-01-1, Tätigkeitsbericht der Mechanisch-Technologischen Abteilung 01.07.-31.12.1943.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/696, Bericht der Mechanisch-Technologischen Abteilung betr. Reichsforschungsrat, 30.10.1943; MPIE, 9-2-01-1, Tätigkeitsberichte der Mechanisch-Technologischen Abteilung 1943-1944.
- ↑ MPIE, 8-2-26, Schreiben von W. Albert an das KWIE, 01.10.1942.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/696, Tätigkeitsbericht der Metallurgischen Abteilung, 28.10.1943. Siehe auch: MPIE, ohne Signatur, Hoyt-Berichte 1945, II A 1 a, Dauerstandfeste Titanstähle und Eisen-Titan-Legierungen (Wilhelm Anton Fischer), 15.09.1945.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/696, Tätigkeitsbericht der Metallurgischen Abteilung, 28.10.1943.
- ↑ Vgl. Eichholz: Deutsche Kriegswirtschaft, S. 121.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/696, Tätigkeitsbericht der Metallurgischen Abteilung, 28.10.1943. Siehe auch: MPIE, ohne Signatur, Hoyt-Berichte 1945, II D 5, „Mitarbeit an der Errichtung einer technischen Anlage zum elektrolytischen Polieren (Heyes und Fischer), 30.06.1945“.
- ↑ MPIE, 7-2-17-1, Schreiben des KWIE an das Heereswaffenamt, 15.02.1943, Schreiben des KWIE an das Heereswaffenamt, 18.03.1943.
- ↑ MPIE, 7-2-17-1, Aktennotiz des KWIE, 25.05.1944.
- ↑ MPIE, 3-0-47-2, Kurzbericht für den Verein Deutscher Eisenhüttenleute, 16.11.1944.
- ↑ MPIE, 7-2-41, Tätigkeitsbericht 01.10.1944-31.12.1944 – Pulvermetallurgische Arbeiten der thermischen Physik.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/342, Gliederung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung (Stand 31.12.1944).
- ↑ MPIE, 7-2-41, Tätigkeitsbericht 01.10.1944-31.12.1944 – Pulvermetallurgische Arbeiten der thermischen Physik.
- ↑ MPIE, 3-0-47-1, Schreiben von Wiemer, 07.02.1945.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/342, Gliederung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung (Stand 31.12.1944); BArch (Berlin), R 26 III/696, Schreiben von Luyken an das KWIE, 26.10.1944.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/694, Tätigkeitsbericht der Erzabteilung 01.07.-31.12.1943.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/696, Tätigkeitsbericht der Erzabteilung, 28.10.1943.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/67, Übersicht über Vorhaben Hochdruckpumpe (HDP), 20.05.1944.
- ↑ Vgl. Mantelli/Brow/Kittel/Graf: Wunderwaffen, S. 98-109.
- ↑ BArch (Berlin), R 26 III/67, Schreiben des Leiters des Planungsamtes des RFR Osenberg an Körber, 25.03.1944, Übersicht über Vorhaben Hochdruckpumpe (HDP), 20.05.1944.