Jan Czochralski

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Herkunft und Studium

Jan Czochralski wurde am 23. Oktober 1885 in Exin (polnisch Kcynia) in der damals zu Preußen gehörenden Provinz Posen geboren. 1904 zog er nach Berlin und arbeitete dort in einer Apotheke, danach in einer chemischen Fabrik in Berlin-Niederschöneweide. Er studierte parallel dazu Chemie an der Technischen Hochschule in Charlottenburg und wurde 1908 Assistent von Wichard von Moellendorff im Metall-Laboratorium der AEG-Kabelwerke Oberspree. Dort war Czochralski mit Untersuchungen zur Zusammensetzung von technisch wichtigen Metallen wie Kupfer, Bronze, Messing, Aluminium, Zink und Zinn beschäftigt, vor allem führte er kristallografisch-technologische Grundlagenarbeiten durch.

Laborleiter in Berlin und Frankfurt am Main

Da sein Vorgesetzter von Moellendorff während des Ersten Weltkriegs im preußischen Kriegsministerium die Leitung der Kriegsrohstoffabteilung übernahm, wurde Czochralski 1914 die Führung des AEG-Labors übertragen. Dort entwickelte er im Jahr 1916 das nach ihm benannte Czochralski-Verfahren zur Messung der Kristallisationsgeschwindigkeit verschiedener Metalle. Obwohl Czochralski sein Verfahren umgehend veröffentlichte, dauerte es bis 1950, bis ein Labor in den USA dieses für die Massenproduktion von Siliziumkristallen entdeckte. Dem Czochralski-Verfahren verdankt die Welt heute fast die gesamte Produktion von Mikroelektronik aus Silizium.[1]

1918 wurde er Oberingenieur und Leiter des Laboratoriums der Metallbank und Metallurgischen Gesellschaft AG in Frankfurt am Main, der späteren Metallgesellschaft. Daneben gründete Czochralski 1919 zusammen mit Emil Heym, William Guertler und Oswald Bauer die Deutsche Gesellschaft für Metallkunde (DGM). Von 1924 bis 1926 war er stellvertretender und anschließend bis 1929 Vorsitzender der DGM.

Lehrtätigkeit am Polytechnikum Warschau

1929 wurde er Professor an der Chemischen Fakultät des Polytechnikums Warschau. Neben dem Lehrstuhl für Metallurgie und Metallkunde an der Chemischen Fakultät erhielt er auch die Leitung des Instituts für Metallurgie und Metallkunde, das eng mit dem polnischen Militär verbunden war und dem Verteidigungsministerium zuarbeitete. Czochralski stattete sein Laboratorium überwiegend mit Geräten aus Deutschland aus.[2]

Czochralskis Tätigkeit während der deutschen Besatzung

Nach der deutschen Besetzung Polens wurden seitens der Wissenschaftsverwaltung des „Generalgouvernements“ zunächst alle Hochschulen in Warschau geschlossen. Aufgrund kriegswirtschaftlicher Motive deutscher Behörden und Wehrmachtsstellen genehmigte die Verwaltung des Generalgouvernements im Februar 1940, Czochralskis Institut als sogenannte Materialprüfungsanstalt wiederzueröffnen.[3]

Allerdings befand sich die Materialprüfungsanstalt – Czochralski zufolge – in großer wirtschaftlicher Notlage; die Ingenieure erhielten nur geringe Gehälter, Czochralski selbst arbeitete unentgeltlich. Im Zuge der deutschen Besatzung eignete sich das KWIE verschiedene technische Einrichtungen aus Czochralskis Institut an.

Nach umfangreichen Instandsetzungsarbeiten eröffneten die deutschen Besatzungsbehörden im Herbst 1942 in den Gebäuden des ehemaligen Polytechnikums die Technische Hochschule in Warschau. Die dortige Ausbildung galt als kriegswichtig. Czochralskis Institut befand sich weiterhin auf dem Gelände des Polytechnikums und wurde in den polnischen Quellen als „Zaklad Badan Materialow“ (dt. Materialprüfungsanstalt) bezeichnet, war jedoch offiziell nicht Teil der Technischen Hochschule. Zum Institut gehörten ein Forschungslabor und ein Gießereibetrieb für den Bedarf des Rüstungskommandos der Wehrmacht und deren Heereskraftfahrpark. Trotz seiner Arbeit für die Besatzungsmacht kooperierte Czochralski auch mit der im Untergrund operierenden polnischen Heimatarmee, die er mit Informationen und Ausrüstungsmaterial belieferte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Krieg verlor Czochralski all seine Ämter und Funktionen und geriet vollständig in Vergessenheit. Obwohl er juristisch vom Vorwurf der Kollaboration freigesprochen wurde, gilt seine Zusammenarbeit mit der Wehrmacht bis heute offiziell als Hauptgrund für seine Degradierung. Möglich ist jedoch auch, dass er als wohlhabender Mäzen und Wissenschaftler, der auch mit großen Unternehmen kooperierte, nach dem Krieg nicht in das Bild der neuen, kommunistischen Machthaber passte. Czochralski zog sich daraufhin in seinen Heimatort Kcynia zurück, wo er die Firma Bion leitete, die Kosmetika und Haushaltschemikalien herstellte. Czochralski starb am 22. April 1953 in Posen.[4]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Steffen: Anerkannt, verfemt, rehabilitiert, S. 220-222; Evers/Klüfers/Staudigl/Stallhofer: Czochralskis schöpferischer Fehlgriff, S. 5864.
  2. Steffen: Anerkannt, verfemt, rehabilitiert, S. 220-228; Evers/Klüfers/Staudigl/Stallhofer: Czochralskis schöpferischer Fehlgriff, S. 5864.
  3. Steffen: Anerkannt, verfemt, rehabilitiert, S. 231.
  4. Steffen: Anerkannt, verfemt, rehabilitiert, S. 232 f.; Evers/Klüfers/Staudigl/Stallhofer: Czochralskis schöpferischer Fehlgriff, S. 5866.