Übersicht: Autarkie- und Rüstungsforschung

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Am 28. März 1934 schrieb Albert Vögler an Reichsinnenminister Frick, dass der Neubau des KWIE „das erste große wissenschaftliche Institut“ sei, „das nach der Übernahme der Regierung Hitler gebaut“ werde...
... In diesem Kontext wies er auch auf die wachsende Bedeutung der Autarkie- und Rüstungsforschung durch Aufträge von Reichswehrministerium, Reichsmarine und Reichsluftfahrtministeriums hin.

Nach 1933 wurde die Autarkie- und Rüstungsforschung das zentrale Forschungsfeld des KWIE. Vertreter der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) hatten nach der NS-„Machtübernahme“ die Einbindung verschiedener Kaiser-Wilhelm-Institute in den Dienst der „Wiederwehrhaftmachung“ Deutschlands forciert. Die Bedeutung, die dem KWIE seitens der Industrie, des Militärs und der nationalsozialistischen Regierung beigemessen wurde, zeigte sich unter anderem an den hochrangigen Teilnehmern der Festivitäten zur Grundsteinlegung des neuen Institutsgebäudes 1934 und zur Einweihungsfeier 1935.

Zugleich war die Wiederaufnahme der Baupläne eine Konsequenz der inzwischen deutlich verbesserten finanziellen Grundlagen des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) und somit auch der des KWIE. Hintergrund bildete der wirtschaftliche Aufschwung der Stahlindustrie nach 1933. Das KWIE erhielt nach der NS-„Machtübernahme“ zunehmend staatliche Aufträge. Neben Arbeiten der Erzaufbereitungsabteilung und im Bereich der Werkstoffforschung blieb in den folgenden Jahren die Forschungstätigkeit für das neu gegründete Reichsluftfahrtministeriums (RLM) und in diesem Zusammenhang die Einbindung in den Forschungsverbund der Vereinigung für Luftfahrtforschung (VFL), der späteren Lilienthalgesellschaft, und später der Deutschen Akademie der Luftfahrtforschung (DAL) wichtig.

Rüstungsforschung im Rahmen des Vierjahresplans ab 1936

Mit der Verabschiedung des Vierjahresplans 1936 intensivierte das NS-Regime seine Rüstungs- und Autarkiebestrebungen weiter. Die rüstungsrelevante Forschung wurde verstärkt koordiniert, etwa auf Initiative des Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe seit 1936 oder durch den 1937 begründeten Reichsforschungsrat (RFR). Zahlreiche Forschungsprojekte am KWIE standen nun im Kontext des Vierjahresplans. Die Zunahme von Forschungsaufträgen für das Rohstoffamt sowie für RLM, Kriegsmarine und Rüstungsindustrie resultierte unter anderem in steigenden Mitarbeiterzahlen und in verbesserter apparativer Ausstattung. Zudem stiegen die Haushaltsmittel des KWIE stetig an. Weiteres Indiz für den Aufschwung des Instituts während des „Dritten Reichs“ ist, dass es seit 1937/38 Bestrebungen zu einem weiteren Ausbau des Instituts gab. Von Behördenseite wurde jedoch nach Kriegsbeginn ein Baustopp verhängt und so konnten die bereits konkret geplanten Bauvorhaben nicht umgesetzt werden. Damit war die Kriegswichtigkeit des KWIE zwar keineswegs in Frage gestellt, doch stand in der kriegsbezogenen Priorisierung des zuständigen Generalbevollmächtigten Fritz Todt der Ausbau eines Forschungsinstituts nicht an oberster Stelle, wenn es um die Verteilung knapper Arbeitskräfte und Rohstoffe ging.

Die ersten Kriegsjahre

Die Bedeutung des Instituts für Kriegswirtschaft und Aufrüstung wurde durch die Ernennung des KWIE zum „Wehrwirtschaftsbetrieb“ im Jahr 1940 unterstrichen. Das Institut wurde noch stärker in den Forschungsverbund des RLM involviert, außerdem übernahmen Wissenschaftler des KWIE Positionen in den neu gegründeten „Erfahrungsgemeinschaften“ des Munitionsministeriums. Das Institut führte in diesem Rahmen verschiedene Projekte durch. Auffällig ist die hohe Zahl von Aufträgen mit den Dringlichkeitsstufen „sehr schnell“ und „schnell“, die das KWIE nun für das Oberkommando des Heeres (OKH) und das RLM bearbeitete. Das KWIE betrieb seine Forschungen auch im Kontext der deutschen Besatzungsherrschaft. Insbesondere für die Erzabteilung kann eine direkte Forschungstätigkeit im eroberten und besetzten europäischen Ausland nachgewiesen werden. Zentrale Bedeutung für das KWIE erlangte etwa eine Großversuchsanlage, die von den Vereinigten Oberschlesischen Hüttenwerken im besetzten polnischen Praschkau errichtet worden war. Ferner berieten Wissenschaftler des KWIE die deutsche Schwerindustrie etwa im besetzten Tschechien, in Polen, der Ukraine und Frankreich in wissenschaftlich-technischen Fragen.

Die Rüstungsrelevanz des Instituts zeigte sich nicht zuletzt an zahlreichen Kriegsverdienstauszeichnungen, die Mitarbeiter des KWIE 1942 erhielten, sowie an einer trotz – oder wegen – des Kriegs sehr positiven Entwicklung der Institutsfinanzen. Die Zahl der Beschäftigten stieg während des Kriegs weiter deutlich an, allerdings wurden zugleich zahlreiche Mitarbeiter – darunter auch Wissenschaftler – zum Wehrdienst eingezogen. Ferner erweiterte das Institut seine Räumlichkeiten durch den Bau zweier Holzbaracken für das Magnetlabor und das Versuchswalzwerk, welches als „Beutegut“ aus dem besetzten Polen an das KWIE gelangte.

Die Phase des „Totalen Kriegs“ ab 1943

In den letzten Kriegsjahren 1943 bis 1945, der Phase des „Totalen Kriegs“, nahm die Bedeutung des KWIE weiter zu. Dies zeigte sich etwa an der Integration des Instituts in das von Albert Speer installierte Ausschuss- und Ringsystem und daran, dass Institutsdirektor Körber zum Fachspartenleiter im Reichsforschungsrat ernannt wurde. Das KWIE und seine Wissenschaftler agierten also nicht nur als reine Auftragnehmer oder gar Befehlsempfänger. Vielmehr waren sie als Experten der Eisen- und Metallforschung in verschiedene Forschungsverbünde und Gremien der Rüstungssteuerung vertreten.

Für das RLM nahm das KWIE Untersuchungen an den Ventilfedern erbeuteter Flugzeugmotoren vor. Verschiedene Tests wurden unter anderem an Patronenhülsenstahl durchgeführt. Ferner erprobte man eigens am Institut entwickelte Titanstähle als Werkstoff für Maschinengewehrläufe. Für das Adolf-Hitler-Panzerprogramm wurde an Leistungssteigerungen in der Herstellung gearbeitet. Nach Bombentreffern wurde durch das Rüstungsministerium unter Speer die Verlagerung großer Teile des Instituts nach Clausthal an die dortige Bergakademie Clausthal angeordnet. Auch Personalentwicklung und Finanzausstattung zeigen, dass das KWIE nochmals an Bedeutung in den letzten Kriegsjahren gewonnen hat.

Das Jahr 1944 brachte bei den Einnahmen eine Steigerung von mehr als 100.000 RM gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Mitarbeiter nahm auch in den letzten Kriegsjahren weiter zu. Insgesamt hatte sich die Mitarbeiterzahl in den über zehn Jahren seit 1933 mehr als verdoppelt. Zugleich hatte der Krieg Auswirkungen auf die Zahl der anwesenden Mitarbeiter. So waren 1944 knapp ein Drittel der Mitarbeiter zum Wehrdienst eingezogen. Die Forschungstätigkeit war durch Bombenschäden, Verlagerung und Kriegsdienst der Mitarbeiter offenbar nur zeitweise gehemmt. Noch im März 1945 – also in den letzten Kriegswochen – beantragte Direktor Franz Wever die Verlängerung von zahlreichen laufenden Forschungsaufträgen, die dem Institut von der Fachsparte Eisen und Stahl im RFR übertragen worden waren.

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