Übersicht: Das KWIE vor 1933

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Der Gründung des KWIE ging eine lange Phase der Überlegungen, Ideen und Planungen für ein Eisenforschungsinstitut voraus. Zu ersten allgemeinen Überlegungen über die Gründung einer überbetrieblichen Forschungseinrichtung für das Eisenhüttenwesen kam es bereits im frühen 19. Jahrhundert, doch wurden sie erst während des Ersten Weltkriegs konkretisiert.

Pläne für ein Eisenforschungsinstitut

→ Hauptartikel: Die Vorgeschichte des KWIE

Die Erfahrungen der deutschen Industrie im Ersten Weltkrieg trieben die Pläne für ein Eisenforschungsinstitut maßgeblich voran. Dabei kamen mehrere Entwicklungen zusammen: Im Krieg zeigte sich, dass die eingesetzten Stähle nicht den Rüstungsbedürfnissen des Militärs entsprachen. Um dies zu ändern, erschienen Firmenlabore aufgrund der Ausrichtung auf das Tagesgeschäft und Hochschulen aufgrund der geringen finanziellen Ausstattung ungeeignet.[1] Angesichts der Blockadepolitik der Entente schien es nötig, technische Verfahren zu erarbeiten, um Stahl angesichts knapper werdender Ressourcen rohstoffsparender und effizienter produzieren zu können.[2] Für die institutionelle Einbettung des geplanten Instituts boten sich insbesondere die 1911 gegründete, außeruniversitäre Großforschungsanstalt Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) und die 1916 gegründete Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft (KWKW) an. Die KWG hatte sich während der Kriegsjahre zu einem neuen „Gravitationszentrum der deutschen Forschung“ entwickelt und stellte sich zunehmend und aktiv in den Dienst kriegsrelevanter und waffentechnischer Forschung.[3] Die KWKW war mit dem expliziten Ziel gegründet worden, die wissenschaftliche Arbeiten mit kriegstechnischer Relevanz für Heer und Marine zu koordinieren und fördern.

Die Gründung des KWIE

→ Hauptartikel: Die Gründung des KWIE

Um die kriegswichtige Eisenforschung durchführen zu können führten Vertreter des KWG und des Preußischen Kultusministeriums Anfang 1917 geheime Verhandlungen über die Details eines Eisenforschungsinstituts. Am 30. April 1917 entschieden sie gemeinsam, dass dieses unter dem Dach der KWG gegründet werden sollte.[4] Als eigentlicher Gründungstag des KWIE gilt der 19. Juni 1917, an dem der Vorstand des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) bei einer Sitzung im Düsseldorfer Stahlhof einstimmig für diese Lösung stimmte. Zwar wurde es unter dem Dach der KWG angesiedelt, doch unterschied sich die Konzeption des Instituts von jener der anderen Kaiser-Wilhelm-Instituten (KWI), da beim KWIE die Industrie und nicht die KWG federführend war.[5] Hauptträger und -finanzier des KWIE wurde der VDEh, der das Institut über eine an die Stahlproduktionsmenge gekoppelte Abgabe der Stahlwerke finanzierte. Die KWG und das Preußische Kultusministerium trugen nur einen geringen Teil der Kosten. Diese Gewichtung spiegelte sich auch in der Kontrolle des Instituts wider.[6] Im November 1917 wurde die Satzung des KWIE verabschiedet.[7] Zum Direktor wurde Fritz Wüst ernannt, der damals als Professor an der Technischen Hochschule Aachen – der heutigen RWTH Aachen – das Eisenhüttenmännischen Instituts leitete.[8] Seine Arbeit wurde von einem Kuratorium kontrolliert, in dem Mitglieder des VDEh die Mehrheit stellten.[9] Daher wurde auch der VDEh-Vorsitzende Friedrich Springorum zum ersten Kuratoriumsvorsitzenden gewählt.[10] Zusätzlich wurde ein wissenschaftlicher Beirat geschaffen, der zusammen mit der Industrie die inhaltliche Ausrichtung der Institutsarbeit koordinieren sollte.[11]

Das KWIE in der Weimarer Republik

→ Hauptartikel: Das KWIE in der Weimarer Republik

Die Zeit der Weimarer Republik war für das KWIE von Provisorien geprägt. 1918 erhielt das Institut zunächst Räumlichkeiten an Fritz Wüsts Eisenhüttenmännischem Institut in Aachen. Seit Dezember 1920 war das KWIE dann provisorisch in einer Werkstatthalle der Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik, der späteren Rheinmetall AG, in Düsseldorf untergebracht.[12] Ende 1922 trat Wüst in den Ruhestand.[13] Nachfolger wurde Anfang 1923sein bisheriger Stellvertreter Friedrich Körber. Pläne des VDEh und der Stadt Düsseldorf über den Bau eines eigenen Institutsgebäudes wurden wegen der allgemein schlechten Finanzlage zurückgestellt. Die Stadt Düsseldorf sollte dazu ein geeignetes Gelände und auch einen Bauzuschuss zur Verfügung stellen, wie es in einem Vertragsentwurf von 1919 hieß. 1920 verpflichtete sich die Stadt, neben dem Baugelände auch zehn Jahre lang einen Betriebskostenzuschuss in Höhe von 70.000 Reichsmark jährlich bereitzustellen.[14] Im Oktober 1928 beschloss der VDEh einen Neubau des Instituts, der jedoch aufgrund der Weltwirtschaftskrise in der zweiten Jahreshälfte 1930 zunächst nicht realisiert wurde.[15]

Die zentrale Aufgabe des KWIE war die Grundlagenforschung in sämtlichen Bereichen des Eisenhüttenwesens: von der Untersuchung des Eisenerzes über die Verfahren zur Produktion und Verarbeitung von Eisen und Stahl bis hin zu den Zwischen- und Fertigerzeugnissen.[16] Das Institut gliederte sich in Abteilungen für Metallurgie, Chemie, Physik, mechanische Prüfung und Metallographie, dazu kamen eine mechanische Werkstatt und die VerwaltungVerwaltung. In der Forschungstätigkeit war das KWIE formal unabhängig, sollte aber zugleich praktische Fragen der Industrie berücksichtigen. Daher orientierte man sich in der Forschung auch an den Interessen und Arbeitsschwerpunkten des VDEh. Unter anderem bildeten Autarkiebestrebungen einen wichtigen Fokus. Ziel war es, Probleme der Rohstoff- und Devisenknappheit zu überwinden.[17] Vor dem Hintergrund, dass die deutsche Stahlindustrie nach dem [Vertrag] die hochwertigen Erzlagerstätten in Lothringen, Luxemburg und Oberschlesien eingebüßt hatte, wurde im Jahr 1920 eine spezielle Erzaufbereitungsabteilung angegliedert.[18]

In den 1920er-Jahren avancierte das KWIE zum Institut mit der besten Personal- und Finanzausstattung innerhalb KWG.[19] Es war in verschiedene Kooperationen eingebunden, die auf die Autarkie und „Wiederwehrhaftmachung“ des Deutschen Reichs abzielten.[20] Wie einige andere Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) war auch das KWIE ab 1926 an der illegalen Rüstungsforschung im Auftrag der Reichswehr beteiligt.[21] Das KWIE widmete sich jener Forschungstätigkeit bald „mit großer Hingabe und großem Interesse“.[22] Dies entsprach auch den damaligen Interessen der militärisch-industriellen Eliten, übte doch die auf Autarkie und Wiederaufrüstung ausgerichtete deutsche Schwerindustrie aufgrund der VDEh-Trägerschaft auf das KWIE erheblichen Einfluss aus.[23] Als es 1929 zu Finanzierungsengpässen seitens der Reichswehr kam, stellten das KWIE und andere Institute ihre Arbeit zum Teil kostenlos zur Verfügung.[24]

Einzelnachweise

  1. Flachowsky: Wagenburg, S. 673; Flachowsky: Das MPIE, S. 128.
  2. Flachowsky: Das MPIE, S. 128. Detailliert zu den zuvor ausgeführten Motiven: Marsch, Ulrich: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Industrieforschung in Deutschland und Großbritannien 1880-1936, Paderborn u.a. 1996, S. 340-342; Flachowsky: Wagenburg, S. 674; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 158 f; Haus, Rainer: Lothringen und Salzgitter in der Eisenerzpolitik der deutschen Schwerindustrie von 1871-1940, Salzgitter 1991, S. 44.
  3. Zitat nach Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 52. Ash, Mitchell G.: Ressourcenaustausche: Die KWG und MPG in politischen Umbruchzeiten – 1918, 1933, 1945, 1990, in: Hoffmann, Dieter/Kolboske, Birgit/Renn, Jürgen (Hrsg.): „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft, Berlin 2015, S. 307-342, hier S. 312.
  4. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 159; Kohl: Präsidenten, S. 190.
  5. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 161; Flachowsky: Wagenburg, S. 675.
  6. Vgl. Dönges: Geschichte, S. 8 f.; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 159 f.
  7. Dönges: Geschichte, S. 9; Rasch: Zur Gründungsgeschichte, S. 288-291.
  8. Vgl. Dönges: Geschichte, S. 4 u. Flachowsky: Wagenburg, S. 675.
  9. Vgl. Dönges: Geschichte, S. 8 f.; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 159 f.
  10. Dönges: Geschichte, S. 9; Rasch: Zur Gründungsgeschichte, S. 288-291.
  11. Vgl. Dönges: Geschichte, S. 8 f.; Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 346, S. 349-351 u. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 159 f.
  12. Vgl. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 160; Dönges: Geschichte, S. 9 f.
  13. Rasch, Manfred: Auf dem Weg zum Diensterfinder: Zur kommerziellen Nutzung von Forschungsergebnissen aus Kaiser-Wilhelm-Instituten, in: Hoffmann, Dieter/Kolboske, Birgit/Renn, Jürgen: „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft, Berlin 2015, S. 219-242, hier S. 228-230.
  14. Zu jenen Planungen und Verträgen Flachowsky: Alle Arbeit, S. 160 sowie Akten der Stadt Düsseldorf betr. Eisenforschungsinstitut, Stadtarchiv Düsseldorf, 0-1-4-34559.0000, Hauptvertrag zwischen der Stadt Düsseldorf und dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute vom 27. April 1920.
  15. Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 253; Flachowsky: Wagenburg, S. 679 f.
  16. Dönges: Geschichte, S. 31; Flachowsky: Das MPIE, S. 129.
  17. Flachowsky: Wagenburg, S. 681 f.; Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 350, S. 369.
  18. Dönges: Geschichte, S. 11; Flachowsky: Wagenburg, S. 679 f.
  19. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 160 f.; Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 253.
  20. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 162 f., S. 165; Flachowsky, Sören/Nötzoldt, Peter: Von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft zur Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die 'Gemeinschaftsarbeiten' der Notgemeinschaft 1924-1933, in: Schalenberg, Marc/Walter, Thomas (Hrsg.): „... immer im Forschen bleiben!“ Rüdiger vom Bruch zum 60. Geburtstag, Stuttgart 2004, S. 157-177.
  21. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 163 f. Zu illegaler Rüstungsforschung durch Institute der KWG und den Hintergrund: Maier: Forschung als Waffe Bd. 1, S. 255-257, S. 266-283, S. 544-547; Schmaltz, Florian: Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie, in: Rürup, Reinhard/Schieder, Wolfgang (Hrsg.): Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus Bd. 11, Göttingen 2005, S. 192-220.;Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 113-116; ferner Hachtmann, Rüdiger: Die Wissenschaftslandschaft zwischen 1930 und 1949. Profilbildung und Ressourcenverschiebung, in: Grüttner, Michael/Hachtmann, Rüdiger/Jarausch, Konrad H./John, Jürgen/Middell, Matthias (Hrsg.): Gebrochene Wissenschaftskulturen. Universität und Politik im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010, S. 193-205, hier S. 194 f.
  22. Wortlaut eines Schreibens des Heereswaffenamtes, Wilhelm Wimmer, 14.11.1929, zit. n. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 166; Flachowsky: Wagenburg, S. 681 f.
  23. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 163. Zur kriegerischen und außenpolitischen Ausrichtung der Schwerindustrie während des Ersten Weltkriegs knapp Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 341 f.; Hansen, Ernst Willi: Reichswehr und Industrie. Rüstungswirtschaftliche Zusammenarbeit und wirtschaftliche Mobilmachungsvorbereitungen 1923-1932, Boppard am Rhein 1978, S. 205-209; Haus: Lothringen, S. 55-133.
  24. Siehe hierzu eine Aufstellung der der KWG-Generalverwaltung an Körber, 14.12.1933, BArchB, R 26 III/693a, zit. n. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 168.