Rückkehr des Instituts nach Düsseldorf

Aus Geschichts-Wiki MPIE
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Am 15. März 1946 teilte Ernst Telschow Institutsdirektor Franz Wever die Anordnung der britischen Militärregierung zur beschleunigten Rückverlegung des KWIE nach Düsseldorf mit.
Im Frühjahr 1946 begann die Rückverlagerung des Instituts nach Düsseldorf.
Auch nach der Rückverlagerung mussten noch Wiederaufbauarbeiten durchgeführt werden. Insgesamt dauerten sie bis 1949.
Ab etwa 1950 wuchs das Institut kräftig und brauchte mehr Platz, wie auf diesem Luftbild von 1965 zu erkennen ist. ...
... Die Veränderungen des Insitutsgebäudes und der Umgebung gegenüber 1935 sind deutlich zu erkennnen.

Pläne für die Neuorganisation des KWIE

Dass das Weiterbestehen des KWIE in seiner bisherigen Form im Frühjahr 1946 deutlich gefährdet war, war wohl nur einem sehr kleinen Kreis bekannt. Im Auftrag des Scientific and Technical Research Board wurde unter Beteiligung von Colonel Blount, Dr. Fraser und Commander Suddert am 29. April 1946 ein Konzept für die Wiederaufnahme der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung in Clausthal vorgelegt. Eines der Ergebnisse war die Überlegung, dass das KWIE in Düsseldorf wegen der reduzierten Stahlkapazität der Nachkriegswirtschaft einen neuen physikalisch-chemischen Schwerpunkt erhalten sollte.[1]

Zwar war von englischer Seite eine wesentliche Verkleinerung des Instituts geplant, doch wollten die Briten das Institut gleichzeitig auf eine breitere Basis als die der Eisenforschung stellen und hatten insbesondere an der wissenschaftlichen Forschung im Kunststoffbereich Interesse. Verschiedene Schreiben zwischen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) und dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) zeigen, dass auch das KWIE solche Pläne kannte. Institutsdirektor Franz Wever und Otto Petersen vom VDEh hatten aber einen anderen Plan, sie wollten beim KWIE eine Art Außenstelle des früheren Staatlichen Materialprüfungsamtes in Berlin-Dahlem für die britische Zone in Düsseldorf einrichten.[2]

Beginn der Rückverlagerung nach Düsseldorf

Der Erhalt des Instituts war letztlich nicht grundsätzlich gefährdet. So hatte Blount bereits am 15. März 1946 die beschleunigte Rückverlagerung des Instituts nach Düsseldorf angeordnet. Dadurch sollten die Verhandlungen über die Weiterführung des Instituts erleichtert werden. Dementsprechend instruierte KWG-Generalsekretär Ernst Telschow Wever, „unverzüglich den Abtransport des Inst. in die Wege zu leiten“.[3] Hierzu gab Wever später an: „Schon im März gab Col. Blount bei Gelegenheit eines zweiten Besuches in Clausthal Anweisung, die Rückverlagerung nach Düsseldorf noch vor Erteilung einer Forschungsgenehmigung in die Hand zu nehmen. Gleichzeitig übernahm er es, die zu dieser Zeit noch schwebenden Beschlagnahmen aufzuheben und weitere Beschlagnahmen zu verhindern; auch dafür werden wir ihm immer zu grossem Dank verpflichtet bleiben.“[4]

Unterdessen stellte die im April 1946 erteilte Anordnung der Rückverlagerung das KWIE vor Herausforderungen. So schnell wie möglich musste das KWIE in Düsseldorf soweit wiederhergestellt werden, dass die Anlagen aus Clausthal sicher aufgenommen werden konnten.[5] Noch im Frühjahr 1946 wurde mit der Rückverlagerung begonnen. Parallel wurde Wohnraum für die nach Düsseldorf zurückkehrenden Familien beschafft.[6] Zusätzlich war der VDEh gezwungen, seine Büros und Einrichtungen in das Düsseldorfer Institutsgebäude des KWIE zu verlegen, „da die Räume des Vereins von englischer Seite und z. T. auch von der kommenden Staatsregierung des neuen Staates Nord-Rheinprovinz-Westfalen benötigt werden.“[7] Bis zum August 1946 war der größte Teil der Anlagen und Einrichtungen aus Clausthal in Düsseldorf eingetroffen.[8]

Kooperationen mit den Alliierten

Direktor Wever und das KWIE zeigten sich bei der Zusammenarbeit mit den Alliierten und einer Bereitstellung der wissenschaftlichen Ergebnisse weiterhin kooperativ. Sie erstellten beispielsweise Handbücher über die Eisenforschung und arbeiteten an Berichten für die Field Intelligence Agency, Technical (FIAT) mit, die von den Westalliierten gebildet worden war. Damit passte sich das KWIE den Rahmenbedingungen der alliierten Forschungspolitik an. Viele deutsche Wissenschaftler, darunter auch zahlreiche aus den Instituten der KWG, waren 1946 und 1947 an der Erstellung von FIAT-Berichten beteiligt. Zielsetzung war nach wie vor die wissenschaftliche Nutzung und zugleich Überwachung der wissenschaftlichen Ergebnisse, die die deutsche Forschung in den Kriegsjahren erzielt hatte.[9]

Bei dieser Zusammenarbeit spielte auch Willy Oelsen eine wichtige Rolle. Zwar wurde er offiziell erst ab 1947 wieder am Institut angestellt, doch stand er nach seiner Rückkehr aus der Zivilinternierung ab Mitte 1946 in engen Kontakt mit Wever, der ihn für die Erstellung der FIAT-Berichte einsetzte. Dies begründete Wever gegenüber dem Arbeitsamt Goslar: „Wie aus beiliegenden Anlagen zu ersehen ist, haben wir für die Militär-Regierung (Hauptquartier Col. B.K. Blount) diejenigen Arbeiten einzureichen, die in unserem Institut seit Kriegsausbruch fertiggestellt aber noch nicht veröffentlicht worden sind. Die Fertigstellung der Arbeiten, die in den Aufgabenkreis von Professor Oelsen fallen, kann nur durch ihn selbst vorgenommen werden. Es handelt sich um etwa 10 Arbeiten, deren Bearbeitung schätzungsweise 6 bis 8 Monate erfordern wird. Wir bitten Sie, Professor Oelsen für die Arbeiten freizustellen, damit wir der Anordnung der Militär-Regierung nachkommen können.“[10]

Außerdem arbeitete Oelsen unter Vermittlung des KWIE an einem Handbuch mit, das Prof. Max Hansen im Auftrag der FIAT herausgab. Das Handbuch betraf die in den letzten zehn Jahren in Deutschland gewonnenen Forschungsergebnisse zur allgemeinen und angewandten Metallkunde einschließlich Hüttenkunde. Für den VDEh übernahm Oelsen die Beiträge zur Metallurgie der Eisenhüttenprozesse.[11]

Das Gesetz Nr. 25 des Alliierten Kontrollrats

Neue Weichenstellungen für die Zukunft des KWIE brachte das Gesetz Nr. 25 des Alliierten Kontrollrats vom 29. April 1946. Zwar zeichnete sich das Vorgehen der Alliierten im Bereich Wissenschaft in der unmittelbaren Nachkriegszeit durch strenge Auflagen und Kontrollen aus, es wurden aber nur wenige Forschungsbereiche mit Verboten belegt. Diese betrafen insbesondere Arbeitsgebiete und Institutionen, bei denen die Alliierten einen Zusammenhang zur kriegsrelevanten Forschung sahen. Durch spezifische Eingriffe sollte die Gefahr eines militärischen Wiedererstarkens Deutschlands gebannt werden. Gemäß dem Gesetz Nr. 25 waren unter anderem Atomphysik, bestimmte Bereiche der Aerodynamik, Sprengstoff- und Giftgaschemie und Raketenforschung verboten.[12] Der Bereich Eisen- und Metallforschung fiel nicht unter das Verbot. Das Gesetz verbesserte somit mittelfristig die Möglichkeiten für deutsche Wissenschaftsinstitutionen, nicht verbotene bzw. nichtmilitärische Forschungsaktivitäten wieder aufzunehmen und damit die Chance für das KWIE auf eine baldige Erteilung der Arbeitsgenehmigung.

Verhandlungen über Struktur und Aufgaben des KWIE

Im August 1946 zeichnete sich eine deutliche Wende für die Zukunft des KWIE ab, über die Wever später schrieb: „Unter den Ereignissen des Jahres 1946 verdient noch ein Besuch hervorgehoben zu werden, den die Herren Col. Blount, Headlam-Morley und Professor Austin dem Institut im August abstatteten. In eingehenden Aussprachen wurde die Lage des Instituts erörtert und wertvolle Anregungen zur Wiederaufnahme unserer wissenschaftlichen Arbeiten gegeben.“[13] Bei dieser Besprechung, die in Düsseldorf stattfand, kamen verschiedene Pläne zur Zukunft des Instituts zur Sprache. Der VDEh versicherte, dass die Stahlindustrie trotz ihrer Schwierigkeiten in der britischen Zone willens sei, die Kosten des Instituts zu tragen, und dass die Finanzierung mindestens bis Ende 1947 gesichert sei. Die Idee einer Ausweitung auf den chemischen bzw. Kunststoffbereich war offenbar vom Tisch.

Es gab, auch angeregt von britischer und amerikanischer Seite, allerdings weiterhin die Überlegung, das KWIE mit dem Stuttgarter Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Metallforschung zusammenzulegen, wohl unter der Leitung von Werner Köster. Hierzu fehlte aber, wie sich bald zeigen sollte, auf beiden Seiten die Bereitschaft. Sowohl Köster als auch Wever und der VDEh waren dagegen.[14] Deren Vorhaben, stattdessen beim Düsseldorfer KWIE ein kleines Materialprüfungsamt für Eisen und Stahl für die britische Zone einzurichten, wurde allerdings nicht genehmigt. Anfang September wurde auch ein entsprechender Antrag beim Zentralamt für Wirtschaft in Minden gestellt, offenbar jedoch ohne Erfolg. Es ging um die Vollmacht zur Durchführung sämtlicher Materialprüfungen und Gutachten (entsprechend den Tarifen des ehemaligen Staatlichen Materialprüfungsamts Berlin Dahlem sowie um die Übernahme der Werkstoffprüfstelle des Verwaltungsamtes Stahl und Eisen durch das KWIE.[15]

Wevers Zielsetzung war nun, die Verbindung zum VDEh und den bisherigen Charakter des KWIE zu erhalten. So erklärte er im Oktober 1946 gegenüber dem VDEh: „Die entscheidende Frage ist jetzt, ob das Institut in Zukunft als unabhängiges Forschungsinstitut erhalten und finanziell von der deutschen Eisenindustrie getragen werden kann. [...] Ihm ist jetzt durch die Beschränkung der Forschung auf den Werken die Aufgabe zugefallen, die Überlieferung der deutschen Eisenforschung fortzuführen und die Erkenntnisse und Erfahrungen in eine bessere Zukunft hinüberzuretten.“[16]

Bereits im Oktober 1946 hatte Wever hierzu gegenüber dem VDEh-Vorstand berichtet: „Die Frage der Arbeitsgenehmigung für das Institut erhielt durch das Inkrafttreten von Gesetz Nr. 25 ein neues Gesicht. Dieses Gesetz lässt hinsichtlich des Arbeitsplanes weitgehend freie Hand. Es macht die Erteilung der Genehmigung von einem Antrag abhängig, für den eigene Vordrucke vorgeschrieben sind.“[17]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Heinemann: Wiederaufbau und Neugründungen, S. 422. Siehe auch: Wagenburg, S. 692 f.
  2. VDEh, Ac 201, Band III, Schreiben von Walther Gerlach an Petersen, 30.04.1946, Schreiben von Petersen an Gerlach, 03.05.1946, Notiz über die Besprechung am 13. August 1946 in Düsseldorf, Eisenhüttenhaus, 13.08.1946, Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes am 17. Oktober 1946.
  3. AMPG, Abt. II, Rep. 66, Nr. 989/6, Telegramm von Telschow an Wever, 15.03.1946.
  4. VDEh, Ac 207, Band II, Bericht über den Wiederaufbau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung seit Kriegsende, 28.01.1949.
  5. VDEh, Ac 201, Band III, Schreiben von Otto Petersen an Walter Gerlach, 03.05.1946.
  6. MPIE: 10 Jahre Eisenforschung, S. 8.
  7. VDEh, Ac 201, Band III, Notiz über die Besprechung am 13. August 1946 in Düsseldorf, Eisenhüttenhaus, 13.08.1946.
  8. VDEh, Ac 201, Band III, Notiz über die Besprechung am 13. August 1946 in Düsseldorf, Eisenhüttenhaus, 13.08.1946.
  9. Heinemann: Wiederaufbau und Neugründungen, S. 418.
  10. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Wever an das Arbeitsamt Goslar, 05.06.1946.
  11. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, verschiedene Schreiben von Wever an Oelsen, 1946.
  12. Beyler: Reine Wissenschaft, S. 16.
  13. VDEh, Ac 207, Band II, Bericht über den Wiederaufbau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung seit Kriegsende, 28.01.1949.
  14. VDEh, Ac 201, Band III, Notiz über die Besprechung am 13. August 1946 in Düsseldorf, Eisenhüttenhaus, 13.08.1946, Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes am 17. Oktober 1946.
  15. VDEh, Ac 201, Band III, Auszug aus einem Bericht über die Reise nach Düsseldorf vom 8. bis 15. September 1946.
  16. VDEh, Ac 207, Band II, Aussprache über das KWIE in der Sitzung des Vorstandes des VDEh am 17. Oktober 1946.
  17. VDEh, Ac 207, Band II, Aussprache über das KWIE in der Sitzung des Vorstandes des VDEh am 17. Oktober 1946, Bericht über die Lage des Instituts erstattet von Direktor Prof. Dr. Wever, Düsseldorf.