Friedrich Körber

Aus Geschichts-Wiki MPIE
Version vom 22. April 2020, 15:46 Uhr von unknown user (Diskussion) (Die Seite wurde neu angelegt: „==Werdegang== Friedrich Körber wurde am 1. April 1887 in Duisburg geboren. Nach dem Erwerb der Hochschulreife studierte er zwischen 1905 und 1910 Naturwissens…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Werdegang

Friedrich Körber wurde am 1. April 1887 in Duisburg geboren. Nach dem Erwerb der Hochschulreife studierte er zwischen 1905 und 1910 Naturwissenschaften und Mathematik in Göttingen und München. Im Jahr 1909 promovierte Körber am Lehrstuhl von Gustav Tammann in Göttingen, im folgenden Jahr legt er ein Oberlehrerexamen in Mathematik, Physik, Chemie und Mineralogie ab. Zwischen 1910 und 1912 absolvierte er ein Seminar- und Probejahr am Kgl. Gymnasium in Göttingen und war parallel dazu erster Assistent am physikalisch-chemischen Institut der Universität Göttingen.[1]

Militärdienst

Von Oktober 1912 bis September 1913 leistete Körber freiwillig einjährigen Militärdienst. Danach nahm er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wieder seine Assistentenstelle in Göttingen auf.[2] Bis zum Jahr 1917 befand sich Körber als Leutnant der Reserve im Fronteinsatz. Bereits 1914 hatte er das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen bekommen, im Jahr 1917 folgte das Eiserne Kreuz I. Klasse.[3] Im Juni 1917 wurde er zum Fachausschuss IV der Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft (KWKW) nach Aachen abkommandiert. Dieser Fachausschuss wurde von dem späteren Direktor des KWIE, Fritz Wüst, geleitet. Die KWKW griff Themenwünsche des Militärs auf und setzte sie in entsprechende Forschungsprojekte um. Demnach war Körber bereits im Ersten Weltkrieg in eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Militär eingebunden.[4]


Beruflicher Werdegang nach dem Ersten Weltkrieg

Unmittelbar nach dem Krieg war er zunächst bis September 1919 als Oberlehrer in Verden tätig, danach wurde er Dozent für physikalische Metallurgie an der Technischen Hochschule Aachen. Im April 1920 wurde Körber schließlich Abteilungsvorsteher der Mechanisch-Technologischen Abteilung am KWIE. Ab 1922 fungierte er als Stellvertreter des ersten Institutsdirektors Fritz Wüst.

Direktor des KWIE

Ende 1922 trat Direktor Wüst in den Ruhestand.[5] Daher übernahm Körber Anfang 1923 die Institutsleitung. In den folgenden Jahren avancierte das KWIE unter seiner Leitung zum Institut mit der besten Personal- und Finanzausstattung innerhalb der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) .[6] Er behielt diese Stellung bis zu seinem Tod 1944 nach schwerer Krankheit. Körber war innerhalb der Stahlindustrie gut vernetzt und hatte einen Sitz im Vorstand des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh). Zwischen 1937 und seinem Tod war Körber zudem Mitglied des Senats der KWG.[7]

Körbers politische Einstellung und Mitgliedschaft in NS-Organisationen

Über Körbers politische Aktivitäten ist wenig bekannt, doch passte er sich offenbar schrittweise dem NS-Regime an. Seit dem 3. November 1933 war er Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Frontkämpferbundes (NSDFB), dem sogenannten „Stahlhelm“, in der Ortsgruppe Düsseldorf-Grafenberg; ab dem 23. April 1934 gehörte er zudem der SA-Reserve I, Sturm 23/R. 39 an.[8] Hintergrund der SA-Mitgliedschaft war, dass die Mitglieder des Stahlhelms im Zuge der „Gleichschaltung“ seit Mitte 1933 der SA-Führung unterstellt wurden, wobei die 36- bis 45-jährigen Mitglieder des Stahlhelms, – so Körber – der „SA-Reserve I“ angehörten.[9] Der Beitritt zum NSDFB hatte angesichts der Mitgliedersperre der NSDAP, die seit Mai 1933 galt, möglicherweise als Alternative zum NSDAP-Beitritt gedient.[10] Der NSDAP trat Körber zum 1. Mai 1937 bei, im selben Jahr erfolgte außerdem der Austritt aus der SA.[11] 1938 wurde Körber in den Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund (NSDDozB) aufgenommen und gehörte zahlreichen weiteren Organisationen der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), dem NS-Altherrenbund und dem Reichsluftschutzbund (RLB) an. Während der 1940er-Jahre trat Körber in internen Mitteilungen wie den sogenannten „Feldpostbriefen der Daheimgebliebenen“ und in einzelnen Reden NS-nah, als Antisemit und als Anhänger der NS-Kriegsführung gegen Großbritannien und die Sowjetunion auf. Genuines NS-Gedankengut ist präsent, wenn Körber eine „planmäßige theoretische Forschung“ propagierte, „die sich allerdings freihalten muß von jeder theoretisierenden Entartung [Hervorhebung Neumann & Kamp]“.[12] Während Körber also eine grundsätzlich theoretisch ausgerichtete Forschung verteidigte, tat er dies unter Zuhilfenahme einer rassistisch-nationalsozialistischen Wissenschaftsdeutung. Er grenzte sich von einer „theoretisierenden Entartung“ ab und bezog sich deutlich auf eine antisemitische und nationalsozialistische Wissenschaftsauffassung, wie sie zeitgenössisch etwa in der sogenannten „Deutschen Physik“ vertreten wurde. Theoretische Modelle wie Einsteins Relativitätstheorie wurden von dieser als „abstrakt“ und „jüdisch“ abgelehnt. Eine vornehmlich experimentelle Wissenschaft wurde dagegen befürwortet.[13]

Rüstungs- und Luftfahrtforschung

Körber gehörte zahlreichen Organisationen an, die insbesondere sein Engagement in der Rüstungs- und Luftfahrtforschung bezeugen. Seit 1936 war er etwa Mitglied in der Lilienthal-Gesellschaft und in der Deutschen Akademie der Luftfahrt.[14] Innerhalb der NS-Wissenschaftslandschaft war er einflussreich. Im Mai 1940 hatte das neu gegründete Ministerium für Bewaffnung und Munition unter Reichsminister Todt sogenannte „Erfahrungsgemeinschaften“ errichtet, in denen Vertreter aus Industrie, Wehrmacht und aus der Wissenschaft saßen. Die Einrichtung der „Erfahrungsgemeinschaften“ war Teil einer von Todt angestoßenen Reorganisation der Rüstungsplanung. Vier der 16 eingerichteten „Erfahrungsgemeinschaften“ wurden von deutschen Metallforschern geleitet – Friedrich Körber leitete gleich zwei: die für Beringungsfragen beim Ministerium für Bewaffnung und Munition und die „Erfahrungsgemeinschaft“ Pulvermetallurgie.[15] Die Arbeiten wurden in Kooperation mit dem Heereswaffenamt und dem Oberkommando des Heeres (OKH) durchgeführt.[16] Für seine Tätigkeit hier erhielt Körber am 11. Juli 1940 das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse.[17] Bei den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum des KWIE am 19. Juni 1942 verlieh ihm KWG-Präsident und KWIE-Kuratoriumsvorsitzender Albert Vögler das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse.[18] Darüber hinaus wurde Körber 1943 zum Fachspartenleiter für Eisen und Stahl im Reichsforschungsrat (RFR) ernannt.[19] Er rückte so in eine übergeordnete Leitungsfunktion und wurde dadurch selbst federführender Akteur der staatlichen Wissenschaftspolitik.[20] Er bemühte sich fortan um einen möglichst erfolgreichen Einsatz der Forschung für die Rüstung und rief Wissenschaftler zur Mitarbeit in seiner Fachsparte auf.

Einzelnachweise

  1. BArch Berlin, R 4901/ 13268, Karteikarte „Körber, Otto Wilh. Paul, Friedr.“.
  2. Ebd.
  3. Vgl. ebd. u. Krisch, Alfred, "Körber, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 375-376 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116296046.html (21.01.2019).
  4. Flachowsky, Sören: „Alle Arbeit des Instituts dient mit leidenschaftlicher Hingabe der deutschen Rüstung“. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung als interinstitutionelle Schnittstelle kriegsrelevanter Wissensproduktion 1917-1945, in: Maier, Helmut: Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer: die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus, Göttingen 2007, S. 153-214, S. 158 f. u. 161.
  5. Ursächlich waren Differenzen mit dem VDEh, vor allem wegen strittiger Fragen bei der Patentverwertung. Rasch, Manfred: Auf dem Weg zum Diensterfinder: Zur kommerziellen Nutzung von Forschungsergebnissen aus Kaiser-Wilhelm-Instituten, in: Hoffmann, Dieter/Kolboske, Birgit/Renn, Jürgen: „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft, Berlin 2015, S. 219-242, hier S. 228-230.
  6. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 160 f.; Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 253.
  7. Vgl. die Angaben bei Flachowsky: Wagenburg, S. 677 sowie in Dönges, Wilhelm: Geschichte und Entwicklung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung zu Düsseldorf, in: Mitteilungen aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung zu Düsseldorf Bd. XXV, Düsseldorf 1942, S. 11 f. Zu Körbers Aufnahme in den Senat 1937: Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 2, S. 690 f.
  8. BArch (Berlin), R 4901/13268, Friedrich Körber.
  9. Im Januar 1934 wurden diese Verbände in die SA eingegliedert. Im November 1935 folgte die Auflösung des noch bestehenden Stahlhelms. Zum Hintergrund: Mahlke, Bernhard: Stahlhelm-Bund der Frontsoldaten (Stahlhelm) 1918-1935. (1934-1935: „Nationalsozialistischer deutscher Frontkämpferbund [Stahlhelm] [NSDFB]“), in: Fricke, Dieter (Hrsg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945) Bd. 4: Reichsverband der Deutschen Industrie – Zweckverband der freien Deutschtumsvereine, Leipzig 1986, S. 145-158.
  10. Vgl. zum NSDAP-Aufnahmestopp: Wetzel, Juliane: Die NSDAP zwischen Öffnung und Mitgliedersperre, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Wie wurde man Parteigenosse? Die NSDAP und ihre Mitglieder, Frankfurt a.M. 2009, S. 74-90, sowie Falter, Jürgen W.: Wer durfte NSDAP-Mitglied werden und wer musste draußen bleiben?, in: Ders. (Hrsg.): Junge Kämpfer, alte Opportunisten: die Mitglieder der NSDAP 1919-1945, Frankfurt a.M./New York 2016, S. 15-40, insbes. S. 20-28 u. S. 38 f.
  11. Siehe zum Beitritt zum 01.05.1937 BArch (Berlin), R 9361 IX/21950202, NSDAP-Aufnahmeantrag, ausgefüllt am 11.06.1937; sowie zum Austritt aus der SA und weiteren Mitgliedsausweisen BArch (Berlin), R 9361 VII KARTEI. Siehe zu diesen Angaben ferner: BArch (Militärarchiv Freiburg), RL 39/1338, Karteikarte Friedrich Körber. Es war nach der Lockerung der Mitgliedersperre üblich, daraufhin erfolgte Eintritte auf den 1. Mai 1937 zurückzudatieren. Vgl. auch Grüttner, Michael: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenspolitik, Heidelberg 2004, S. 95 f. In Flachowsky: Wagenburg, S. 685 wird angegeben, Körber sei 1937 in die NSDAP eingetreten.
  12. Körber: Aufbau und Aufgaben des KWIE, S. 36.
  13. Hoffmann, Dieter/Walker, Mark (Hrsg.): Physiker zwischen Autonomie und Anpassung. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich, Weinheim 2007.
  14. Angaben aus BArch (Militärarchiv Freiburg), RL 39/133, Karteikarte Friedrich Körber.
  15. Der Leiter des KWI für Metallforschung Köster sowie der Metallurg Eduard Houdrement hatten jeweils den Vorsitz einer „Erfahrungsgemeinschaft“ inne, vgl. Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 682.
  16. AMPG, Abt. I, Rep. 16, Nr. 36, Schreiben von Körber an die Generalverwaltung der KWG, 16.09.1942.
  17. BArch (Berlin), R 26-III/109, Bericht über das Arbeitsjahr 1940.
  18. VDEh, Ac 201, Band III, Manuskript der Ansprache Vöglers zum 25-jährigen Jubiläum des KWIE.
  19. Zu Letzterem: Flachowsky: Wagenburg, S. 685 f.
  20. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 194. Zuvor hatte an der Spitze der Fachsparte der Leiter der Abteilung für Metallkunde der Chemisch-Technischen Reichsanstalt Adolf Fry gestanden. Das Reichswissenschaftsministerium wollte zunächst an dessen Personalie festhalten, war aber innerhalb der Fachsparte Eisen und Stahl auf Widerstand der Industrie gestoßen, die sich für Körber ausgesprochen hatte. Letztlich konnte sich die Industrie durchsetzen, und Körber wurde schließlich im Februar 1943 zum Fachspartenleiter ernannt, was vom Präsidenten der KWG Albert Vögler ausdrücklich begrüßt wurde.