Unterbringung von Zwangsarbeitern

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Datei:Karteikarte Chagneau.jpg
Auszug aus der Kriegszeitkartei der Gemeinde Clausthal-Zellerfeld zu dem französischen Laboranten André-Gaston Chagneau, der seit Anfang 1943 am KWIE tätig war

Zur Unterbringung der am KWIE eingesetzten ausländischen Zwangsarbeiter gibt es aufgrund der zum Teil sehr dünnen Aktenlage nur wenige Anhaltspunkte. Generell ist davon auszugehen, dass zivile Zwangsarbeiter – auch sogenannte „Westarbeiter“ – seit spätestens 1942/43 in bewachten Lagern untergebracht waren.

Unterbringung von Zwangsarbeitern in verschiedenen Lagerformen

Derartige Unterbringungen konnten firmeneigene, das heißt auf dem Gelände der Unternehmen betriebene Firmenlager oder sogenannte „Gemeinschaftslager“ sein. Die Bedingungen waren, entsprechend der rassistischen Hierarchisierung des „Ausländereinsatzes“ für die verschiedenen Zwangsarbeitergruppen unterschiedlich. Für die Führung solcher Lager und Arbeitskommandos waren die Unternehmen selbst oder die Stadt verantwortlich.[1] In Düsseldorf finden sich in den für das KWIE relevanten Bauakten oder in weiteren städtischen Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür, dass das KWIE ein eigenes Lager auf dem Institutsgelände unterhielt. Für Düsseldorf enthalten weder die Hausbücher des Stadtarchivs noch die Hausakten des Bauaufsichtsamts Hinweise auf ein Zwangsarbeiterlager auf dem Institutsgelände. Für Clausthal sind im Stadtarchiv Clausthal-Zellerfeld keine Häuserbögen überliefert, die Auskunft über Zwangsarbeiter geben könnten. In den ausführlichen Verzeichnissen zu Zwangsarbeiterlagern bzw. Firmenlagern im Düsseldorfer Stadtgebiet findet das KWIE keine Erwähnung. Auch in der Literatur zur Zwangsarbeit in Clausthal, die sich v.a. mit dem Zwangsarbeitereinsatz im Sprengstoffwerk Tanne beschäftigt und in diesem Zusammenhang verschiedene Gemeinschaftslager aufführt, wird das KWIE nicht genannt.[2]

Unterbringung der am KWIE tätigen französischen Zwangsarbeiter

Die letzte verzeichnete Adresse von André Gaston Chagneau in Düsseldorf war die Oberratherstraße 57.[3] Dabei handelte es sich um ein in einer Gaststätte in Düsseldorf-Rath eingerichtetes Lager für französische Kriegsgefangene und „Zivilarbeiter“, die beim Rheinmetall-Borsig-Stahlwerk an der Helmutstraße arbeiten mussten. In der Gaststätte lebten 60 bis 80 Personen in einem Saal. Sie wurden von einfachen, nichtbewaffneten Posten bewacht.[4] Rheinmetall-Borsig war ein Mitgliedsunternehmen des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh), was die Unterbringung Chagneaus in diesem Lager erklärt. Das KWIE wurde offenbar beim Zwangsarbeitereinsatz durch die einheimische Eisen- und Stahlindustrie unterstützt und konnte deren Infra- beziehungsweise Lagerstruktur nutzen. Für Dubois wiederum ist keine Düsseldorfer Meldeadresse zu ermitteln, doch ist bekannt, dass er in Clausthal in einem sogenannten „Be.Lager“ untergekommen war. Es handelte sich hier höchstwahrscheinlich um das sogenannte „Bereitschaftslager des Sprengstoffwerks Tanne“. Das Lager bestand aus mehreren befestigten Baracken. Zunächst hatten hier deutsche Dienstverpflichtete gewohnt, später zivile Zwangsarbeiter. In dem Lager waren mehrere hundert Arbeitskräfte untergebracht.[5] Seit dem 23. August 1944 lautete Dubois’ Meldeadresse Zellbach 24.[6] Auch Chagneau war seit dem 1. Oktober 1943 in Clausthal gemeldet, vorerst mit dem Vermerk „Be-Lager“, seit dem 23. August 1944 – also ebenso wie Dubois – an der Adresse Zellbach 24.[7] Es ist anzunehmen, dass es sich dabei, wie bei der Unterbringung von Chagneau in Düsseldorf, um eine als Lager genutzte Gaststätte bzw. Räumlichkeiten eines Hotels handelte. An der Adresse Zellbach 24 befindet sich heute ein Alten- und Pflegeheim des Deutschen Roten Kreuz. Auf dessen Website wird angegeben, dass sich dort ein Hotel mit dem Namen „Deutscher Kaiser“ befunden habe, dessen Betrieb mit dem Zweiten Weltkrieg zum Erliegen gekommen sei. Es ist jedoch nicht vollständig gesichert, ob es sich bei Hotel und Lager um dasselbe Gebäude handelt. Es ist möglich, dass sich die Hausnummern im Laufe der Zeit geändert haben.[8]

Zur Unterbringung der übrigen Zwangsarbeiter

Über die Unterbringung der übrigen Zwangsarbeiter, die am KWIE eingesetzt wurden, ist nichts in den Akten vermerkt. Es ist anzunehmen, dass sie in Düsseldorf ebenfalls in Lagern eines Mitgliedsunternehmens des VDEh oder in einem nahegelegenen Gemeinschaftslager lebten und in Clausthal in einem der dortigen Zwangsarbeiterlager des Werks Tanne untergebracht waren.

Einzelnachweise

  1. Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik, S. 154-158; zu Düsseldorf siehe oben.
  2. Ebenso wenig gibt es in der bisher spärlichen Literatur zur TH Clausthal/frühere Bergakademie im Nationalsozialismus Hinweise auf Zwangsarbeit. Siehe Pietsch: Sprengstoff im Harz; Braedt/Horseljau/Jacobs/ Knolle: Sprengstofffabrik; Balck, Freidrich/Müller, Georg/Schuster, Armin: Im Wandel der Zeiten. Die Bergstadt Clausthal-Zellerfeld und ihre Hochschule, Clausthal-Zellerfeld 2000; Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des Widerstandes 1933-1945 (Hrsg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945 Bd. 2: Niedersachsen I., Regierungsbezirke Braunschweig und Lüneburg, Köln 1985, hier zum Oberharz Clausthal-Zellerfeld S. 25 f.; Müller, Georg: Vom Stahlhelm zum Hakenkreuz. Menschen und Vorgänge an der Bergakademie Clausthal in den zwanziger bis vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts, Clausthal-Zellerfeld 1995; Technische Universität Clausthal (Hrsg.): Technische Universität Clausthal. Zur 200-Jahrfeier 1775-1975 Bd. I: Die Bergakademie und ihre Vorgeschichte, Clausthal-Zellerfeld 1975. Unterlagen zum KWIE oder zur Zwangsarbeit an der Bergakademie sind vorhanden im Stadtarchiv Zellerfeld-Clausthal sowie im Archiv der TH Clausthal.
  3. Arolsen Archives, 2.2.2.1./70604622, Liste von Angehörigen der Vereinten Nationen, Stadt Düsseldorf.
  4. Wehofen: Nachweis der Lager, S. 585; zu den Bedingungen: Leitzbach, Christian: Der Einsatz ausländischer Arbeiterinnen und Arbeiter bei Rheinmetall-Borsig während des Zweiten Weltkrieges, in: Looz-Corswarem: Zwangsarbeit in Düsseldorf. „Ausländereinsatz“ während des Zweiten Weltkrieges in einer rheinischen Großstadt, Essen 2002, S. 403-415, hier S. 411 f. Wehofen beschreibt das Lager als Kriegsgefangenenlager, laut Leitzbach handelte es sich um ein Lager für „Franzosen“. StAD, 0-1-4-1715.0000, Belg.-Liste, Hausbuch Oberrather Str. 57.
  5. Pietsch: Sprengstoff im Harz, S. 155-161; Braedt/Horseljau/Jacobs/Knolle: Sprengstofffabrik, S. 77.
  6. Arolsen Archives, 2.2.2.1./72101523, Kriegszeitkartei Maurice Dubois.
  7. Arolsen Archives, 2.2.2.1./71754632, Kriegszeitkartei André Chagneau.
  8. http://www.drk-altenheim.de/uploads/file/1._Historie.pdf (26.06.2019).