Behandlung der Zwangsarbeiter: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Schreiben Zwangsarbeiter an Ferdinand Spies.jpg|thumb|Im Jahr 1946 hatte der „Kriegs-Betriebsobmann“ Ferdinand Spies im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens die ehemaligen französischen Zwangsarbeiter des KWIE angeschrieben, um ein positives Leumundszeugnis zu erhalten. Deren Antwort im Juli 1946 fiel äußerst kurz aus. Sie bescheinigten ihm lediglich, dass Spies die ausländischen Arbeitskräfte „korrekt“ behandelt habe.]]
[[Datei:Schreiben Zwangsarbeiter an Ferdinand Spies.jpg|thumb|Im Jahr 1946 hatte der „Kriegs-Betriebsobmann“ Ferdinand Spies im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens die ehemaligen französischen Zwangsarbeiter des KWIE angeschrieben, um ein positives Leumundszeugnis zu erhalten. Deren Antwort im Juli 1946 fiel äußerst kurz aus. Sie bescheinigten ihm lediglich, dass Spies die ausländischen Arbeitskräfte „korrekt“ behandelt habe.]]


[[Der Einsatz von Zwangsarbeitern im Deutschen Reich|Zwangsarbeiter]] wurden Unternehmen und anderen Einsatzträgern wie dem [[Das KWIE in der Weimarer Republik|KWIE]] nicht von Behördenseite zugeteilt, sondern es bedurfte der Eigeninitiative von Arbeitgeberseite, um zusätzliche Arbeitskräfte zu erhalten. Die konkrete Entscheidung, Zwangsarbeiter einzusetzen, ebenso wie die Hauptverantwortung für die Gestaltung des [[Der Einsatz von Zwangsarbeitern in Düsseldorf und in Clausthal|Zwangsarbeitereinsatzes vor Ort]] lagen beim jeweiligen Arbeitgeber selbst. Dieser musste die Arbeitskräfte beim Arbeitsamt und anderen Behörden aktiv anfordern, um sie zu erhalten.<ref>Spoerer: Zwangsarbeit, S. 96 f.; Rathkolb: Zwangsarbeit in der Industrie, S. 674.</ref>  
[[Zwangsarbeit im Deutschen Reich|Zwangsarbeiter]] wurden Unternehmen und anderen Einsatzträgern wie dem [[Das KWIE in der Weimarer Republik|KWIE]] nicht von Behördenseite zugeteilt, sondern es bedurfte der Eigeninitiative von Arbeitgeberseite, um zusätzliche Arbeitskräfte zu erhalten. Die konkrete Entscheidung, Zwangsarbeiter einzusetzen, ebenso wie die Hauptverantwortung für die Gestaltung des [[Der Einsatz von Zwangsarbeitern in Düsseldorf und in Clausthal|Zwangsarbeitereinsatzes vor Ort]] lagen beim jeweiligen Arbeitgeber selbst. Dieser musste die Arbeitskräfte beim Arbeitsamt und anderen Behörden aktiv anfordern, um sie zu erhalten.<ref>Spoerer: Zwangsarbeit, S. 96 f.; Rathkolb: Zwangsarbeit in der Industrie, S. 674.</ref>  


==Allgemeine Haltung von deutschen Arbeitgebern zum Zwangsarbeitereinsatz==
==Allgemeine Haltung von deutschen Arbeitgebern zum Zwangsarbeitereinsatz==

Version vom 2. Juni 2020, 14:48 Uhr

Im 19. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eiseninstitut wurde über den zusätzlichen Einsatz von Zwangsarbeitern berichtet, 15. April 1943.
Im Jahr 1946 hatte der „Kriegs-Betriebsobmann“ Ferdinand Spies im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens die ehemaligen französischen Zwangsarbeiter des KWIE angeschrieben, um ein positives Leumundszeugnis zu erhalten. Deren Antwort im Juli 1946 fiel äußerst kurz aus. Sie bescheinigten ihm lediglich, dass Spies die ausländischen Arbeitskräfte „korrekt“ behandelt habe.

Zwangsarbeiter wurden Unternehmen und anderen Einsatzträgern wie dem KWIE nicht von Behördenseite zugeteilt, sondern es bedurfte der Eigeninitiative von Arbeitgeberseite, um zusätzliche Arbeitskräfte zu erhalten. Die konkrete Entscheidung, Zwangsarbeiter einzusetzen, ebenso wie die Hauptverantwortung für die Gestaltung des Zwangsarbeitereinsatzes vor Ort lagen beim jeweiligen Arbeitgeber selbst. Dieser musste die Arbeitskräfte beim Arbeitsamt und anderen Behörden aktiv anfordern, um sie zu erhalten.[1]

Allgemeine Haltung von deutschen Arbeitgebern zum Zwangsarbeitereinsatz

So ist auch im Fall des KWIE davon auszugehen, dass sich die Institutsleitung aktiv um die Zuteilung der Zwangsarbeiter im KWIE bemühte und entsprechende Anträge bei den zuständigen Behörden wie Arbeitsämtern und Rüstungsstellen einreichte. Der Zwangsarbeitereinsatz wurde von den beteiligten Akteuren zumeist als Normalität der Kriegsgesellschaft gedeutet, die vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Verluste des Stammpersonals aus der Notwendigkeit der Arbeitskräftegewinnung resultierte. Selten wurde der Zwangsarbeitereinsatz als unrechtmäßig empfunden.[2]

Die Haltung am KWIE zum Zwangsarbeitereinsatz

Der Einsatz von deportierten Arbeitskräften aus dem Ausland stellte kein moralisches Problem für das KWIE dar. Vielmehr freute sich die Institutsleitung über den Zuwachs an Arbeitskräften. Dafür spricht unter anderem eine Mitteilung, die im „19. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen“ aus dem Eiseninstitut im April 1943 erschien. Darin wurde verkündet: „Auch aus dem Institutsleben ist einiges zu berichten! Zahlreiche Neueinstellungen, vor allem von Lernkräften, sind erfolgt; auch haben wir zu den beiden Belgierinnen, die im Sommer v.Js. eingetreten sind, weitere ausländische Arbeitskräfte erhalten: im Januar 2 Russen und 4 Russinnen, im Februar 2 französische Laboranten und jetzt einen Niederländer für die Werkstatt.“[3] Die Gewinnung der zusätzlichen ausländischen Arbeitskräfte, bei denen es sich eindeutig um Zwangsarbeiter handelte, wurde als positive Errungenschaft für das KWIE dargestellt.

Die Arbeits- und Lebensbedingungen der verschiedenen Zwangsarbeitergruppen

Einen weiteren wichtigen Themenkomplex stellen die Arbeits- und Lebensbedingungen der am KWIE eingesetzten Zwangsarbeiter dar. Die Vergütung und sonstige Bedingungen des „Arbeitseinsatzes“ waren für die unterschiedlichen Zwangsarbeitergruppen – entsprechend der nationalen Herkunft und des Status – unterschiedlich festgelegt. Zahlreiche Gesetze und Verordnungen regelten die Aufgaben und Kompetenzen der Arbeitgeber beim „Ausländereinsatz“. Zugleich waren die behördlichen Vorgaben durchaus flexibel; Behandlungsvorschriften, Verpflegungssätze etc. unterlagen über die Zeit verschiedenen Veränderungen. Beim konkreten „Arbeitseinsatz“ selbst waren die Zwangsarbeiter der „Betriebsführung“ unterstellt. Ihre Arbeitsanweisungen und Befehle erhielten die Zwangsarbeiter von Betriebsangehörigen wie etwa Abteilungsleitern, Meistern etc. Für die Arbeits- und Lebensbedingungen war neben diesem rechtlichen Rahmen auch entscheidend, in welcher Art und Weise die offiziellen Normen umgesetzt wurden. Die Unternehmen besaßen in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der Behandlung der Zwangsarbeiter deutliche Handlungsspielräume.[4] Um Fehlzeiten und andere „Vertragsbrüche“ zu ahnden, konnte die „Betriebsführung“ innerbetrieblich weitgehende disziplinarische Strafen verhängen. Dazu zählte der Entzug der Lebensmittelzulagekarte, was eine schlechtere Versorgung mit Nahrungsmitteln bedeutete, Geldbußen bzw. Lohnabzüge und weitere Maßnahmen bis hin zum Einschalten der Gestapo. Trotz des offiziellen Verbots von Prügelstrafen ab Mitte 1942 kam es in den Betrieben häufig zur Misshandlung von Zwangsarbeitern, insbesondere von Ostarbeitern.[5]

Arbeits- und Lebensbedingungen von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern am KWIE

Bei welchen Arbeiten die ausländischen Arbeitskräfte am KWIE eingesetzt wurden, ist zwar grob bekannt. Darüber, wie hoch die Arbeitsbelastung war und, wie die Behandlung der Zwangsarbeiter durch Institutsangehörige des KWIE konkret ausfiel, ist allerdings nur sehr wenig überliefert. Die Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte oblag in den Betrieben und konkret auch beim KWIE den betrieblichen Funktionären der DAF. Die DAF war für alle Belange der im Betrieb eingesetzten ausländischen „Zivilarbeiter“ zuständig, vor allem für die Bekleidung, Essensverpflegung und Gesundheitsfürsorge. Sie nahm dabei zugleich eine Kontrollfunktion wahr.[6] Die Behandlung der Zwangsarbeiter war, etwa in Form von Ernährungssätzen für die unterschiedlichen Gruppen, behördlich geregelt. Im Einzelfall dürfte es aber auch diesbezüglich deutliche Handlungsspielräume gegeben haben.[7] Berichte über eine besonders schlechte Versorgung, über Misshandlung oder dass es während des „Arbeitseinsatzes“ für das KWIE zu Todesfällen unter den Zwangsarbeitern gekommen wäre, sind nicht überliefert. Aus den spärlichen Unterlagen zu den Krankheitstagen der KWIE-Betriebsangehörigen für den Zeitraum Januar bis April 1943 geht hervor, dass die beiden belgischen Arbeiterinnen in diesen Monaten krankheitsbedingt mehrfach ausfielen. Demnach fehlte van den Bossche im Januar 18 Tage wegen Erkältung, im Februar zwölf Tage wegen „Halskrankheit“, im März und im April 1943 aus dem gleichen Grund sechs beziehungsweise zwölf Arbeitstage. Ihre Landsfrau war aufgrund von Erkältung im Januar und Februar 1943 an fünf bzw. an 14 Tagen nicht arbeitsfähig.[8] Auch der Niederländer de Bleyser wird in der Aufstellung der Fehlzeiten für den April genannt. Hieraus können zwei mögliche Schlüsse gezogen werden: zum einen verweisen die Erkrankungen potentiell auf die schlechten Lebensbedingungen und eine allgemein schlechte Unterbringung und Versorgung der Zwangsarbeiter, zum anderen wird aber auch deutlich, dass bei den Westarbeitern Bestimmungen des Arbeitsschutzes gewahrt und diese nicht krank bei der Arbeit eingesetzt wurden.

Die Angaben des DAF-Kriegsbetriebsobmanns Ferdinand Spies

Im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens, das nach Kriegsende gegen den früheren DAF-„Betriebsobmann“ des KWIE Ferdinand Spies durchgeführt wurde, behauptete dieser im Juni 1946, besondere Schritte unternommen zu haben, um die Situation der Ostarbeiter sowie der übrigen ausländischen Zwangsarbeiter am KWIE zu verbessern. So gab er an: „Bei den Ostarbeitern war die Not besonders gross. Ich habe für die Männer Anträge gestellt unter dem Vorwnd [sic!], sie seien Transportarbeiter, obwohl dies nicht ganz zutraf, um für sie besondere Kleidungsstücke und Schuhe zu bekommen. Für alle Ausländer habe ich in der Werksküche, die unter meiner Leitung stand, Essen kochen lassen und sie beim Wirtschaftsamt als deutsche Gefolgschaftsmitglieder gemeldet, damit ich auch für sie die Zuteilungen bekam und im Lager nichts abgezogen wurde. Dies war für mich strafbar.“[9] Dass Betriebe versuchten, die Versorgung ihrer Zwangsarbeiter und insbesondere auch der rechtlich am schlechtesten gestellten Ostarbeiter gezielt zu verbessern war durchaus verbreitet. Um die Leistungsfähigkeit der Arbeiter zu erhalten und zu steigern, wurden die strengen Behandlungsvorschriften, die für die Ostarbeiter galten, gerade in vielen Unternehmen der Metallindustrie gelockert und auch zusätzliche Verpflegung zur Verfügung gestellt. Ein solches Vorgehen wurde ab 1943 im Interesse der allgemeinen Leistungssteigerung der Ostarbeiter auch vom NS-Staat gestützt.[10] Die Darstellung von Ferdinand Spies muss vor dem Hintergrund seines Entnazifizierungsverfahrens dennoch kritisch betrachtet werden, zumal es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass er die ausländischen Arbeitskräfte bei den Ämtern als deutsche „Gefolgschaftsangehörige“ falsch angemeldet hatte. Für das erwähnte Entnazifizierungsverfahren versuchte Spies, unter anderem eine Bestätigung von den französischen Arbeitskräften Dubois und Chagneau über seinen Umgang mit Zwangsarbeitern zu erhalten. Dem Antwortschreiben der beiden vom 6. Juli 1946 ist zu entnehmen, dass Spies wohl eine relativ weitgehende Bestätigung erbeten hatte, wahrscheinlich in Bezug auf seine Rolle als DAF-Obmann bei der Behandlung und Verpflegung der Zwangsarbeiter. Die knapp gehaltene Antwort lautete: „Monsieur, Nous avons bien reçu en leur temps vos lettre du 16 Avril et carte du 2 Juin 1946. Nous sommes au regret de vous faire savoir qu’il nous est très difficile de vous envoyer le certificat demandé; cependant, nous pouvons dire que dans vos rapports de travail vis â vis des étrangers! Russes, Belges et Francais [sic !], déportés en Allemagne, vous avez été correct. Veuillez agréer, Monsieur, nos salutations distinguées.“[11] Ein generell positives Leumundszeugnis wollten die ehemaligen französischen Zwangsarbeiter dem ehemaligen Nazi-Aktivisten Spies nicht ausstellen. Sie bestätigten aber, dass er die ausländischen Arbeitskräfte im konkreten Arbeitszusammenhang „korrekt“ behandelt habe. Diese Aussage zeugt nicht von einem besonderen Engagement von Spies für die Belange der Zwangsarbeiter und deren Wohlergehen, vielmehr hielt er sich wohl lediglich an die Vorschriften, worauf die Verwendung des Wortes „correct“ hindeutet. Dieses Dokument zeigt aber zumindest, dass es unter Spies’ direkter Ägide im „Arbeitseinsatz“ beim KWIE nicht zu Misshandlungen und Ähnlichem kam, weder an den West- noch an den Ostarbeitern.

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Spoerer: Zwangsarbeit, S. 96 f.; Rathkolb: Zwangsarbeit in der Industrie, S. 674.
  2. Vgl. Bähr/Banken/Flemming: MAN, S. 329.
  3. MPIE, 6-0-11, 19. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eiseninstitut, 15.04.1943.
  4. Vgl. Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik, S. 154-156.; Spoerer: Soziale Differenzierung, S. 494 f., S. 500.
  5. Leissa/Schröder: Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 240-246; Spoerer: Soziale Differenzierung, S. 554-558.
  6. Leissa/Schröder: Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 230.
  7. Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik, S. 156.
  8. MPIE, 9-1-00, U/K-Unterlagen.
  9. LAV NRW, NW 1002-I-69945, Bl. 24, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.
  10. Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik, S. 151.
  11. LAV NRW, NW 1002-I-69945, Anlage 11, Benachrichtigung an Ferdinand Spies, Abschrift, Paris, Juli 1946.