Die Einbindung des KWIE in die NS-Rüstungs- und Autarkieforschung
Nach der nationalsozialistischen „Machtübernahme“ gab es im KWIE nicht nur personelle Kontinuitäten. Auch die bisherige Rüstungs- und Autarkieforschung wurde fortgeführt und weiter ausgebaut. Somit war das Jahr 1933 in wissenschaftlicher Hinsicht kein Paradigmenwechsel. Die Rüstungs- und Autarkieforschung wurde im Zuge der Ausrichtung Deutschlands auf eine „Wehrwirtschaft“ nicht nur von den staatlichen oder militärischen Stellen forciert. Tatsächlich stellte sich das KWIE – und die ganze KWG – nach der „NS-Machtübernahme“ 1933 offensiv in den Dienst der nationalsozialistischen Autarkie- und Rüstungsforschung.[1]
Die Initiative Albert Vöglers
Verschiedene Führungspersönlichkeiten der KWG ergriffen hierzu Initiativen.[2] Albert Vögler etwa schlug am 19. Oktober 1933 in einem Schreiben an Reichsinnenminister Wilhelm Frick vor, mehrere KWI enger in die Zusammenarbeit mit „der Wehrmacht“ einzubinden, wobei man den Begriff schon vor 1935 häufig zusammenfassend für Reichswehr und Reichsmarine gebrauchte.[3] Hierfür kämen vor allem fünf Institute in Frage: das KWI für Chemie in Berlin-Dahlem, das KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin, das KWI für Strömungsforschung in Göttingen, das KWI für Arbeitsphysiologie in Dortmund bzw. Münster und auch das KWIE.[4] Vögler erachtete diese Institute als besonders geeignet, weil sie schon „mit den infragekommenden Stellen der Wehrmacht in zum Teil engster Zusammenarbeit“ stünden. Er verwies dabei auf die Aufgaben, die die KWG während des Ersten Weltkriegs übernommen hatte, etwa im Rahmen der Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft.[5] Konkret stellte er sich einen wissenschaftlichen Stab vor, der aus Repräsentanten der KWI, der Reichswehr, der Reichsmarine und des Reichsluftfahrtministeriums, sowie anderen „für diese Frage geeigneten Persönlichkeiten“[6] zusammengesetzt werden und rüstungsrelevante Arbeiten an diese Institute delegieren sollte.[7] Vöglers Vorschlag wurde sowohl vom Reichsinnenministerium als auch vom Reichswehrministerium positiv aufgenommen. Am 8. November 1933 ergänzte er in einer Besprechung mit Staatssekretär Hans Pfundtner vom Innenministerium den Vorschlag, diesen Stab Hitler direkt zu unterstellen, „als zentrale wissenschaftsorganisatorische Koordinationsinstanz nach Art des Generalrats der Wirtschaft“. Dem stimmte Pfundtner zu, der beabsichtigte, dass der Stab sich auf die Erfassung und wissenschaftliche Bearbeitung heimischer Rohstoffe vor dem Hintergrund wirtschaftspolitischer und wehrtechnischer Fragen konzentrieren solle. Max Planck stützte Vöglers Vorschlag und äußerte gegenüber Frick und Reichswehrminister von Blomberg den Wunsch, die „im vaterländischen Interesse […] seit Jahren bestehenden wissenschaftlichen Beziehungen zu Heer, Marine und Sanitätswesen auszubauen und intensiver zu gestalten.“[8] Dieser „Generalstab der Wissenschaft“ wurde zwar nicht realisiert, doch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit war hoch, und die staatlichen und militärischen Stellen forcierten nach 1933 eine Koordinierung „überinstitutionell“ ausgerichteter rüstungsrelevanter „Gemeinschaftsforschung“, wie Sören Flachowsky ausführt, „um deren Innovationspotential im Rahmen interinstitutioneller Gemeinschaftsforschung zur Lösung rüstungsrelevanter Problemlagen einzusetzen.“[9]
Autarkie- und Rüstungsforschung am KWIE
Der Fokus der rüstungsbezogenen Forschungen, die das KWIE in der Folgezeit übernehmen sollte, lag auf der Rohstoffversorgung und der militärischen Aufrüstung Deutschlands.[10] Ein solcher wissenschaftlicher Forschungsverbund befasste sich mit der Lösung spezifischer rüstungsrelevanter Problemlagen durch führende Fachleute aus Industrie, Staat, Wirtschaft und Militär und konnte nach erfolgreicher Umsetzung der Forschungsaufgaben wieder aufgelöst werden. Mit der Integration in verschiedene überinstitutionelle Forschungsstrukturen stieg die Rüstungsrelevanz des Instituts massiv an. Die Einbindung in entsprechende Forschungsverbünde und Gremien erfolgte insbesondere über den Direktor des Instituts, Friedrich Körber, und andere wissenschaftliche Mitarbeiter. Sören Flachowsky hat in diesem Kontext herausgearbeitet, dass das KWIE „als Ort rüstungsrelevanter Wissensproduktion […] in den sich nun zahlreich herausbildenden Arbeitsgemeinschaften und Kommissionen eine nicht unerhebliche Rolle“ spielte.[11] Da das Institut strukturell und personell an die Forschungen vor 1933 anknüpfen und diese ausbauen konnte, gelang die Anpassung an die neuen Strukturen und der Übergang „von in Friedenszeiten durchgeführten Forschungsprojekten in Kriegsaufträge“ relativ „nahtlos“.[12] Das KWIE forschte in seinen verschiedenen Abteilungen bereits zur Rohstoffversorgung und zu Fragen der Wiederwehrhaftmachung, etwa schon seit 1926 für die Luftwaffe und an der Aufbereitung von Werkstoffen.
Einzelnachweise
→ zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis
- ↑ Vgl. Maier: Forschung als Waffe Bd. 1, S. 328.
- ↑ Hachtmann: Die KWG 1933 bis 1945, S. 26.
- ↑ BArch (Berlin), R 1501/5328, Bl. 217, Brief von Vögler an Frick, 19.10.1933.
- ↑ BArch (Berlin), R 1501/5328, Bl. 217, Brief von Vögler an Frick, 19.10.1933.
- ↑ BArch (Berlin), R 1501/5328, Bl. 217, Brief von Vögler an Frick, 19.10.1933.
- ↑ BArch (Berlin), R 1501/5328, Bl. 217, Brief von Vögler an Frick, 19.10.1933. Siehe auch: Flachowsky: Alle Arbeit, S. 153-155.
- ↑ Flachowsky: Alle Arbeit, S. 154 f.
- ↑ BArch (Berlin), R 1501/126782-3, Bl. 305, Brief von Planck an Reichswehrminister von Blomberg, 15.12.1933
- ↑ Flachowsky: Alle Arbeit, S. 170.
- ↑ Flachowsky: Alle Arbeit, S. 170-172.
- ↑ Flachowsky: Alle Arbeit, S. 170.
- ↑ Flachowsky: Alle Arbeit, S. 170.