Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums: Unterschied zwischen den Versionen

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==Entlassungen von KWG-Beschäftigten==
==Entlassungen von KWG-Beschäftigten==
Zahlreiche jüdische sowie politisch missliebige Wissenschaftler und weitere Mitarbeiter wurden im Rahmen verschiedener Fragebogenaktionen erfasst und aus den Forschungsinstituten der KWG und aus der KWG-Generalverwaltung entlassen. Zahlen zu den betroffenen Institutsangehörigen liegen lediglich für die festangestellten Mitarbeiter vor und beziehen sich ausschließlich auf den „Arierparagraphen“, nicht auf politische Verfolgte. Die damalige Überprüfung seitens der Generalverwaltung ergab, dass von den insgesamt 1.061 festangestellten Mitarbeitern aller KWI und der Verwaltung gemäß der NS-Definition 54 Personen als „nichtarisch“ galten. An den vorwiegend öffentlich finanzierten Instituten stellten „nichtarische“ Angestellte 5,9 Prozent, an den privat finanzierten Instituten 3,3 Prozent. Dabei schwankte der Anteil jüdischer Beschäftigter an den Einzelinstituten und somit die „Verfolgungsintensität“ zum Teil erheblich. Am 20. September 1933 übergab die Generalverwaltung dem Reichsinnenministerium eine zusammenfassende „Nachweisung aller Angestellten der mit mehr als 50 % aus öffentlichen Mitteln finanzierten KWI mit Angabe über ihre arische oder nichtarische Abstammung“. Von 767 Beschäftigten der 21 vorwiegend öffentlich finanzierten Institute wurden 45 hier als „nichtarisch“ angegeben. Am 4. Oktober folgte – auf Basis der Fragebögen – die „Nachweisung aller Angestellten der ganz oder hauptsächlich von der Industrie oder mit privaten Mitteln finanzierten Unternehmungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften mit Angabe ihrer arischen oder nicht arischen Abstammung“. Die Anzahl der an diesen neun Einrichtungen Beschäftigten wurde auf 274 Personen beziffert; hiervon wurden neun Personen als „nichtarisch“ angegeben.<ref>AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 532/2, Schreiben vom 4. Oktober 1933 mit Anhängen; AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr: 531/1, Bl. 107, Bl. 139. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 69 f. Siehe auch Albrecht/Hermann: Die KWG im Dritten Reich, S. 361.</ref> Die Zahlen schließen die Beschäftigten der Generalverwaltung und des Harnackhauses ein.</ref>Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 397-399; Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 35 f. </ref>  
Zahlreiche jüdische sowie politisch missliebige Wissenschaftler und weitere Mitarbeiter wurden im Rahmen verschiedener Fragebogenaktionen erfasst und aus den Forschungsinstituten der KWG und aus der KWG-Generalverwaltung entlassen. Zahlen zu den betroffenen Institutsangehörigen liegen lediglich für die festangestellten Mitarbeiter vor und beziehen sich ausschließlich auf den „Arierparagraphen“, nicht auf politische Verfolgte. Die damalige Überprüfung seitens der Generalverwaltung ergab, dass von den insgesamt 1.061 festangestellten Mitarbeitern aller KWI und der Verwaltung gemäß der NS-Definition 54 Personen als „nichtarisch“ galten. An den vorwiegend öffentlich finanzierten Instituten stellten „nichtarische“ Angestellte 5,9 Prozent, an den privat finanzierten Instituten 3,3 Prozent. Dabei schwankte der Anteil jüdischer Beschäftigter an den Einzelinstituten und somit die „Verfolgungsintensität“ zum Teil erheblich. Am 20. September 1933 übergab die Generalverwaltung dem Reichsinnenministerium eine zusammenfassende „Nachweisung aller Angestellten der mit mehr als 50 % aus öffentlichen Mitteln finanzierten KWI mit Angabe über ihre arische oder nichtarische Abstammung“. Von 767 Beschäftigten der 21 vorwiegend öffentlich finanzierten Institute wurden 45 hier als „nichtarisch“ angegeben. Am 4. Oktober folgte – auf Basis der Fragebögen – die „Nachweisung aller Angestellten der ganz oder hauptsächlich von der Industrie oder mit privaten Mitteln finanzierten Unternehmungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften mit Angabe ihrer arischen oder nicht arischen Abstammung“. Die Anzahl der an diesen neun Einrichtungen Beschäftigten wurde auf 274 Personen beziffert; hiervon wurden neun Personen als „nichtarisch“ angegeben.<ref>AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 532/2, Schreiben vom 4. Oktober 1933 mit Anhängen; AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr: 531/1, Bl. 107, Bl. 139. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 69 f. Siehe auch Albrecht/Hermann: Die KWG im Dritten Reich, S. 361.</ref> Die Zahlen schließen die Beschäftigten der Generalverwaltung und des Harnackhauses ein.</ref>Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 397-399; Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 35 f. </ref>  
Am [https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz-Haber-Institut_der_Max-Planck-Gesellschaft KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie] fiel ein Viertel der Institutsangehörigen unter den sogenannten „Arierparagraphen“. Unter den betroffenen Personen waren [https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Haber Fritz Haber] als [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Direktor]] und mehrere Abteilungsleiter. Auch in anderen Instituten waren die [[Organisationsstruktur des KWIE|Leitungsebene]] bzw. die Direktion betroffen. Ein weiteres bekanntes Beispiel eines Direktors, der aufgrund der NS-Gesetze aus der KWG verdrängt wurde, war [https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Einstein Albert Einstein], der das [https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiser-Wilhelm-Institut_f%C3%BCr_Physik KWI für Physik] bis 1933 leitete.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 57-61, S. 107 f.</ref> Von der Position des zweiten Direktors des Biologischen Instituts wurde Richard Goldschmidt entfernt. Carl Neuberg wurde aus seiner Direktorenposition bei KWI für Biochemie gedrängt. Ernst Rabel musste infolge der NS-Gesetze 1936 als Direktor des KWI für ausländisches und internationales Privatrecht zurücktreten.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 205 f., S. 276 f., S. 299; Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 399.</ref> Nicht festangestellte Wissenschaftler, wie etwa Gastforscher, Stipendiaten oder Doktoranden, die an vielen Instituten zahlreich tätig waren, waren im Rahmen der Überprüfung allerdings nicht erfasst, und so ist die Gesamtzahl der aus der KWG und den KWI aus rassistischen Gründen vertriebenen Personen nicht zu ermitteln.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92 f., S. 70-73.</ref>
Am [https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz-Haber-Institut_der_Max-Planck-Gesellschaft KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie] fiel ein Viertel der Institutsangehörigen unter den sogenannten „Arierparagraphen“. Unter den betroffenen Personen waren [https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Haber Fritz Haber] als [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Direktor]] und mehrere Abteilungsleiter. Auch in anderen Instituten waren die [[Die Organisationsstruktur des KWIE|Leitungsebene]] bzw. die Direktion betroffen. Ein weiteres bekanntes Beispiel eines Direktors, der aufgrund der NS-Gesetze aus der KWG verdrängt wurde, war [https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Einstein Albert Einstein], der das [https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiser-Wilhelm-Institut_f%C3%BCr_Physik KWI für Physik] bis 1933 leitete.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 57-61, S. 107 f.</ref> Von der Position des zweiten Direktors des Biologischen Instituts wurde Richard Goldschmidt entfernt. Carl Neuberg wurde aus seiner Direktorenposition bei KWI für Biochemie gedrängt. Ernst Rabel musste infolge der NS-Gesetze 1936 als Direktor des KWI für ausländisches und internationales Privatrecht zurücktreten.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 205 f., S. 276 f., S. 299; Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 399.</ref> Nicht festangestellte Wissenschaftler, wie etwa Gastforscher, Stipendiaten oder Doktoranden, die an vielen Instituten zahlreich tätig waren, waren im Rahmen der Überprüfung allerdings nicht erfasst, und so ist die Gesamtzahl der aus der KWG und den KWI aus rassistischen Gründen vertriebenen Personen nicht zu ermitteln.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92 f., S. 70-73.</ref>
Bisher ist von insgesamt 104 wissenschaftlichen Mitarbeitern, zehn (der insgesamt 35) Direktoren oder Leitern von Forschungsstellen, sieben Abteilungsleitern sowie von 21 der 65 wissenschaftlichen Mitglieder der KWG bekannt, dass sie aufgrund des Berufsbeamtengesetzes und späterer Verfolgungsmaßnahmen aus der KWG und deren Instituten vertrieben wurden. Hiervon waren 12 Entlassungen politisch motiviert, also durch die Mitgliedschaft in oppositionellen Parteien veranlasst. Die Mehrheit dieser bekannten Entlassungen wurde 1933 vorgenommen. [[Personelle „Säuberung“ am KWIE|Institutsangehörige des KWIE]] waren nicht darunter.<ref>Vgl. Ash: Ressourcenaustausche, S. 316 f.;Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92-94; Schüring: Minervas verstoßene Kinder, S. 86-103.</ref> Reinhard Rürup und Michael Schüring nennen 126 aus der KWG vertriebene Personen, von denen 22 keine Wissenschaftler gewesen seien.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92-94.</ref>
Bisher ist von insgesamt 104 wissenschaftlichen Mitarbeitern, zehn (der insgesamt 35) Direktoren oder Leitern von Forschungsstellen, sieben Abteilungsleitern sowie von 21 der 65 wissenschaftlichen Mitglieder der KWG bekannt, dass sie aufgrund des Berufsbeamtengesetzes und späterer Verfolgungsmaßnahmen aus der KWG und deren Instituten vertrieben wurden. Hiervon waren 12 Entlassungen politisch motiviert, also durch die Mitgliedschaft in oppositionellen Parteien veranlasst. Die Mehrheit dieser bekannten Entlassungen wurde 1933 vorgenommen. [[Personelle „Säuberung“ am KWIE|Institutsangehörige des KWIE]] waren nicht darunter.<ref>Vgl. Ash: Ressourcenaustausche, S. 316 f.;Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92-94; Schüring: Minervas verstoßene Kinder, S. 86-103.</ref> Reinhard Rürup und Michael Schüring nennen 126 aus der KWG vertriebene Personen, von denen 22 keine Wissenschaftler gewesen seien.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92-94.</ref>
Es ist davon auszugehen, dass noch mehr Wissenschaftler aus den Instituten gedrängt wurden. Die wenigsten Informationen liegen zur politischen „Säuberung“ der KWG-Hauptverwaltung und der Institute vor. Fragebögen, die sich auf politische Zugehörigkeit bezogen, wurden von der KWG-Hauptverwaltung im September 1933 an die Institute versendet. Es sind zu dieser Überprüfung allerdings keine zeitgenössischen Statistiken überliefert.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 70 f.</ref> Die Zahl der Wissenschaftler, die an den Instituten der KWG aus politischen Gründen entlassen wurden, war vergleichsweise gering.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 74-80.</ref> Die Angaben zur politisch bedingten Entlassung nichtwissenschaftlichen Personals sind ebenfalls sehr bruchstückhaft.</ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 85-89.</ref>
Es ist davon auszugehen, dass noch mehr Wissenschaftler aus den Instituten gedrängt wurden. Die wenigsten Informationen liegen zur politischen „Säuberung“ der KWG-Hauptverwaltung und der Institute vor. Fragebögen, die sich auf politische Zugehörigkeit bezogen, wurden von der KWG-Hauptverwaltung im September 1933 an die Institute versendet. Es sind zu dieser Überprüfung allerdings keine zeitgenössischen Statistiken überliefert.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 70 f.</ref> Die Zahl der Wissenschaftler, die an den Instituten der KWG aus politischen Gründen entlassen wurden, war vergleichsweise gering.<ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 74-80.</ref> Die Angaben zur politisch bedingten Entlassung nichtwissenschaftlichen Personals sind ebenfalls sehr bruchstückhaft.</ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 85-89.</ref>

Version vom 2. Juni 2020, 17:53 Uhr

Die schärfsten personellen Eingriffe wurden in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG)-Verwaltung und an den einzelnen Instituten auf der Grundlage des am 7. April 1933 erlassenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums und 1935 infolge der sogenannten „Nürnberger Gesetze“ vorgenommen.

Das Berufsbeamtengesetz

Das Berufsbeamtengesetz bezog sich auf alle Beamten in Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie in diesen gleichgestellten Einrichtungen und Unternehmungen. Seine Regelungen sollten aber auch bei Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst angewendet werden. Im sogenannten „Arierparagraphen“ war vorgesehen, dass alle Beamten „nichtarischer Abstammung“ in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen seien. Ausnahmen galten bei Einstellungen vor 1914 und bei „Frontkämpfern“ des Ersten Weltkriegs. Das Gesetz richtete sich zugleich gegen politische Gegner und ermöglichte pauschal die Entlassung etwa jener Beamte, „die nach ihrer bisherigen politischen Tätigkeit nicht die Gewähr dafür“ böten, „daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten“ konnten.[1]

Überprüfung der KWG-Beschäftigen

Auf Anweisung des Reichsinnenministeriums leitete die KWG-Hauptverwaltung Ende April 1933 die personelle Überprüfung und „Säuberung“ der ihr unterstehenden und zu mehr als 50 Prozent öffentlich finanzierten Institutionen ein. Am 24. April war die Hauptverwaltung der KWG erstmals aufgefordert worden, Beamte, Angestellte und Arbeiter zu nennen, die im Sinne des genannten Gesetzes zu entlassen waren.[2] Zwar handelte es sich bei der KWG formal gesehen um eine privatrechtliche Institution. In Anlehnung an die Universitäten entsprach jedoch das Besoldungssystem der Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) dem des öffentlichen Diensts, und die dort tätigen Wissenschaftler hatten einen ähnlichen Status wie Angehörige des öffentlichen Diensts.[3] Die überwiegend von der Industrie oder privat finanzierten Institute, darunter das KWIE zur Zeit der Weimarer Republik, wurden erst einige Monate später einbezogen. Die KWG-Generalverwaltung hatte bei den industrienahen Instituten im Frühjahr 1933 vorerst eine staatliche Überprüfung vermieden, mit dem Argument gegenüber dem Innenministerium, dass es sich hierbei um private Einrichtungen handele und diese nicht unter das Berufsbeamtengesetz fallen würden. Dabei ging es – so der heutige Forschungsstand – nicht vordergründig um den Schutz jüdischer oder politisch missliebiger Institutsangehöriger und Mitarbeiter, sondern vor allem darum, die Industrieinstitute „vor staatlichen Interventionen abzuschirmen“ – und auf diese Weise eine institutionelle Unabhängigkeit zu bewahren.[4]

Entlassungen von KWG-Beschäftigten

Zahlreiche jüdische sowie politisch missliebige Wissenschaftler und weitere Mitarbeiter wurden im Rahmen verschiedener Fragebogenaktionen erfasst und aus den Forschungsinstituten der KWG und aus der KWG-Generalverwaltung entlassen. Zahlen zu den betroffenen Institutsangehörigen liegen lediglich für die festangestellten Mitarbeiter vor und beziehen sich ausschließlich auf den „Arierparagraphen“, nicht auf politische Verfolgte. Die damalige Überprüfung seitens der Generalverwaltung ergab, dass von den insgesamt 1.061 festangestellten Mitarbeitern aller KWI und der Verwaltung gemäß der NS-Definition 54 Personen als „nichtarisch“ galten. An den vorwiegend öffentlich finanzierten Instituten stellten „nichtarische“ Angestellte 5,9 Prozent, an den privat finanzierten Instituten 3,3 Prozent. Dabei schwankte der Anteil jüdischer Beschäftigter an den Einzelinstituten und somit die „Verfolgungsintensität“ zum Teil erheblich. Am 20. September 1933 übergab die Generalverwaltung dem Reichsinnenministerium eine zusammenfassende „Nachweisung aller Angestellten der mit mehr als 50 % aus öffentlichen Mitteln finanzierten KWI mit Angabe über ihre arische oder nichtarische Abstammung“. Von 767 Beschäftigten der 21 vorwiegend öffentlich finanzierten Institute wurden 45 hier als „nichtarisch“ angegeben. Am 4. Oktober folgte – auf Basis der Fragebögen – die „Nachweisung aller Angestellten der ganz oder hauptsächlich von der Industrie oder mit privaten Mitteln finanzierten Unternehmungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften mit Angabe ihrer arischen oder nicht arischen Abstammung“. Die Anzahl der an diesen neun Einrichtungen Beschäftigten wurde auf 274 Personen beziffert; hiervon wurden neun Personen als „nichtarisch“ angegeben.[5] Die Zahlen schließen die Beschäftigten der Generalverwaltung und des Harnackhauses ein.</ref>Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 397-399; Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 35 f. </ref> Am KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie fiel ein Viertel der Institutsangehörigen unter den sogenannten „Arierparagraphen“. Unter den betroffenen Personen waren Fritz Haber als Direktor und mehrere Abteilungsleiter. Auch in anderen Instituten waren die Leitungsebene bzw. die Direktion betroffen. Ein weiteres bekanntes Beispiel eines Direktors, der aufgrund der NS-Gesetze aus der KWG verdrängt wurde, war Albert Einstein, der das KWI für Physik bis 1933 leitete.[6] Von der Position des zweiten Direktors des Biologischen Instituts wurde Richard Goldschmidt entfernt. Carl Neuberg wurde aus seiner Direktorenposition bei KWI für Biochemie gedrängt. Ernst Rabel musste infolge der NS-Gesetze 1936 als Direktor des KWI für ausländisches und internationales Privatrecht zurücktreten.[7] Nicht festangestellte Wissenschaftler, wie etwa Gastforscher, Stipendiaten oder Doktoranden, die an vielen Instituten zahlreich tätig waren, waren im Rahmen der Überprüfung allerdings nicht erfasst, und so ist die Gesamtzahl der aus der KWG und den KWI aus rassistischen Gründen vertriebenen Personen nicht zu ermitteln.[8] Bisher ist von insgesamt 104 wissenschaftlichen Mitarbeitern, zehn (der insgesamt 35) Direktoren oder Leitern von Forschungsstellen, sieben Abteilungsleitern sowie von 21 der 65 wissenschaftlichen Mitglieder der KWG bekannt, dass sie aufgrund des Berufsbeamtengesetzes und späterer Verfolgungsmaßnahmen aus der KWG und deren Instituten vertrieben wurden. Hiervon waren 12 Entlassungen politisch motiviert, also durch die Mitgliedschaft in oppositionellen Parteien veranlasst. Die Mehrheit dieser bekannten Entlassungen wurde 1933 vorgenommen. Institutsangehörige des KWIE waren nicht darunter.[9] Reinhard Rürup und Michael Schüring nennen 126 aus der KWG vertriebene Personen, von denen 22 keine Wissenschaftler gewesen seien.[10] Es ist davon auszugehen, dass noch mehr Wissenschaftler aus den Instituten gedrängt wurden. Die wenigsten Informationen liegen zur politischen „Säuberung“ der KWG-Hauptverwaltung und der Institute vor. Fragebögen, die sich auf politische Zugehörigkeit bezogen, wurden von der KWG-Hauptverwaltung im September 1933 an die Institute versendet. Es sind zu dieser Überprüfung allerdings keine zeitgenössischen Statistiken überliefert.[11] Die Zahl der Wissenschaftler, die an den Instituten der KWG aus politischen Gründen entlassen wurden, war vergleichsweise gering.[12] Die Angaben zur politisch bedingten Entlassung nichtwissenschaftlichen Personals sind ebenfalls sehr bruchstückhaft.</ref>Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 85-89.</ref>

Vorauseilende Anpassung der KWG an den NS-Staat

Insgesamt kann der KWG und ihren Instituten bei der „Säuberung“ ihrer wissenschaftlichen Mitglieder und ihres sonstigen Personals eine vorauseilende Anpassung an den NS-Staat attestiert werden, die von der KWG-Hauptverwaltung orchestriert wurde und seitens der meisten Institutsdirektionen im Wesentlichen bereitwillig oder teilweise sogar eigeninitiativ erfolgte. Auch wenn es von Spitzenvertretern der KWG, wie Max Planck und Friedrich Glum, Vorbehalte gab, bestimmte besonders renommierte deutsche Wissenschaftler jüdischer Herkunft trotz ihrer wissenschaftlichen Verdienste aus der KWG zu verdrängen, wurden die antisemitischen Maßnahmen insgesamt „zügig und rückhaltlos“ durchgeführt.[13] Die Verdrängung führender jüdischer Wissenschaftler, wie etwa die von Fritz Haber, wurde gemäß der neueren Forschung auch aus dem Motiv abgelehnt, dass dies einen staatlichen Eingriff in die meritokratischen Prinzipien der KWG und somit in die institutionelle Unabhängigkeit von staatlichen Eingriffen darstellte.</ref>Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 36; Albrecht: Besuch bei Adolf Hitler; Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 371-387.</ref> Die künftige Neueinstellungspolitik aller Institute der KWG wurde auf der Grundlage des Berufsbeamtengesetzes reglementiert. Im November 1933 sicherte die Generalverwaltung der KWG dem Innenministerium zu, dass in der KWG zukünftig nur noch sogenannte „Arier“ eingestellt würden.[14] Auch gab der Generaldirektor der KWG im November 1933 bekannt, dass bei der KWG und ihren Unternehmungen nur noch als Angestellter und Arbeiter eingestellt werden durfte, wer „jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintritt.“ Weiter hieß es: „Wer nichtarischer Abstammung oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet ist, darf als Angestellter oder Arbeiter nicht eingestellt werden.“[15] Außerdem wurde die Beschäftigung ausländischer Wissenschaftler an den KWI nach 1933 untersagt, außer es lagen besondere Genehmigungen vor.[16]


Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 50-55; Reichsgesetzblatt 1933, Teil 1, Nr. 34, S. 175 f.
  2. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 531/1. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 61, S. 63.
  3. Schüring: Minervas verstoßene Kinder, S. 51 f.
  4. Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 378-380.
  5. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 532/2, Schreiben vom 4. Oktober 1933 mit Anhängen; AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr: 531/1, Bl. 107, Bl. 139. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 69 f. Siehe auch Albrecht/Hermann: Die KWG im Dritten Reich, S. 361.
  6. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 57-61, S. 107 f.
  7. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 205 f., S. 276 f., S. 299; Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 399.
  8. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92 f., S. 70-73.
  9. Vgl. Ash: Ressourcenaustausche, S. 316 f.;Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92-94; Schüring: Minervas verstoßene Kinder, S. 86-103.
  10. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 92-94.
  11. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 70 f.
  12. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 74-80.
  13. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 34.
  14. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 380.
  15. AMPG, Abt. I, Rep. 20, Nr. 3, Generaldirektor der KWG an Direktor des KWI für Deutsche Geschichte, 21.11.1933.
  16. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 61 f.