BIOS-Untersuchungen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Geschichts-Wiki MPIE
Zur Navigation springen Zur Suche springen
unknown user (Diskussion)
Keine Bearbeitungszusammenfassung
unknown user (Diskussion)
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(16 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:BIOS 205.jpg|thumb|Der BIOS Report 205 „The KWI für Eisenforschung, Düsseldorf“ befasste sich ausschließlich mit dem KWIE und seinen Arbeiten.]]
[[Datei:BIOS 205.jpg|thumb|250 px|Der BIOS Report 205 „The KWI für Eisenforschung, Düsseldorf“ befasste sich ausschließlich mit dem KWIE.]]
[[Datei:BIOS 676.jpg|thumb|Der BIOS Report 676 „German Metallurgical Laboratories for Ferrous Metals with special Reference to the K.W.-Institute for Iron Research“ thematisierte die Eisenforschung in ganz Deutschland. Aufgrund seiner herausragenden Rolle stand das KWIE im Mittelpunkt des Berichts und wurde sogar im Titel erwähnt.]]
[[Datei:BIOS 676.jpg|thumb|250 px|Der BIOS Report 676 „German Metallurgical Laboratories for Ferrous Metals with special Reference to the K.W.-Institute for Iron Research“ thematisierte die metallurgische Forschung in ganz Deutschland. Aufgrund seiner herausragenden Rolle in dem Feld, stand das KWIE im Zentrum des Berichts.]]
[[Datei:BIOS 1177.jpg|thumb|Der BIOS Report 1177 „Research on the Mechanical Working of Metals. Interrogation of Dr. Ing. Werner Lueg of the Kaiser-Wilhelm-Institut, Düsseldorf“ befasst sich mit den Forschungsergenissen von [[Werner Lueg|Werner Lueg]]. Da Lueg 1946 in England interniert war, konnte er nicht zur gleichen Zeit wie die anderen Wissenschaftler befragt werden.]]
[[Datei:BIOS 1177.jpg|thumb|250 px|Der BIOS Report 1177 „Research on the Mechanical Working of Metals. Interrogation of Dr. Ing. Werner Lueg of the Kaiser-Wilhelm-Institut, Düsseldorf“ befasst sich mit den Forschungsergenissen von [[Werner Lueg|Werner Lueg]]. Da Lueg 1946 in England interniert war, konnte er nicht werden.]]


Die [[Alliierte Wissenschaftsmissionen|alliierten Wissenschaftsmissionen]], die [[Kriegsende und Eingriffe der Alliierten am Institut|Anfang 1945]] deutsche Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen begutachteten, wurden in der öffentlichen Wahrnehmung oft mit der [[Die ALSOS-Mission|ALSOS-Mission]] gleichgesetzt. Doch gab es eine Vielzahl an Missionen, die von unterschiedlichen britischen und amerikanischen Regierungsstellen in Auftrag gegeben wurden. Zu den Institutionen, die mit diesen Wissenschaftsmissionen verbunden waren, zählten unter anderem das British Intelligence Objectives Subcommittee (BIOS), das Combined Intelligence Objectives Subcommittee (CIOS) und die amerikanischen [[FIAT – Field Intelligence Agency, Technical|Field Intelligence Agency, Technical (FIAT)]], deren Berichte der Öffentlichkeit heute zum Großteil zugänglich sind.<ref>LC, Finding Aids, Technical Reports and Standards, online, https://www.loc.gov/rr/scitech/trs/trsgencoll.html (abgerufen am 01. Juli 2019).</ref> Die BIOS-Untersuchungen sind insofern besonders, da das KWIE gleich in mehreren Untersuchungsberichten eine zentrale Rolle einnimmt.
Die [[Alliierte Wissenschaftsmissionen|alliierten Wissenschaftsmissionen]], die [[Das Kriegsende und die Alliierten am KWIE|Anfang 1945]] deutsche Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen begutachteten, wurden in der öffentlichen Wahrnehmung oft mit der [[Die ALSOS-Mission|ALSOS-Mission]] gleichgesetzt. Doch gab es eine Vielzahl an Missionen, die von unterschiedlichen britischen und amerikanischen Regierungsstellen in Auftrag gegeben wurden. Zu den Institutionen, die mit diesen Wissenschaftsmissionen verbunden waren, zählten unter anderem das British Intelligence Objectives Subcommittee (BIOS), das Combined Intelligence Objectives Subcommittee (CIOS) und die amerikanischen [https://de.wikipedia.org/wiki/Field_Information_Agency,_Technical Field Intelligence Agency, Technical (FIAT)], deren Berichte der Öffentlichkeit heute zum Großteil zugänglich sind.<ref>LC, Finding Aids, Technical Reports and Standards, https://www.loc.gov/rr/scitech/trs/trsgencoll.html (01.07.2019).</ref> Die BIOS-Untersuchungen sind insofern besonders, da das KWIE gleich in mehreren Untersuchungsberichten eine zentrale Rolle einnimmt.


==Ziele und Vorgehen==
==Ziele und Vorgehen==
Die vom BIOS initiierten Untersuchungen waren oft auf ein spezifisches Thema oder eine spezifische Einrichtung beschränkt. So erhielten alle untersuchten Themen und Einrichtungen dafür eine „Target No.“.<ref>Vgl. British Intelligence Objectives Sub-Comittee: The KWI für Eisenforschung, Düsseldorf. B.I.O.S. Final Report No. 205. London, H. M. Stationary Office, 1945. Titelseite.</ref> Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden jeweils in einem eigenen Bericht an das BIOS weitergeleitet. Daher wurden insgesamt fast 2.000 sogenannte „BIOS Reports“ verfasst, die teilweise nur wenige Seiten umfassen. Darüber hinaus verfassten die beauftragten Wissenschaftler auch umfangreiche Berichte zu ganzen Industriezweigen.<ref>LC, Finding Aids, Technical Reports and Standards, online, https://www.loc.gov/rr/scitech/trs/trsgencoll.html (abgerufen am 01. Juli 2019).</ref> So befasste sich der BIOS Report 676 mit der Metallverarbeitenden Industrie in Deutschland: „The object of the visit was to study the work, equipment and methods of a group of metallurgical laboratories, on order to discover anything of military or industrial vale, and to obtain any information which should influence the direction of future metallurgical research in this country.“<ref>British Intelligence Objectives Sub-Comittee: German Metallurgical Laboratories for Ferrour Metals with special Reference to the K.W.-Institute for Iron Research. B.I.O.S. Final Report No. 676. London, H. M. Stationary Office, 1946. S. 2.</ref>
 
Diese Beschreibung des Untersuchungsauftrags macht deutlich, dass es dem BIOS keinesfalls nur um [[Autarkie- und Rüstungsforschung|Rüstungsforschung]] ging. Stattdessen war alles wichtig, was sowohl für das britische Militär als auch die Industrie nützlich sein könnte – im Falle des [[Das KWIE in der Weimarer Republik|KWIE]] also besonders für die britische Eisen- und Stahlindustrie. Daher waren die [[Entnazifizierungsverfahren am KWIE|politische Verstrickung]] und [[Mitgliedschaften in NSDAP und Unterorganisationen|NSDAP-Parteimitgliedschaften]] von deutschen Wissenschaftlern nicht Gegenstand der Berichte. Dies wird auch an den Berichten, die das KWIE betreffen deutlich: Diese haben gemeinsam, dass ihr Fokus auf den Untersuchungsergebnissen des KWIE liegt. Parteimitgliedschaften und die Frage, inwiefern die Forschungen des KWIE zu Rüstung und Kriegseinsatz beigetragen hatten, spielten keine Rolle. Stattdessen wurden nur die technischen Details der Forschungsergebnisse berichtet.  
Die vom BIOS initiierten Untersuchungen waren oft auf ein spezifisches Thema oder eine spezifische Einrichtung beschränkt. So erhielten alle untersuchten Themen und Einrichtungen dafür eine „Target No.“.<ref>Vgl. BIOS Report 205.</ref> Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden jeweils in einem eigenen Bericht an das BIOS weitergeleitet. Daher wurden insgesamt fast 2.000 sogenannte „BIOS Reports“ verfasst, die teilweise nur wenige Seiten umfassen. Darüber hinaus verfassten die beauftragten Wissenschaftler auch umfangreiche Berichte zu ganzen Industriezweigen.<ref>LC, Finding Aids, Technical Reports and Standards, https://www.loc.gov/rr/scitech/trs/trsgencoll.html (01.07.2019).</ref> So befasste sich der BIOS Report 676 mit der Metallverarbeitenden Industrie in Deutschland: „The object of the visit was to study the work, equipment and methods of a group of metallurgical laboratories, on order to discover anything of military or industrial vale, and to obtain any information which should influence the direction of future metallurgical research in this country.“<ref>BIOS Report 676, S. 2.</ref>
 
Diese Beschreibung des Untersuchungsauftrags macht deutlich, dass es dem BIOS keinesfalls nur um [[Übersicht: Autarkie- und Rüstungsforschung|Rüstungsforschung]] ging. Stattdessen war alles wichtig, was sowohl für das britische Militär als auch die Industrie nützlich sein könnte – im Falle des KWIE also besonders für die britische Eisen- und Stahlindustrie. Daher waren die [[Entnazifizierungsverfahren am KWIE|politische Verstrickung]] und [[In Zahlen: Mitgliedschaften in NSDAP und Unterorganisationen|NSDAP-Parteimitgliedschaften]] von deutschen Wissenschaftlern nicht Gegenstand der Berichte. Dies wird auch an den Berichten, die das KWIE betreffen deutlich: Diese haben gemeinsam, dass ihr Fokus auf den Untersuchungsergebnissen des KWIE liegt. Parteimitgliedschaften und die Frage, inwiefern die Forschungen des KWIE zu Rüstung und Kriegseinsatz beigetragen hatten, spielten keine Rolle. Stattdessen wurden nur die technischen Details der Forschungsergebnisse berichtet.  


==Die „BIOS Reports“ ==
==Die „BIOS Reports“ ==
Insgesamt befassen sich drei Berichte, die aus den BIOS-Untersuchungen hervorgingen mit dem KWIE. Der „BIOS Report 205: The KWI für Eisenforschung, Düsseldorf“ wurde von G. J. Thiessen vom kanadischen National Research Council für das BIOS-Committee verfasst und umfasste lediglich acht Seiten.<ref>BIOS Report 205.</ref> Das zentrale Thema waren Messverfahren mittels Röntgenstrahlung: „The Use of X-rays in Stress Measurement“.<ref>BIOS Report 205.</ref>  
Insgesamt befassen sich drei Berichte, die aus den BIOS-Untersuchungen hervorgingen mit dem KWIE. Der „BIOS Report 205: The KWI für Eisenforschung, Düsseldorf“ wurde von G. J. Thiessen vom kanadischen National Research Council für das BIOS-Committee verfasst und umfasste lediglich acht Seiten.<ref>BIOS Report 205.</ref> Das zentrale Thema waren Messverfahren mittels Röntgenstrahlung: „The Use of X-rays in Stress Measurement“.<ref>BIOS Report 205.</ref>  
Das Untersuchungsgebiet des zweiten Berichts („BIOS Report 676: German Metallurgical Laboratories for Ferrous Metals with special Reference to the K.W.-Institute for Iron Research“) war wesentlich breiter angelegt und behandelte die metallverarbeitende Industrie und vor allem die Eisenforschung in Deutschland auf rund 100 Seiten.<ref>Der Bericht wurde von fünf Autoren aus dem britischen Ministry of Supply zusammengetragen. BIOS Report 676. German Metallurgical Laboratories for ferrous metals with special reference to the K.W. Institute for Iron Research, London 1945.</ref> Das KWIE war das Hauptziel der Untersuchung und wurde auf rund 60 Seiten behandelt. Die Darstellung des Instituts umfasste eine Beschreibung der Einrichtung, eine Übersicht der Abteilungen und Informationen zur Finanzierung. Besonderes Interesse hatten die britischen Autoren an den Mitteilungen aus dem KWIE, von denen einige in London nicht verfügbar waren. Der Großteil des Berichts befasste sich daher mit den technischen Details der Untersuchungen, die in den Mitteilungen veröffentlicht wurden.<ref>BIOS Report 676.</ref>
 
Auch der „BIOS Report 1177: Research on the Mechanical Working of Metals. Interrogation of Dr. Ing. [[Werner Lueg|Werner Lueg]] of the Kaiser-Wilhelm-Institut, Düsseldorf“ ist sehr technisch. Er konzentriert sich wie der Titel schon besagt auf die Forschungsergebnisse Luegs.<ref>BIOS Report 1177. Research on the Mechanical Working of Metals. Interrogation of Dr. Ing. Werner Lueg of the Kaiser-Wilhelm-Institut, Düsseldorf, London, H. M. Stationary Office, 1946. </ref> Der Bericht wurde von Dr. H. Ford von der British Iron & Steel Research Association angefertigt.<ref>BIOS Report 1177.</ref> Lueg war in seiner Funktion als stellvertretender Abteilungsleiter der [[Die Mechanisch-Technologische Abteilung|Mechanisch-Technologischen Abteilung]] des KWIE in Düsseldorf geblieben, als der [[Bombenschäden und Verlagerung nach Clausthal|Großteil des Instituts]] nach [[Bergakademie Clausthal|Clausthal]] verlegt worden war. Daher konnte er nicht gemeinsam mit den anderen Mitarbeiten befragt werden.<ref>BIOS Report 1177.</ref> Von Juli bis September 1946 hielt sich Lueg auf Anweisung der Alliierten dann in England auf. Er wurde damals im Rahmen der BIOS-Mission dorthin verbracht und weiteren Befragungen unterzogen.<ref>LAV NRW, NW 1002-C-61779, Entnazifizierungsakte Werner Lueg, Fragebogen des Military Government, 14.04.1948.</ref> Das Verhältnis zu den Befragern war offenbar kooperativ und kollegial. Nach seiner Rückkehr nach Düsseldorf hielt Lueg weiterhin engen Kontakt zu verschiedenen Wissenschaftlern aus dem BIOS-Team.<ref>MPIE, 9-0-02-1, verschiedene Schriftwechsel 1946.</ref>
Das Untersuchungsgebiet des zweiten Berichts („BIOS Report 676: German Metallurgical Laboratories for Ferrous Metals with special Reference to the K.W.-Institute for Iron Research“) war wesentlich breiter angelegt und behandelte die metallverarbeitende Industrie und vor allem die Eisenforschung in Deutschland auf rund 100 Seiten. Der Bericht wurde von fünf Autoren aus dem britischen Ministry of Supply zusammengetragen.<ref>BIOS Report 676.</ref> Das KWIE war das Hauptziel der Untersuchung und wurde auf rund 60 Seiten behandelt. Die Darstellung des Instituts umfasste eine Beschreibung der Einrichtung, eine Übersicht der Abteilungen und Informationen zur Finanzierung. Besonderes Interesse hatten die britischen Autoren an den Mitteilungen aus dem KWIE, von denen einige in London nicht verfügbar waren. Der Großteil des Berichts befasste sich daher mit den technischen Details der Untersuchungen, die in den Mitteilungen veröffentlicht wurden.<ref>BIOS Report 676.</ref>
Auch der „BIOS Report 1177: Research on the Mechanical Working of Metals. Interrogation of Dr. Ing. [[Werner Lueg|Werner Lueg]] of the Kaiser-Wilhelm-Institut, Düsseldorf“ ist sehr technisch. Er konzentriert sich wie der Titel schon besagt auf die Forschungsergebnisse Luegs.<ref>BIOS Report 1177.</ref> Der Bericht wurde von Dr. H. Ford von der British Iron & Steel Research Association angefertigt.<ref>BIOS Report 1177.</ref> Lueg war in seiner Funktion als stellvertretender Abteilungsleiter der [[Die Mechanisch-Technologische Abteilung|Mechanisch-Technologischen Abteilung]] des KWIE in Düsseldorf geblieben, als der Großteil des Instituts [[Verlagerung des Instituts nach Clausthal|nach Clausthal verlegt worden war]]. Daher konnte er nicht gemeinsam mit den anderen Mitarbeiten befragt werden.<ref>BIOS Report 1177.</ref> Von Juli bis September 1946 hielt sich Lueg auf Anweisung der Alliierten dann in England auf. Er wurde damals im Rahmen der BIOS-Mission dorthin verbracht und weiteren Befragungen unterzogen.<ref>LAV NRW, NW 1002-C-61779, Entnazifizierungsakte Werner Lueg, Fragebogen des Military Government, 14.04.1948.</ref> Das Verhältnis zu den Befragern war offenbar kooperativ und kollegial. Nach seiner Rückkehr nach Düsseldorf hielt Lueg weiterhin engen Kontakt zu verschiedenen Wissenschaftlern aus dem BIOS-Team.<ref>MPIE, 9-0-02-1, verschiedene Schriftwechsel 1946.</ref>


==Untersuchungen am KWIE==
==Untersuchungen am KWIE==
Die Untersuchungen am KWIE, die zu den BIOS-Berichten führten, fanden im Anschluss an die ALSOS-Mission statt, die bereits im April 1945 begonnen hatten. Im Juni 1945 wurden die amerikanischen Truppen in Clausthal von den Briten abgelöst. Aufgrund des britischen Interesses an der vom KWIE betriebenen Materialforschung, befragten auch britische Wissenschaftler KWIE-Mitarbeiter über deren Forschungen. Insgesamt wurden rund 20 wissenschaftliche Mitarbeiter befragt, die meisten im September und Oktober 1945 in Clausthal.<ref>BIOS Report 676.</ref> Unter den Befragten waren die Abteilungs- oder Laborleiter [[Walter Luyken|Walter Luyken]], Heinz Kaiser, [[Peter Bardenheuer|Peter Bardenheuer]], Maria Waterkamp, Helmut Maetz, [[Anton Pomp|Anton Pomp]], [[Max Hempel|Max Hempel]] und [[Alfred Krisch|Alfred Krisch]].<ref>BIOS Report 676.</ref> Die Institutsmitarbeiter verfassten für die Briten 84 Berichte über laufende, aber noch nicht veröffentlichte Arbeiten.<ref>BIOS Report 676. Dort werden die Interviewten und Berichte detailliert aufgelistet. Gemäß [[Franz Wever|Wevers]] Angabe hatten die Institutsmitarbeiter bereits bis Juli 1945 „insgesamt 77 mehr oder weniger umfangreiche Berichte“ über die wissenschaftliche Tätigkeit des KWIE während des Krieges verfassen müssen. VDEh, Ac 207, Band II, Bericht über den Wiederaufbau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung seit Kriegsende, 28.01.1949. </ref> Darüber hinaus wurde Franz Wever am 6. November befragt, nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt war.<ref>BIOS Report 205. </ref>  
 
Die Untersuchungen am KWIE, die zu den BIOS-Berichten führten, fanden im Anschluss an die ALSOS-Mission statt, die bereits im April 1945 begonnen hatte. Im Juni 1945 wurden die amerikanischen Truppen in Clausthal von den Briten abgelöst. Aufgrund des britischen Interesses an der vom KWIE betriebenen Materialforschung, befragten auch britische Wissenschaftler KWIE-Mitarbeiter über deren Forschungen. Insgesamt wurden rund 20 wissenschaftliche Mitarbeiter befragt, die meisten im September und Oktober 1945 in Clausthal.<ref>BIOS Report 676.</ref> Unter den Befragten waren die Abteilungs- oder Laborleiter [[Walter Luyken|Walter Luyken]], Heinz Kaiser, [[Peter Bardenheuer|Peter Bardenheuer]], Maria Waterkamp, Helmut Maetz, [[Anton Pomp|Anton Pomp]], [[Max Hempel|Max Hempel]] und [[Alfred Krisch|Alfred Krisch]].<ref>BIOS Report 676.</ref> Die Institutsmitarbeiter verfassten für die Briten 84 Berichte über laufende, aber noch nicht veröffentlichte Arbeiten. Diese werden im BIOS Report 676 detailliert aufgelistet. <ref>BIOS Report 676.</ref> Gemäß [[Franz Wever|Frenz Wevers]] Angabe hatten die Institutsmitarbeiter bereits bis Juli 1945 „insgesamt 77 mehr oder weniger umfangreiche Berichte“ über die wissenschaftliche Tätigkeit des KWIE während des Krieges verfassen müssen.<ref>VDEh, Ac 207, Band II, Bericht über den Wiederaufbau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung seit Kriegsende, 28.01.1949. </ref> Darüber hinaus wurde Franz Wever am 6. November befragt, nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt war.<ref>BIOS Report 205. </ref>  
 
Zwar werden in den BIOS-Berichten die Begriffe „interrogated“ und „interrogation“ benutzt, doch lassen sich diese Situationen – soweit sie sich rekonstruieren lassen – eher als Befragungen denn als Verhöre beschreiben.<ref>Z.B. BIOS Report 205.</ref> So wurden aufgrund der Befragungen keine Verfahren eröffnet. Auch in den [[Entnazifizierungsverfahren am KWIE|Entnazifizierungsverfahren]] wurden die Inhalte der BIOS-Berichte nicht berücksichtigt. Ebenso waren die Befragungen der KWIE Mitarbeiter keine Versuche der „Abwerbung“ deutscher Wissenschaftler nach Großbritannien, wie sie beispielsweise am KWI für Metallforschung vorkamen.<ref>Maier: Wehrhaftmachung, S. 23-26.</ref>
Zwar werden in den BIOS-Berichten die Begriffe „interrogated“ und „interrogation“ benutzt, doch lassen sich diese Situationen – soweit sie sich rekonstruieren lassen – eher als Befragungen denn als Verhöre beschreiben.<ref>Z.B. BIOS Report 205.</ref> So wurden aufgrund der Befragungen keine Verfahren eröffnet. Auch in den [[Entnazifizierungsverfahren am KWIE|Entnazifizierungsverfahren]] wurden die Inhalte der BIOS-Berichte nicht berücksichtigt. Ebenso waren die Befragungen der KWIE Mitarbeiter keine Versuche der „Abwerbung“ deutscher Wissenschaftler nach Großbritannien, wie sie beispielsweise am KWI für Metallforschung vorkamen.<ref>Maier: Wehrhaftmachung, S. 23-26.</ref>


==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==
''→ [[Quellen- und Literaturverzeichnis|zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis]]''


[[Kategorie:Institutionen]]
[[Kategorie:Detailgeschichten]] [[Kategorie:Institutionen]] [[Kategorie:Nachkriegszeit]]

Aktuelle Version vom 20. Januar 2021, 15:19 Uhr

Der BIOS Report 205 „The KWI für Eisenforschung, Düsseldorf“ befasste sich ausschließlich mit dem KWIE.
Der BIOS Report 676 „German Metallurgical Laboratories for Ferrous Metals with special Reference to the K.W.-Institute for Iron Research“ thematisierte die metallurgische Forschung in ganz Deutschland. Aufgrund seiner herausragenden Rolle in dem Feld, stand das KWIE im Zentrum des Berichts.
Der BIOS Report 1177 „Research on the Mechanical Working of Metals. Interrogation of Dr. Ing. Werner Lueg of the Kaiser-Wilhelm-Institut, Düsseldorf“ befasst sich mit den Forschungsergenissen von Werner Lueg. Da Lueg 1946 in England interniert war, konnte er nicht werden.

Die alliierten Wissenschaftsmissionen, die Anfang 1945 deutsche Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen begutachteten, wurden in der öffentlichen Wahrnehmung oft mit der ALSOS-Mission gleichgesetzt. Doch gab es eine Vielzahl an Missionen, die von unterschiedlichen britischen und amerikanischen Regierungsstellen in Auftrag gegeben wurden. Zu den Institutionen, die mit diesen Wissenschaftsmissionen verbunden waren, zählten unter anderem das British Intelligence Objectives Subcommittee (BIOS), das Combined Intelligence Objectives Subcommittee (CIOS) und die amerikanischen Field Intelligence Agency, Technical (FIAT), deren Berichte der Öffentlichkeit heute zum Großteil zugänglich sind.[1] Die BIOS-Untersuchungen sind insofern besonders, da das KWIE gleich in mehreren Untersuchungsberichten eine zentrale Rolle einnimmt.

Ziele und Vorgehen

Die vom BIOS initiierten Untersuchungen waren oft auf ein spezifisches Thema oder eine spezifische Einrichtung beschränkt. So erhielten alle untersuchten Themen und Einrichtungen dafür eine „Target No.“.[2] Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden jeweils in einem eigenen Bericht an das BIOS weitergeleitet. Daher wurden insgesamt fast 2.000 sogenannte „BIOS Reports“ verfasst, die teilweise nur wenige Seiten umfassen. Darüber hinaus verfassten die beauftragten Wissenschaftler auch umfangreiche Berichte zu ganzen Industriezweigen.[3] So befasste sich der BIOS Report 676 mit der Metallverarbeitenden Industrie in Deutschland: „The object of the visit was to study the work, equipment and methods of a group of metallurgical laboratories, on order to discover anything of military or industrial vale, and to obtain any information which should influence the direction of future metallurgical research in this country.“[4]

Diese Beschreibung des Untersuchungsauftrags macht deutlich, dass es dem BIOS keinesfalls nur um Rüstungsforschung ging. Stattdessen war alles wichtig, was sowohl für das britische Militär als auch die Industrie nützlich sein könnte – im Falle des KWIE also besonders für die britische Eisen- und Stahlindustrie. Daher waren die politische Verstrickung und NSDAP-Parteimitgliedschaften von deutschen Wissenschaftlern nicht Gegenstand der Berichte. Dies wird auch an den Berichten, die das KWIE betreffen deutlich: Diese haben gemeinsam, dass ihr Fokus auf den Untersuchungsergebnissen des KWIE liegt. Parteimitgliedschaften und die Frage, inwiefern die Forschungen des KWIE zu Rüstung und Kriegseinsatz beigetragen hatten, spielten keine Rolle. Stattdessen wurden nur die technischen Details der Forschungsergebnisse berichtet.

Die „BIOS Reports“

Insgesamt befassen sich drei Berichte, die aus den BIOS-Untersuchungen hervorgingen mit dem KWIE. Der „BIOS Report 205: The KWI für Eisenforschung, Düsseldorf“ wurde von G. J. Thiessen vom kanadischen National Research Council für das BIOS-Committee verfasst und umfasste lediglich acht Seiten.[5] Das zentrale Thema waren Messverfahren mittels Röntgenstrahlung: „The Use of X-rays in Stress Measurement“.[6]

Das Untersuchungsgebiet des zweiten Berichts („BIOS Report 676: German Metallurgical Laboratories for Ferrous Metals with special Reference to the K.W.-Institute for Iron Research“) war wesentlich breiter angelegt und behandelte die metallverarbeitende Industrie und vor allem die Eisenforschung in Deutschland auf rund 100 Seiten. Der Bericht wurde von fünf Autoren aus dem britischen Ministry of Supply zusammengetragen.[7] Das KWIE war das Hauptziel der Untersuchung und wurde auf rund 60 Seiten behandelt. Die Darstellung des Instituts umfasste eine Beschreibung der Einrichtung, eine Übersicht der Abteilungen und Informationen zur Finanzierung. Besonderes Interesse hatten die britischen Autoren an den Mitteilungen aus dem KWIE, von denen einige in London nicht verfügbar waren. Der Großteil des Berichts befasste sich daher mit den technischen Details der Untersuchungen, die in den Mitteilungen veröffentlicht wurden.[8] Auch der „BIOS Report 1177: Research on the Mechanical Working of Metals. Interrogation of Dr. Ing. Werner Lueg of the Kaiser-Wilhelm-Institut, Düsseldorf“ ist sehr technisch. Er konzentriert sich wie der Titel schon besagt auf die Forschungsergebnisse Luegs.[9] Der Bericht wurde von Dr. H. Ford von der British Iron & Steel Research Association angefertigt.[10] Lueg war in seiner Funktion als stellvertretender Abteilungsleiter der Mechanisch-Technologischen Abteilung des KWIE in Düsseldorf geblieben, als der Großteil des Instituts nach Clausthal verlegt worden war. Daher konnte er nicht gemeinsam mit den anderen Mitarbeiten befragt werden.[11] Von Juli bis September 1946 hielt sich Lueg auf Anweisung der Alliierten dann in England auf. Er wurde damals im Rahmen der BIOS-Mission dorthin verbracht und weiteren Befragungen unterzogen.[12] Das Verhältnis zu den Befragern war offenbar kooperativ und kollegial. Nach seiner Rückkehr nach Düsseldorf hielt Lueg weiterhin engen Kontakt zu verschiedenen Wissenschaftlern aus dem BIOS-Team.[13]

Untersuchungen am KWIE

Die Untersuchungen am KWIE, die zu den BIOS-Berichten führten, fanden im Anschluss an die ALSOS-Mission statt, die bereits im April 1945 begonnen hatte. Im Juni 1945 wurden die amerikanischen Truppen in Clausthal von den Briten abgelöst. Aufgrund des britischen Interesses an der vom KWIE betriebenen Materialforschung, befragten auch britische Wissenschaftler KWIE-Mitarbeiter über deren Forschungen. Insgesamt wurden rund 20 wissenschaftliche Mitarbeiter befragt, die meisten im September und Oktober 1945 in Clausthal.[14] Unter den Befragten waren die Abteilungs- oder Laborleiter Walter Luyken, Heinz Kaiser, Peter Bardenheuer, Maria Waterkamp, Helmut Maetz, Anton Pomp, Max Hempel und Alfred Krisch.[15] Die Institutsmitarbeiter verfassten für die Briten 84 Berichte über laufende, aber noch nicht veröffentlichte Arbeiten. Diese werden im BIOS Report 676 detailliert aufgelistet. [16] Gemäß Frenz Wevers Angabe hatten die Institutsmitarbeiter bereits bis Juli 1945 „insgesamt 77 mehr oder weniger umfangreiche Berichte“ über die wissenschaftliche Tätigkeit des KWIE während des Krieges verfassen müssen.[17] Darüber hinaus wurde Franz Wever am 6. November befragt, nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt war.[18]

Zwar werden in den BIOS-Berichten die Begriffe „interrogated“ und „interrogation“ benutzt, doch lassen sich diese Situationen – soweit sie sich rekonstruieren lassen – eher als Befragungen denn als Verhöre beschreiben.[19] So wurden aufgrund der Befragungen keine Verfahren eröffnet. Auch in den Entnazifizierungsverfahren wurden die Inhalte der BIOS-Berichte nicht berücksichtigt. Ebenso waren die Befragungen der KWIE Mitarbeiter keine Versuche der „Abwerbung“ deutscher Wissenschaftler nach Großbritannien, wie sie beispielsweise am KWI für Metallforschung vorkamen.[20]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. LC, Finding Aids, Technical Reports and Standards, https://www.loc.gov/rr/scitech/trs/trsgencoll.html (01.07.2019).
  2. Vgl. BIOS Report 205.
  3. LC, Finding Aids, Technical Reports and Standards, https://www.loc.gov/rr/scitech/trs/trsgencoll.html (01.07.2019).
  4. BIOS Report 676, S. 2.
  5. BIOS Report 205.
  6. BIOS Report 205.
  7. BIOS Report 676.
  8. BIOS Report 676.
  9. BIOS Report 1177.
  10. BIOS Report 1177.
  11. BIOS Report 1177.
  12. LAV NRW, NW 1002-C-61779, Entnazifizierungsakte Werner Lueg, Fragebogen des Military Government, 14.04.1948.
  13. MPIE, 9-0-02-1, verschiedene Schriftwechsel 1946.
  14. BIOS Report 676.
  15. BIOS Report 676.
  16. BIOS Report 676.
  17. VDEh, Ac 207, Band II, Bericht über den Wiederaufbau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung seit Kriegsende, 28.01.1949.
  18. BIOS Report 205.
  19. Z.B. BIOS Report 205.
  20. Maier: Wehrhaftmachung, S. 23-26.