Das KWIE als Wehrwirtschaftsbetrieb und Rüstungsforschung (1940–1942)

Aus Geschichts-Wiki MPIE
Version vom 1. Februar 2021, 13:20 Uhr von unknown user (Diskussion) (→‎Bildergalerie)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Im Bericht über das Arbeitsjahr 1940 wurde betont, dass das KWIE zu dem Ziel beitrage, „der Wehrmacht den besten Werkstoff für hre Rüstung zur Verfüngung zu stellen“. ...
... Aufgrund „der umfangreichen Aufträge, die das Institut für die Wehrmacht, vor allem für das Reichsluftfahrtministerium druchführt[e]“ wurde es als Wehrwirtschaftsbetrieb anerkannt.

Übergang von der Wehr- zu Kriegswirtschaft

Der gesellschaftliche Zustand in Deutschland vor Beginn des Zweiten Weltkriegs kann im Grunde nicht als Frieden beschrieben werden, sondern war – etwa auf Betreiben der Vierjahresplanbehörde unter Göring – von der Vorbereitung der deutschen Wirtschaft auf den Krieg und von Aufrüstung geprägt gewesen. Die ersten Kriegsjahre waren dann von einem schrittweisen Übergang der deutschen „Wehrwirtschaft“ zur Kriegswirtschaft geprägt, so dass auch für die Phase bis 1942/43 eher von einem Zustand der wirtschaftlichen Teilmobilisierung zu sprechen ist. Hintergrund war, dass die politische und militärische Führung auf einen „Blitzkrieg“ mit schnellem Sieg ausgerichtet war, nicht auf einen langfristigen Krieg.[1]

Am KWIE wurden nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zunächst die Forschungen der Vorkriegszeit weitergeführt. Einige dieser Forschungsarbeiten bezogen sich nach wie vor auf Grundlagen der Erzaufbereitung und des Eisenhüttenwesens. Wichtig waren außerdem die Arbeitsgebiete, die sich aus dem Vierjahresplan ergaben. Die Erzabteilung forschte etwa weiterhin an der Gewinnung von Mangan und Vanadium, sowie an der magnetisierenden Röstung verschiedener deutscher Erze.[2]

1940 betonte Anton Lübke in dem Buch „Das deutsche Rohstoffwunder“ die Wichtigkeit weiterer Forschungen in der Eisenwirtschaft. „Trotz der großen Vorräte an deutschem Eisenerz und der hochentwickelten Eisentechnik“ bedürfe die deutsche Eisenwirtschaft „mehr denn je der Forschung, um die vorhandenen Eisenvorräte zu gewinnen, zu erhalten und auch zu sparen.“ Neben der „Minderung der Abhängigkeit vom ausländischen Erzbezug“ bestehe „vor allem die Aufgabe darin, den neuartigen mannigfachen Anforderungen gerecht zu werden, die an die Eigenschaften des Eisens gestellt werden.“ Lübke würdigte explizit die Bedeutung des KWIE und des Kaiser-Wilhelm-Instituts (KWI) für Metallforschung: „In emsiger Forschertätigkeit wird heute in den Eisenforschungsinstituten in Düsseldorf und Stuttgart, den technischen Hochschulen, an der Klärung der Gesetzmäßigkeit gearbeitet, nach der der Eisengewinnungsprozeß verlaufen soll.“[3]

Zunahme von Rüstungsforschung

Zugleich nahmen direkt rüstungsbezogene Forschungstätigkeiten nun deutlich zu und mussten unter erhöhter Priorität bearbeitet werden. Von den verschiedenen Wehrmachtsstellen wurden dem KWIE mehr und mehr kriegsrelevante Forschungsaufgaben übertragen und die Verbindungen zu Luftwaffe, Heer und Marine wurden enger. Dies führte dazu, dass das KWIE im Jahr 1940 zum „Wehrwirtschaftsbetrieb“ ernannt wurde. Im Bericht über das Arbeitsjahr 1940 heißt es hierzu: „Auf Grund der umfangreichen Aufträge, die das Institut für die Wehrmacht, vor allem für das Reichsluftfahrtministerium, durchführt, wurde es als „Wehrwirtschaftsbetrieb“ anerkannt; die Betreuung erfolgt seitens des örtlichen Rüstungskommandos mit grossem Verständnis für die durch den Charakter des Instituts und seine besonderen Aufgaben bedingten Notwendigkeiten.“[4] Zu den Aufgaben des Instituts gehörten nun vermehrt Untersuchungen zu Fragen der Waffenproduktion. Diese betrafen unter anderem Panzergleisketten, Maschinengewehre, Granaten, Patronen und Hülsen, Panzerungen und Geschützrohre.[5]

Einbindung in NS-Forschungsverbünde

Die Verantwortlichen des Instituts waren personell in verschiedene NS-Forschungsverbünde integriert. Neben der Lilienthal-Gesellschaft war das KWIE auch in der Deutschen Akademie der Luftfahrtforschung (DAL) vertreten, die 1936 auf Initiative des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) gegründet worden war. Nachdem der Schwerpunkt der DAL zunächst eher auf Vorträgen und Diskussionen gelegen hatte, wurden ab 1939 Arbeitskreise etabliert. Das Tätigkeitsfeld der DAL verschob sich zur Forschungsförderung im Rüstungszusammenhang.[6]

Verschiedene Institutsangehörige waren Mitglieder der DAL. Institutsdirektor Körber war seit dem 1. April 1937 Ausschussmitglied.[7] Anton Pomp war ebenfalls Mitglied der Akademie. Er wurde im März 1939 von der DAL „zur Teilnahme an der […] 1. Wissenschaftssitzung der ordentlichen Mitglieder“ aufgefordert.[8] Beide nahmen mehrfach an DAL-Tagungen teil. So zum Beispiel an der Arbeitstagung über Werkstoff-Fragen der Luftfahrtakademie am 7. Mai 1942, auf der Pomp über Probleme der „Warmschwingungsfestigkeit“ und Körber über die „Mechanischen Eigenschaften bei tiefen Temperaturen“ referierten.[9] Auch der Leiter des Magnetischen Laboratoriums, Heinrich Lange, war in der DAL aktiv. Er hielt beispielsweise am 27. März 1942 einen Vortrag „über den Einfluss von Erschütterungen auf den Magnetisierungszustand ferromagnetischer Körper (und den) magnetischen Zustand von Fahrzeugen“[10] Der Leiter des Verschleißlaboratoriums, Anton Eichinger, fungierte bei der im Juni 1942 gebildeten Forschungsführung des Reichsministers für die Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe als Leiter der Arbeitsgemeinschaft Verformungsvorgänge bei schlagartiger Beanspruchung.[11]

„Erfahrungsgemeinschaften“ des Ministeriums für Bewaffnung und Munition

Das KWIE war nicht nur im Luftrüstungsbereich in verschiedene Forschungsverbünde eingebunden. Im Mai 1940 hatte das neu gegründete Ministerium für Bewaffnung und Munition unter Reichsminister Todt sogenannte „Erfahrungsgemeinschaften“ errichtet, in denen Vertreter aus Industrie, Wehrmacht und aus der Wissenschaft saßen. Die Einrichtung der „Erfahrungsgemeinschaften“ war Teil einer von Todt angestoßenen Reorganisation der Rüstungsplanung. Damit reagierte er auf die sogenannte „Munitionskrise“ und die darin deutlich gewordenen Defizite in der deutschen Rüstung. Mit einem neuen System von Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften drängte er den Einfluss der Heeresstellen zurück und legte Aufgaben der Planung und Auftragslenkung vermehrt in die Hände von Vertretern der Industrie.

In diesen „Erfahrungsgemeinschaften“ versammelten sich die Leiter jener Betriebe, die bei der Entwicklung des jeweiligen Spezialgebiets besonders wichtig waren und über Erfahrungen im Produktionsbereich verfügten.[12] Die Leitung der rüstungsbezogenen Industrieforschung übernahmen wissenschaftliche Fachleute, die auch die Industrie in Rationalisierungs- und Fertigungsfragen berieten. Vier der 16 eingerichteten „Erfahrungsgemeinschaften“ wurden von deutschen Metallforschern geleitet – Friedrich Körber leitete gleich zwei: die für Beringungsfragen beim Ministerium für Bewaffnung und Munition und die „Erfahrungsgemeinschaft“ Pulvermetallurgie. Auch der Leiter des KWI für Metallforschung Köster sowie der Metallurg Eduard Houdrement hatten jeweils den Vorsitz einer „Erfahrungsgemeinschaft“ inne.[13] Die Arbeiten wurden in Kooperation mit dem Heereswaffenamt und dem Oberkommando des Heeres (OKH) durchgeführt.[14] Für seine Tätigkeit hier erhielt Körber am 11. Juli 1940 das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse.[15]

Die „Erfahrungsgemeinschaften“ Pulvermetallurgie

Die in der „Erfahrungsgemeinschaft“ Pulvermetallurgie durchgeführten Forschungen auf dem Gebiet Sintereisen- bzw. Pulvermetallurgie widmeten sich bis 1942 der Untersuchung eines im Betrieb zerstörten Thermoelements, der vergleichenden Untersuchung zweier Heizspiralen aus Sinteröfen, der vergleichenden Gegenüberstellung verschiedener Eisenpulver im Hinblick auf ihre Eignung zur Herstellung von Sinterkörpern, Versuchen zur Ermittlung des Kohlenstoffgehalts im Zunder und zur Herstellung geeigneter Dichtungsringe für Marine-Granaten, sowie mit den Beziehungen zwischen Brinellhärte und Eindringtiefe bei weichem Sintereisen und der Ermittlung der Schwindungserscheinungen an verschiedenen Goldschmidt-Pulvern. Außerdem wurden Schlag-Biege-Versuche an Weicheisensinterkörpern bei verschiedenen Temperaturen, Versuche mit Hametag-Feinstpulver zur Klärung des erhöhten Kohlenstoffgehalts, Versuche zur Ermittlung der Wechselbiegefestigkeit von Sinterkörpern aus DPG-Weicheisen-Schleuderpulver < 0,15 mm, Dauer-Korrosionsversuche an FeS-Ringen, Versuche über die Schaffung einer möglichst neutralen Sinteratmosphäre für kohlenstoffhaltige Sinterkörper und über die pulvermetallurgische Herstellung legierter Eisensinterkörper mit Mangan und Chrom, sowie über die Herstellung graphithaltiger oder rein perlitischer Sinterkörper, über die Abhängigkeit der technologischen Eigenschaften von Reineisen-Sinterkörpern von der Vorbehandlung des Pulvers, Versuche zur Herstellung von Eisen-Zirkon-Sinterkörpern und von hochfesten eisen-kohlenstoffhaltigen Sinterkörpern durch Zulegieren von Roheisen und Vergleichsuntersuchungen von Hametag-Granalienpulver mit Hametag-Drahtpulver durchgeführt.[16]

Die „Erfahrungsgemeinschaften“ für Beringungsfragen

Die „Erfahrungsgemeinschaft“ für Beringungsfragen war vor allem mit Arbeiten zur Verbesserung von Geschossführungsringen, zur Werkstoffverfeinerung und zum Rüstungsgerät betraut. Konkret arbeitete das KWIE in diesem Rahmen für das OKH am Ersatz kupferner bzw. kupferhaltiger Geschossführungsringe durch Eisen oder Kunststoff. Man entwickelte ein besonderes Weicheisen mit kupferähnlichen Eigenschaften, das beispielsweise für Dichtungen und Infanteriegeschosse und ähnliches genutzt werden sollte, um Kupfer, Blei und andere Nichteisenmetalle zu ersetzen.[17] Für die Erfahrungsgemeinschaft Pulvermetallurgie führte das KWIE unterschiedliche Forschungsarbeiten durch, darunter ab 1942 einen Auftrag zur vergleichenden Gegenüberstellung verschiedener Eisenpulver im Hinblick auf ihre Eignung zur Herstellung von Sinterkörpern.[18] Körber hob die Bedeutung des KWIE in dieser „Erfahrungsgemeinschaft“ in einem Schreiben an die Generalverwaltung der KWG besonders hervor. „Durch eine Reihe von Experimentaluntersuchungen und grundlegenden Entwicklungsvorschlägen“ sei „das Institut an dem Fortschritt auf diesem Gebiet laufend beteiligt“ .[19] Es handelte sich um insgesamt „kriegswichtige Arbeiten“, wie Körber schrieb.[20]

Bildergalerie

Im September 1942 übersandte Direktor Friedrich Körber der Generalverwaltung der KWG – mit dem Vermerk „geheim“ – eine Aufstellung über die wichtigsten kriegs- und rüstungsrelevanten Arbeiten des KWIE.

Siehe auch

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Müller: Mobilisierung, S. 349-391.
  2. MPIE, 9-2-01-1, Mitteilungen an die Abteilungen & Werkstatt, 01.09.1939; MPIE, 8-2-01-6, Bericht über die Arbeiten des Instituts 1939.
  3. Lübke: Rohstoffwunder, S. 90.
  4. BArch (Berlin), R 26-III/109, Bericht über das Arbeitsjahr 1940.
  5. Flachowsky: Wagenburg, S. 687.
  6. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 175 f.
  7. BArch (Militärarchiv Freiburg), RL 39/1338; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 176.
  8. MPIE, 8-1-26-1, Einladungsschreiben der Deutschen Akademie für Luftfahrtforschung an Pomp, 20.03.1939. Siehe auch Flachowsky: Alle Arbeit, S. 176 f.
  9. BArch (Berlin), R26-III/109, Bericht über das Arbeitsjahr 1942.
  10. BArch (Berlin), R26-III/109, Bericht über das Arbeitsjahr 1942.
  11. BArch (Berlin), R 26/III 342, Gliederung des KWIE, Stand 31.12.1944. Siehe auch BIOS Report 676.
  12. Vgl. Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 676-685; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 186 f.; Müller: Mobilisierung, S. 466-485, S. 630.
  13. Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 682.
  14. AMPG, Abt. I, Rep. 16, Nr. 36, Schreiben von Körber an die Generalverwaltung der KWG, 16.09.1942.
  15. BArch (Berlin), R 26-III/109, Bericht über das Arbeitsjahr 1940.
  16. MPIE 3-0-47-2, Zusammenstellung der pulvermetallurgischen Arbeiten, 16.07.1942.
  17. AMPG, Abt. I, Rep. 16, Nr. 36, Schreiben von Körber an die Generalverwaltung der KWG, 16.09.1942.
  18. MPIE 6-6-90-11, Vergleichende Gegenüberstellung verschiedener Eisenpulver im Hinblick auf ihre Eignung zur Herstellung von Sinterkörpern, 31.01.1942; AMPG, Abt. I Rep. 16, Nr. 36, Schreiben von Körber an die Generalverwaltung der KWG, 16.09.1942.
  19. AMPG, Abt. I, Rep. 16, Nr. 36, Schreiben von Körber an die Generalverwaltung der KWG, 16.09.1942.
  20. AMPG, Abt. I, Rep. 16, Nr. 36, Schreiben von Körber an die Generalverwaltung der KWG, 16.09.1942.