Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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==Der Einsatz von Zwangsarbeitern==
==Der Einsatz von Zwangsarbeitern==
Ebenso [[Die im KWIE eingesetzten Zwangsarbeiter|wie das KWIE]] setzten viele deutsche Forschungseinrichtungen in den Jahren 1939 bis 1945 [[Zwangsarbeit im Deutschen Reich|Zwangsarbeiter]] ein. Einige Universitäten und Hochschulen setzten Zwangsarbeiter in verschiedenen Bereichen ein.<ref>Vgl. Herrmann, Wolfgang A./Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Die Technische Hochschule München im Nationalsozialismus, München 2018 sowie bei Hanel, Melanie: Normalität unter Ausnahmebedingungen. Die TH Darmstadt im Nationalsozialismus, Darmstadt 2014 (zugl. Univ. Diss. 2013, TU Darmstadt).</ref> In der KWG und ihren Instituten waren während des Zweiten Weltkriegs insgesamt um die 1.000 Zwangsarbeiter tätig, darunter „Zivilarbeiter“, Kriegsgefangene, an bestimmten Instituten bzw. in bestimmten Rüstungsprojekten auch KZ-Häftlinge. An den KWI waren Zwangsarbeiter vor allem in drei Bereichen eingesetzt: an Instituten, die landwirtschaftliche Güter betrieben, bei regulären und kriegsbedingten Bau- und Hilfsarbeiten sowie bei [[Verlagerung des Instituts nach Clausthal|kriegsbedingten Verlagerungen]]. Auch in anderen Bereichen gab es Zwangsarbeiter, etwa im wissenschaftlichen Betrieb. Der internationale Austausch mit ausländischen Wissenschaftlern war unterbrochen. Kriegsbedingt und wegen Vorbehalten gegen ausländische Spionage wurden im Wesentlichen keine freien ausländischen Wissenschaftler an den KWI beschäftigt. Solche personellen Lücken wurden während des Kriegs teilweise mit Wissenschaftlern aufgefüllt, die als zivile Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene nach Deutschland deportiert worden waren.<ref>Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 4-7.</ref>
Ebenso [[Eingesetzte Zwangsarbeiter am KWIE|wie das KWIE]] setzten viele deutsche Forschungseinrichtungen in den Jahren 1939 bis 1945 [[Zwangsarbeit im Deutschen Reich|Zwangsarbeiter]] ein. Einige Universitäten und Hochschulen setzten Zwangsarbeiter in verschiedenen Bereichen ein.<ref>Vgl. Herrmann, Wolfgang A./Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Die Technische Hochschule München im Nationalsozialismus, München 2018 sowie bei Hanel, Melanie: Normalität unter Ausnahmebedingungen. Die TH Darmstadt im Nationalsozialismus, Darmstadt 2014 (zugl. Univ. Diss. 2013, TU Darmstadt).</ref> In der KWG und ihren Instituten waren während des Zweiten Weltkriegs insgesamt um die 1.000 Zwangsarbeiter tätig, darunter „Zivilarbeiter“, Kriegsgefangene, an bestimmten Instituten bzw. in bestimmten Rüstungsprojekten auch KZ-Häftlinge. An den KWI waren Zwangsarbeiter vor allem in drei Bereichen eingesetzt: an Instituten, die landwirtschaftliche Güter betrieben, bei regulären und kriegsbedingten Bau- und Hilfsarbeiten sowie bei [[Verlagerung des Instituts nach Clausthal|kriegsbedingten Verlagerungen]]. Auch in anderen Bereichen gab es Zwangsarbeiter, etwa im wissenschaftlichen Betrieb. Der internationale Austausch mit ausländischen Wissenschaftlern war unterbrochen. Kriegsbedingt und wegen Vorbehalten gegen ausländische Spionage wurden im Wesentlichen keine freien ausländischen Wissenschaftler an den KWI beschäftigt. Solche personellen Lücken wurden während des Kriegs teilweise mit Wissenschaftlern aufgefüllt, die als zivile Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene nach Deutschland deportiert worden waren.<ref>Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 4-7.</ref>
Insgesamt war der Zwangsarbeitereinsatz an den KWI rein quantitativ gemessen gegenüber vielen deutschen Unternehmen und der Wirtschaft nachrangig.<ref>Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 7.</ref> Dies gilt auch für das KWIE. Zum Vergleich: Im [[Zwangsarbeit in Düsseldorf und in Clausthal|Gauarbeitsamtsbezirk Düsseldorf]] gab es im August 1943 114.924 ausländische „Zivilarbeiter“, ihr Anteil an der gesamten Arbeitnehmerzahl lag bei 15,1 Prozent.<ref>Leissa/Schröder: Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 98.</ref> Der Anteil von Ausländern (mit Kriegsgefangenen) an den Gesamtbeschäftigten im Deutschen Reich 1944 betrug 26,5 Prozent und in der Metallindustrie reichsweit durchschnittlich rund 30 Prozent (Stand 1944).<ref>Herbert: Fremdarbeiter, S. 314 Tab. 41, S. 429 f. (hier FN 1 und 2). Auch die KZ-Arbeiter sind in diese Zahl miteingeschlossen, werden allerdings in den zeitgenössischen Statistiken nicht dezidiert genannt.</ref>
Insgesamt war der Zwangsarbeitereinsatz an den KWI rein quantitativ gemessen gegenüber vielen deutschen Unternehmen und der Wirtschaft nachrangig.<ref>Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 7.</ref> Dies gilt auch für das KWIE. Zum Vergleich: Im [[Zwangsarbeit in Düsseldorf und in Clausthal|Gauarbeitsamtsbezirk Düsseldorf]] gab es im August 1943 114.924 ausländische „Zivilarbeiter“, ihr Anteil an der gesamten Arbeitnehmerzahl lag bei 15,1 Prozent.<ref>Leissa/Schröder: Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 98.</ref> Der Anteil von Ausländern (mit Kriegsgefangenen) an den Gesamtbeschäftigten im Deutschen Reich 1944 betrug 26,5 Prozent und in der Metallindustrie reichsweit durchschnittlich rund 30 Prozent (Stand 1944).<ref>Herbert: Fremdarbeiter, S. 314 Tab. 41, S. 429 f. (hier FN 1 und 2). Auch die KZ-Arbeiter sind in diese Zahl miteingeschlossen, werden allerdings in den zeitgenössischen Statistiken nicht dezidiert genannt.</ref>



Version vom 2. Juni 2020, 14:56 Uhr

Das KWIE war seit seiner Gründung 1917 eng in die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (KWG) eingebunden und stimmte viele Forschungsprojekte mit dieser ab. Die KWG war 1911 als außeruniversitäre Großforschungsanstalt gegründet worden und war nach dem „Harnack-Prinzip“ organisiert, demzufolge einzelne Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) um einen hervorragenden Wissenschaftler herum aufgebaut wurden. Viele dieser Institute hatten ihren Sitz in Dahlem im Südwesten Berlins, das zu einem „deutschen Harvard“ ausgebaut werden sollte. Daneben waren andere Institute über ganz Deutschland verteilt. Nachdem sich die KWG und ihre Institute bereits im Ersten Weltkrieg zunehmend und aktiv in den Dienst kriegsrelevanter und waffentechnischer Forschung gestellt hatten, spielten sie auch in der Rüstungs- und Autarkieforschung des NS-Regimes eine wichtige Rolle.[1]

Die KWG nach der NS-„Machtübernahme“

Im Unterschied zu den Universitäten erfolgte in der KWG unmittelbar nach der NS-„Machtübernahme“ kein Umbau der Leitungs- und Verwaltungsstrukturen nach dem Führerprinzip. Bis etwa 1937 blieb die Autonomie der Institutsdirektionen seitens der KWG-Hauptverwaltung zumindest nominell unangefochten. Dies betraf vorwiegend die wissenschaftliche Arbeit der Institute.[2] Die Implementierung des Führerprinzips innerhalb der Institute erübrigte sich insofern, als in der KWG und ihren Einzelinstituten über das sogenannte „Harnack-Prinzip“ ohnehin eine zentralistische, auf die Entscheidungsgewalt der jeweiligen Direktoren ausgerichtete Struktur existierte. Hinzu kam, dass sich die KWG und ihre verschiedenen Institute durchaus bereitwillig an die nationalsozialistischen Zielsetzungen anpassten.[3] Auf betrieblicher Ebene wurden die Direktoren durch die nationalsozialistische Neuordnung des Arbeitsrechts Mitte 1934 zu DAF-„Betriebsführern“ ernannt.[4]

In der Generalverwaltung und den Spitzengremien der KWG gab es über das Jahr 1933 hinaus insgesamt nicht nur eine institutionelle, sondern auch eine starke personelle Kontinuität. Beispiele hierfür sind Präsident Max Planck und Generaldirektor Friedrich Glum, die noch bis 1936 bzw. 1937 an der Spitze der KWG standen.[5] Die personelle Zusammensetzung von Spitzengremien der KWG erfuhr dennoch teils erhebliche Änderungen. Zu den Maßnahmen der von der KWG-Generalverwaltung orchestrierten „Selbstgleichschaltung“[6] und einer vorauseilenden Anpassung an das NS-Regime gehörte unter anderem die Neuaufstellung und personelle „Säuberung“ des KWG-Senats, eines Aufsichtsgremiums, in dem Industrie, Wissenschaft und Politik vertreten waren. Zahlreiche jüdische, sozialdemokratische und politisch anderweitig nicht NS-konforme Senatoren wurden auf der Jahresversammlung im Mai 1933 entlassen bzw. nicht wiedergewählt. Neu aufgenommen wurden Senatoren, die linientreu waren. Auch wurde auf Grundlage des nationalsozialistischen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Vertreibung zahlreicher jüdischer Wissenschaftler aus den Instituten der KWG in die Wege geleitet.[7] Im Vorfeld wurde von der KWG-Hauptverwaltung gegenüber dem zuständigen Innenministerium geäußert, dass sie bereitwillig alle Mitglieder entlassen werde, die „Nicht-Arier“ seien. Nur drei besonders prominente Mitglieder jüdischen „Hintergrunds“ – Franz von Mendelssohn, Paul Schottländer und Alfred Merton – wollte die KWG-Generalverwaltung im Senat halten. Hingegen wurden u.a. fördernde Mitglieder wie Max M. Warburg und Fritz Mannheimer aus dem Gremium gedrängt.[8] Geringere Veränderungen gab es im Verwaltungsausschuss der KWG. Sechs bereits langjährig dort vertretene Persönlichkeiten blieben dem Gremium auch nach 1933 erhalten und waren gewissermaßen Garanten der Kontinuität, darunter die Industriellen Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und Albert Vögler sowie zu seinem Tod 1935 Franz von Mendelsohn als einzige Person jüdischer „Herkunft“. 1933 und 1935 wurden insgesamt außerdem fünf neue Personen aufgenommen, u.a. der nationalsozialistische Industrielle Fritz Thyssen und der Mathematiker und frühere NSDAP-Gauleiter von Pommern Karl Theodor Vahlen. Mit der Wahl dieser Persönlichkeiten in den Verwaltungsausschuss wollte die KWG ihr Verhältnis zur NS-Staatsführung verbessern.[9]

„Selbstgleichschaltung“ und „Selbstmobilisierung“

Neben der „Selbstgleichschaltung“ kam es zu einer erheblichen „Selbstmobilisierung“ der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Angehörigen der KWG und ihrer Institute für die Ziele und Praktiken des NS-Regimes.[10] „Selbstmobilisierung“ meint die freiwillige Indienststellung für den NS-Staat und die NS-Rüstung, nicht eine durch „Gleichschaltung“ erzwungene Anpassung. Den Begriff „Selbstgleichschaltung“ verwendetet Friedrich Glum 1945 selbst für das Vorgehen der Generalverwaltung der KWG ab 1933.[11] Der Begriff „Selbstmobilisierung“ dagegen stammt aus der Forschungsliteratur.[12] Im Zuge einer massenhaften „Selbstmobilisierung“ unterstützten viele Akteure nach 1933 aktiv und in unterschiedlichen Aspekten den NS-Staat und versuchten gewissermaßen „dem Führer entgegen[zu]arbeiten“.[13] Sie zeigte sich unter anderem in der Begeisterung für die NS-Politik und Kriegsführung oder in Beitritten zu NS-Organisationen. In den technischen Wissenschaften gab es bei vielen Wissenschaftlern den Drang bzw. das Ziel ihre Forschung für die Rüstung dienstbar zu machen.[14] Nur wenige der Direktoren der verschiedenen Institute der KWG standen dem NS-Regime ablehnend gegenüber. Die ältere im Kaiserreich sozialisierte Generation war nationalkonservativ bzw. nationalistisch und gegen die Weimarer Republik eingestellt; die jüngere Wissenschaftlergeneration tendierte ins Völkische. Die „Machtübernahme“ und die Förderung der Wissenschaft durch das NS-Regime wurden begrüßt.[15] Der überwiegende Teil der KWG 1933 stellte sich daher offensiv in den Dienst der Autarkie- und Rüstungsforschung der Nationalsozialisten. Verschiedene Führungspersönlichkeiten der KWG ergriffen hierzu Initiativen.[16] Albert Vögler etwa schlug am 19. Oktober 1933 in einem Schreiben an Reichsinnenminister Wilhelm Frick vor, mehrere KWI enger in die Zusammenarbeit mit „der Wehrmacht“ einzubinden.[17] Hierfür kämen vor allem fünf Institute in Frage: das KWI für Chemie in Berlin-Dahlem, das KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin, das KWI für Strömungsforschung in Göttingen, das KWI für Arbeitsphysiologie in Dortmund bzw. Münster und auch das KWIE.[18] Vögler erachtete diese Institute als besonders geeignet, weil sie schon „mit den in Frage kommenden Stellen der Wehrmacht in zum Teil engster Zusammenarbeit“ stünden.[19]

Der Einsatz von Zwangsarbeitern

Ebenso wie das KWIE setzten viele deutsche Forschungseinrichtungen in den Jahren 1939 bis 1945 Zwangsarbeiter ein. Einige Universitäten und Hochschulen setzten Zwangsarbeiter in verschiedenen Bereichen ein.[20] In der KWG und ihren Instituten waren während des Zweiten Weltkriegs insgesamt um die 1.000 Zwangsarbeiter tätig, darunter „Zivilarbeiter“, Kriegsgefangene, an bestimmten Instituten bzw. in bestimmten Rüstungsprojekten auch KZ-Häftlinge. An den KWI waren Zwangsarbeiter vor allem in drei Bereichen eingesetzt: an Instituten, die landwirtschaftliche Güter betrieben, bei regulären und kriegsbedingten Bau- und Hilfsarbeiten sowie bei kriegsbedingten Verlagerungen. Auch in anderen Bereichen gab es Zwangsarbeiter, etwa im wissenschaftlichen Betrieb. Der internationale Austausch mit ausländischen Wissenschaftlern war unterbrochen. Kriegsbedingt und wegen Vorbehalten gegen ausländische Spionage wurden im Wesentlichen keine freien ausländischen Wissenschaftler an den KWI beschäftigt. Solche personellen Lücken wurden während des Kriegs teilweise mit Wissenschaftlern aufgefüllt, die als zivile Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene nach Deutschland deportiert worden waren.[21] Insgesamt war der Zwangsarbeitereinsatz an den KWI rein quantitativ gemessen gegenüber vielen deutschen Unternehmen und der Wirtschaft nachrangig.[22] Dies gilt auch für das KWIE. Zum Vergleich: Im Gauarbeitsamtsbezirk Düsseldorf gab es im August 1943 114.924 ausländische „Zivilarbeiter“, ihr Anteil an der gesamten Arbeitnehmerzahl lag bei 15,1 Prozent.[23] Der Anteil von Ausländern (mit Kriegsgefangenen) an den Gesamtbeschäftigten im Deutschen Reich 1944 betrug 26,5 Prozent und in der Metallindustrie reichsweit durchschnittlich rund 30 Prozent (Stand 1944).[24]

Unklare Zukunft 1945

Für das KWIE waren, ebenso wie für die anderen KWG-Institute und die KWG selbst, die ersten Monate nach Kriegsende im Wesentlichen von der Aufgabe bestimmt, die eigene Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen und die Lebensumstände der Mitarbeiter zu verbessern.[25] Bereits Anfang 1945 war ein Teil der KWG-Generalverwaltung nach Göttingen verlagert worden. Von dort aus versuchte Ernst Telschow, der nach dem Selbstmord Vöglers den geschäftsführenden Vorstand der KWG übernahm, die KWG-Institute in den westlichen Besatzungszonen organisatorisch und finanziell zu erhalten.[26]

Insgesamt war das Fortbestehen der KWG zu diesem Zeitpunkt jedoch alles andere als gesichert. Aufgrund der engen institutionellen Verstrickung mit dem NS-Regime zielten die Amerikaner zunächst darauf ab, die KWG als Institution des „Dritten Reichs“ aufzulösen und ausgewählte Einzelinstitute in die Universitäten zu integrieren. Hintergrund für solche Überlegungen war die vor allem von den Amerikanern vertretene Auffassung, dass die KWG während des Nationalsozialismus zu einer Institution des Deutschen Reichs geworden war. Die Drohung einer bevorstehenden Auflösung schwebte seit etwa Dezember 1945 über der KWG, als entsprechende Überlegungen des amerikanischen Militärgouverneurs, General Lucius D. Clay, öffentlich geworden waren. Die Franzosen beschränkten sich anfangs auf die – auch von den anderen Alliierten betriebene – „Sicherstellung“ neuartiger Produktionsverfahren, Waffensysteme und Experten.

Dennoch war das Verhältnis Telschows und der KWG insgesamt zu den zuständigen Vertretern bei der britischen Militärregierung offenbar sehr gut. Umgekehrt hatten auch die Alliierten, vor allem die Briten durchaus eine wertschätzende Sicht auf die Institute, was sich auch im Zusammenhang der alliierten Wissenschaftsmissionen zeigt. Die Briten standen auch der KWG insgesamt positiv gegenüber. Nur so ist es dann auch zu erklären, dass im März 1946 Otto Hahn zum neuen Präsidenten der KWG in der britischen Zone gewählt werden konnte. Hahn sollte sein Amt zum 1. April antreten. Max Planck wurde Ehrenpräsident. Damit deutete sich an, dass die Briten keine Auflösung der KWG betreiben wollten, dennoch war die Zukunft der KWG – insbesondere zonenübergreifend – weiterhin unsicher. In einer Unterredung eröffnete Colonel Blount von der Research Branch im Juli 1946 gegenüber Hahn und Telschow, dass der Interalliierte Kontrollrat in Berlin bereits ein halbes Jahr zuvor die Auflösung der KWG beschlossen habe. Es war im Sommer 1946 sogar ein entsprechendes Gesetz zur Auflösung der KWG in Arbeit, das jedoch nicht umgesetzt wurde. In der britischen Zone sollten, wie Blount eröffnete, die Institute weiter bestehen, aber ein Namenswechsel sei erforderlich.

Überführung in die MPG

Seitens der KWG wurden daraufhin von Göttingen aus Vorbereitungen zur Gründung einer Auffanggesellschaft getroffen, die für den Fall einer tatsächlichen Auflösung der KWG gedacht war. Am 11. September 1946 erfolgte die Errichtung der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. (MPG) in Bad Driburg – mit Geltungsbereich nur für die britische Zone. Sie wurde auf einer Gründungstagung von zahlreichen Wissenschaftlern ins Leben gerufen. Blount unterstützte diesen Schritt. Der Gesellschaft gehörten zunächst 13 bisherige KWI an. Darunter war auch das KWIE, das der Gesellschaft zunächst ohne Namensänderung beitrat. Ein gewisser Meinungswandel auf amerikanischer Seite deutete sich zwar noch im Laufe desselben Jahres an, vorerst aber ohne greifbare Ergebnisse.

Die zonenübergreifende MPG wurde am 26. Februar 1948 in Göttingen gegründet. Das KWIE gehörte zu den Gründerinstituten und führte ab Herbst 1948 den Namen „Max-Planck-Institut für Eisenforschung“.[27] Im Februar 1949 erhielt das MPIE eine neue Satzung. Neben der Namensänderung beinhaltete diese unter anderem die Regelung, dass das Institut nun zur Hälfte aus öffentlichen Mitteln finanziert werden sollte. Der Einfluss der MPG auf das MPIE wurde damit vergrößert.[28] Trotz einer größeren Rolle der KWG/MPG bei der Finanzierung blieb die Industrienähe des KWIE/MPIE– wie von Wever und dem VDEh nach Kriegsende angestrebt – weiterhin erhalten. Der Bezug zur Stahlindustrie hatte sich in der Ausrichtung der Forschungspraxis sogar noch verstärkt. Man sah sich nach 1945 – so die Einschätzung von Institutsseite – einer „völlig geänderten Sachlage der metallkundlichen Forschung“ gegenüber. Die großen Firmenlabore waren zerstört, vor diesem Hintergrund drängte die Stahlindustrie, das KWIE vermehrt für betriebsnahe Forschungsaufgaben einzusetzen.[29]

Mit der Überführung der KWG in die MPG ging eine Neuausrichtung der Forschung einher. Lag der Fokus in der NS-Zeit auf Rüstungs- und Autarkieforschung, rückte nun die Grundlagenforschung in den Mittelpunkt der Arbeit. Auch wenn sich viele Wissenschaftler im Rahmen von alliierten Untersuchungen – wie denen im Rahmen des British Intelligence Objectives Subcommittee (BIOS) oder der amerikanischen ALSOS-Mission – darauf beriefen, vor allem an solchen Forschungsprojekten gearbeitet zu haben, hatte die Grundlagenforschung keine besondere Tradition in der KWG. Vielmehr wurde die Grundlagenforschung erst in den Nachkriegsjahren betont, um sich von der für das „Dritte Reich“ durchgeführten anwendungsorientierten Militärforschung abzugrenzen und somit den Erhalt der KWG zu legitimieren. Diese Strategie wählte auch das höchst rüstungsrelevante KWI für Metallforschung unter der Leitung von Werner Köster seit Mitte 1945, um gegenüber den Alliierten die Chancen auf eine Erhaltung des Instituts zu erhöhen.[30]


Einzelnachweise

  1. Vgl. Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 52; Ash: Ressourcenaustausche, S. 312.
  2. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 657-660.
  3. . Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 649-655; Ash: Ressourcenaustausche, S. 318 f; Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 51 f., S. 54-62.
  4. Vgl. Seier: Rektor als Führer.
  5. Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 54.
  6. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 33-39.
  7. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 33-39.: Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 408-410, S. 520-524.
  8. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 38 f.
  9. Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 507 f.
  10. Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 2, S. 1211-1215.
  11. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 2, S. 1211-1215.
  12. Z.B. Ludwig: Technik und Ingenieure; Mehrtens: Kollaborationsverhältnisse; Dinckal/Mares: Selbstmobilisierung.
  13. Kershaw: Hitler, S. 663-655.
  14. Vgl. Ludwig: Technik und Ingenieure, S. 244.
  15. Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 58. „In Distanz zum NS-Regime“ seien die Direktoren nur dann geraten, „wenn sie sich höchstpersönlich benachteiligt fühlten.“
  16. Hachtmann, Rüdiger: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1933 bis 1945. Politik und Selbstverständnis einer Großforschungseinrichtung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 56/1 (2008), S. 26.
  17. BArch (Berlin), R 1501/5328, Bl. 217, Brief von Vögler an Frick, 19.10.1933. Schon vor 1935 gebrauchte man häufig den Begriff „Wehrmacht“ zusammenfassend für Reichswehr und Reichsmarine, ohne das dies offiziell der Name der Streitkräfte gewesen wäre.
  18. BArch (Berlin), R 1501/5328, Bl. 217, Brief von Vögler an Frick, 19.10.1933.
  19. BArch (Berlin), R 1501/5328, Bl. 217, Brief von Vögler an Frick, 19.10.1933. Er verwies dabei auf die Aufgaben, die die KWG während des Ersten Weltkriegs übernommen hatte, etwa im Rahmen der Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft.
  20. Vgl. Herrmann, Wolfgang A./Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Die Technische Hochschule München im Nationalsozialismus, München 2018 sowie bei Hanel, Melanie: Normalität unter Ausnahmebedingungen. Die TH Darmstadt im Nationalsozialismus, Darmstadt 2014 (zugl. Univ. Diss. 2013, TU Darmstadt).
  21. Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 4-7.
  22. Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 7.
  23. Leissa/Schröder: Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 98.
  24. Herbert: Fremdarbeiter, S. 314 Tab. 41, S. 429 f. (hier FN 1 und 2). Auch die KZ-Arbeiter sind in diese Zahl miteingeschlossen, werden allerdings in den zeitgenössischen Statistiken nicht dezidiert genannt.
  25. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 70.
  26. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 66.
  27. AMPG, Abt. II, Rep. 1 A, Nr. 18/7-4-9, 1. SP MPG v. 26.02.1948; Henning/Kazemi: Handbuch Bd. 1, S. 407. Siehe zur Umbenennung der Institute: AMPG, Abt. II, Rep. 1 A, IB-Akten, MPIE, Kuratorium Bd. 1 (1945-31.12.1959); ferner: Flachowsky: Wagenburg, S. 694.
  28. VDEh, Ac 207, Band II, Kuratoriumssitzung, 09.02.1949; Henning/Kazemi: Handbuch Bd. 1, S. 407.
  29. Vgl. MPIE: 10 Jahre Eisenforschung, S. 9.
  30. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 5-120, hier S. 61; Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 952.