Personelle „Säuberung“ am KWIE: Unterschied zwischen den Versionen

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==Die Überprüfung der Beschäftigten an den industrienahen Instituten==
==Die Überprüfung der Beschäftigten an den industrienahen Instituten==
Dass nun im Sommer 1933 auch die industrienahen Institute angefragt und erfasst wurden, war ein weiterer Ausdruck der [[Personelle „Säuberung“ in der KWG und das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums|systematischen Anpassung seitens der KWG-Generalverwaltung]]. Eigentlich hatten private Unternehmen noch mehrere Jahre das Recht, „nichtarische“ Mitarbeiter zu beschäftigen. Erst per Verordnung vom 12. November 1938 wurde die Beschäftigung von Juden generell untersagt.<ref>Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 379.</ref>
Dass nun im Sommer 1933 auch die industrienahen Institute angefragt und erfasst wurden, war ein weiterer Ausdruck der [[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums|systematischen Anpassung seitens der KWG-Generalverwaltung]]. Eigentlich hatten private Unternehmen noch mehrere Jahre das Recht, „nichtarische“ Mitarbeiter zu beschäftigen. Erst per Verordnung vom 12. November 1938 wurde die Beschäftigung von Juden generell untersagt.<ref>Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 379.</ref>


==Die Überprüfung der KWIE-Belegschaft==
==Die Überprüfung der KWIE-Belegschaft==

Version vom 2. Juni 2020, 09:44 Uhr

Im September 1933 gingen den Direktoren der industrienahen Institute der KWG Fragebögen zu, die dazu gedacht waren, die „nichtarischen“ Mitarbeiter zu erfassen, also auch am KWIE. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass von Seiten der KWIE-Direktion eine besondere Eigeninitiative ergriffen wurde, andererseits wurde auch keine Kritik an der Überprüfung laut.[1]

Die Überprüfung der Beschäftigten an den industrienahen Instituten

Dass nun im Sommer 1933 auch die industrienahen Institute angefragt und erfasst wurden, war ein weiterer Ausdruck der systematischen Anpassung seitens der KWG-Generalverwaltung. Eigentlich hatten private Unternehmen noch mehrere Jahre das Recht, „nichtarische“ Mitarbeiter zu beschäftigen. Erst per Verordnung vom 12. November 1938 wurde die Beschäftigung von Juden generell untersagt.[2]

Die Überprüfung der KWIE-Belegschaft

Bezüglich des KWIE geben die verfassten Listen darüber Aufschluss, dass es unter den insgesamt 84 Angestellten des Instituts keine sogenannten „nichtarischen“ Beschäftigte gab – weder im wissenschaftlichen Bereich, noch in den Laboren, Werkstätten oder in der Verwaltung.[3] Das KWIE war damit unter den Forschungseinrichtungen der KWG kein Einzelfall. Insgesamt ist auffällig, dass laut den Aufstellungen der KWG-Hauptverwaltung von 1933 lediglich 17 Institute, das heißt etwas mehr als die Hälfte der KWG-Einrichtungen überhaupt festangestellte Mitarbeiter beschäftigten, die gemäß NS-Definition als Juden bzw. „Nichtarier“ zu galten.[4] Allerdings waren am KWIE Anfang 1933 nicht nur angestellte Wissenschaftler tätig. Mit 17 von 31 Kräften stellten nicht-abhängig Beschäftigte sogar die Mehrheit. Ob sich darunter auch jüdische Wissenschaftler befanden, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Vertragsverhältnisse mit solchen vom „Arierparagraphen“ betroffenen Wissenschaftlern könnten schlicht aufgelöst oder nicht verlängert worden sein. Dass dies am KWIE der Fall war, ist nicht auszuschließen. Laut einer Aufstellung von Anfang 1933 stellten am KWIE die unentgeltlich Arbeitenden mit zehn Personen und die aus Drittmitteln Bezahlten mit sieben Personen sogar die Mehrzahl der insgesamt 31 wissenschaftlichen Beschäftigten.[5] Rassistisch bedingte Entlassungen sind für das KWIE aber nicht nachweisbar. Es ist möglich, dass sich im Umfeld des KWIE jüdische Wissenschaftler und Ingenieure befanden und diese von Maßnahmen der Verdrängung und Verfolgung betroffen waren. Es gab in der Stahlindustrie jüdische Verfolgte. So war der Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh), der Hauptfinanzier des KWIE, nach 1933 von (Selbst-)„Gleichschaltung“ und personeller „Säuberung“ betroffen. Es wurde außerdem die „Entjudung“ bzw. „Arisierung“ der Mitglieder vorangetrieben. Hierbei wurden die Bestimmungen des Berufsbeamtengesetzes angewendet, obwohl diese sich eindeutig nur auf den öffentlichen Dienst bezogen. Bisher ist nicht bekannt, wie viele jüdische oder politisch Verfolgte aus dem VDEh gedrängt wurden.[6] Anders als andere berufsständige Organisationen wurde der VDEh in der NS-Zeit nicht aufgelöst, sondern wurde 1937 in den NSBDT überführt. Ab 1934 wurde die Einführung des Führerprinzips durch entsprechende Satzungsänderungen vorbereitet. Auch der „Arierparagraph“ wurde in die Satzung übernommen.[7] Auf Maßnahmen politischer Verfolgung, die auf dem Berufsbeamtengesetz beruhten, gibt es für das KWIE keine Anhaltspunkte. Den überwiegend privat finanzierten Instituten war eine Befragung über die Zugehörigkeit ihrer Angestellten zur kommunistischen Partei, zur sozialdemokratischen Partei und anderen Organisationen im August 1933 erstmals angeordnet worden. Abgefragt wurden außerdem die Zugehörigkeit zu Hilfs- und Ersatzorganisationen, ferner Zugehörigkeit zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, dem Republikanischen Richterbund, der Liga für Menschenrechte und der Eisernen Front.[8] Entsprechende Erklärungen der KWI-Direktionen an die KWG sind allerdings nicht überliefert, und es können für das Düsseldorfer Institut auch in diesem Fall keine Entlassungen nachgewiesen werden. Hierzu fehlen insgesamt aussagekräftige Unterlagen. Die Personalakten des KWIE für die 1930er und 1940er Jahre wurden vor wenigen Jahren vernichtet. Aus Unterlagen zur Wiedergutmachung oder Entschädigung - wie in der Bundeszentralkartei Bezirksregierung Düsseldorf oder im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen - geben ergeben sich keine Hinweise. Für eine Suche dort sind konkrete Hinweise auf die Namen von Geschädigten unerlässlich.

Neueinstellungen bei Instituten der KWG nach 1933

Die künftige Neueinstellungspolitik aller Institute der KWG wurde auf der Grundlage des Berufsbeamtengesetzes reglementiert. Im November 1933 sicherte die Generalverwaltung der KWG dem Innenministerium zu, dass in der KWG zukünftig nur noch sogenannte „Arier“ eingestellt würden.[9] Auch gab der Generaldirektor der KWG im November 1933 bekannt, dass bei der KWG und ihren Unternehmungen nur noch als Angestellter und Arbeiter eingestellt werden durfte, wer „jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintritt.“ Weiter hieß es: „Wer nichtarischer Abstammung oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet ist, darf als Angestellter oder Arbeiter nicht eingestellt werden.“[10] Außerdem wurde die Beschäftigung ausländischer Wissenschaftler an den KWI nach 1933 untersagt, außer es lagen besondere Genehmigungen vor.[11] Allerdings gab es 1933 am KWIE keine Wissenschaftler ohne deutsche Staatsangehörigkeit, und es ist auch für den Zeitraum nach 1933 nicht zu vermuten. So meldete das Institut an die Hauptverwaltung: „z. Zt. nur Deutsche im Institut beschäftigt“.[12] Für politisch motivierte Entlassungen auf der Grundlage des Berufsbeamtengesetzes gibt es, wie erwähnt, keine konkreten Belege. Es gibt Hinweise, dass mehrere Mitarbeiter, die vor 1933 der SPD und anderen Oppositionsparteien angehört hatten, auch nach 1933 beschäftigt und eingestellt wurden. Ein Beispiel hierfür ist etwa der Dreher Hermann Wolfram, der am 19. Dezember 1902 in Düsseldorf geboren worden war. Seit dem 28. Juli 1920 war beim KWIE als Dreher beschäftigt. Im Zuge seiner Entnazifizierung gab er an, bis zum März 1933 der SPD angehört zu haben. Während der NS-Zeit war er seit dem Jahr 1934 Mitglied der DAF. Weiterhin engagierte er sich „im Fußballklub ‚Fortuna‘ seit 1923 bis heute“, weshalb er offensichtlich nach 1933 automatisch auch dem NS-Reichsbund für Leibesübungen angehörte.[13] Über Otto Blume, der ab 1937 am KWIE tätig war, heißt es, er sei vor 1933 KPD-Mitglied gewesen.[14] Dennoch wurde er beim KWIE eingestellt.

Vereinzelte politische Repressionen

Einzelfälle politischer Repression gab es am KWIE. So wurde noch im Februar 1945 eine Angestellte des KWIE bei der Gestapo angezeigt, woraufhin diese verhaftet wurde. „Treibende Kräfte“ zu dieser Anzeige waren Willy Oelsen und Peter Göbbels, die Vorgesetzten der betroffenen Rosel Eckholt, sowie Institutsleiter Wever.[15] Nach dem Krieg wurde Göbbels ferner vorgeworfen, dass er die Belegschaft des KWIE bespitzelt und Informationen an die Gestapo weitergegeben habe.

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 69; Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 378 f.
  2. Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 379.
  3. Vgl. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 50-55; Reichsgesetzblatt 1933, Teil 1, Nr. 34, S. 175 f.
  4. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 70.
  5. Vgl. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 1082/1-23; Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 71.
  6. Maier: Der VDEh, S. 139-152.
  7. Vgl. VDEh, Aa 40 Bd. V 1936-1947, Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes, 11.12.1945. Siehe auch: Mock,: Emigration und Exil, S. 4f.
  8. AMPG, Abt. I, Rep. 20, Nr. 3, Schreiben von Glum an die Direktoren der Kaiser-Wilhelm-Institute, 30.09.1933.
  9. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 380.
  10. AMPG, Abt. I, Rep. 20, Nr. 3, Generaldirektor der KWG an Direktor des KWI für Deutsche Geschichte, 21.11.1933.
  11. Rürup/Schüring: Schicksale und Karrieren, S. 61 f.
  12. Vgl. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 1082, Schreiben des KWIE an die KWG, 24.04.1933. Siehe auch: AMPG, Abt. I, Rep 16, Nr. 36, Schreiben von Körber an Telschow (KWG-Generalverwaltung), 03.08.1938.
  13. NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66068, Entnazifizierungsakte Hermann Wolfram, Fragebogen des Military Government, 28.07.1945.
  14. Vgl. LAV NRW, NW 1010-16117, Entnazifizierungsakte Otto Blume; LAV NRW, NW 1010-12781, Entnazifizierungsakte Otto Blume.
  15. LAV NRW, NW 1002-I-23403, Entnazifizierungsakte Franz Wever, Schreiben von Karl Schönfelder an den Entnazifizierungsausschuss für den Stadtkreis Düsseldorf, Clausthal-Zellerfeld, 12.09.1948.