Zusammenarbeit mit dem Rohstoff- und Devisenstab

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Am 29. Oktober 1936 fand eine vom Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe einberufene Sitzung am KWIE über Eisen, Nichteisenmetalle und Aufbereitungs- und Lagerfragen statt. ...
... Teilnehmer waren unter anderem Peter Bardenheuer, Friedrich Körber und Franz Wever.

Gründung des Rohstoff- und Devisenstabs

Im Frühjahr 1936 wurde der Rohstoff- und Devisenstab, der Anfang Mai 1936 seine Arbeit aufnahm, unter der Leitung Hermann Görings eingerichtet. Er wurde allgemein „Rohstoffamt“ genannt. Göring sollte im Auftrag Hitlers Maßnahmen zur Sicherung der devisengestützten Finanzierung und der Rohstoffbasis für die geplante Aufrüstung treffen. Dabei ging es vor allem darum, den Import teurerer Rohstoffe zugunsten von im Inland produzierten Ersatzstoffen zu drosseln.[1]

Innerhalb des Rohstoff- und Devisenstabs war der Rohstoffstab unter Oberst Fritz Loeb für die Bearbeitung der Rohstofffragen zuständig.[2] Wesentliche Aufgabe war es, die Erforschung und Entwicklung deutscher Roh- und Werkstoffe zu organisieren und zu finanzieren. Die Abteilung „Forschung und Entwicklung“ des Rohstoffamts unter dem Chemiker und Vorstandsvorsitzenden des IG-Farben-Konzerns Carl Krauch widmete sich der Aufgabe, die Kooperation mit Industrie und Wissenschaft zu forcieren und die deutschen Forschungseinrichtungen hier einzubinden. Krauch, der zugleich mit dem Aufbau des Metallreferats im Rohstoffstab betraut wurde, maß dabei der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) eine hohe Bedeutung zu.[3]

Mit dieser neuen wissenschaftspolitischen Institution wurden Militär, Industrie, politisch-staatliche Institutionen und Wissenschaften zusammengeführt. Besonders für die sogenannte „Ersatzstoffforschung“ nahm das Amt eine Schlüsselstellung ein. Rüdiger Hachtmann bezeichnet das Amt als „Kernelement des militärisch-industriell-wissenschaftlichen Komplexes“ während des „Dritten Reichs“.[4] Als Forschungskoordinator des Amts fungierte auf Initiative Krauchs ab Juli 1936 Ernst Telschow – zu dieser Zeit noch stellvertretender Direktor der KWG-Generalverwaltung, dann ein Jahr später deren Generalsekretär.[5] Durch ihn erhielt die KWG Gewicht innerhalb des Rohstoffamts.

Mehrere Institute der KWG wurden bald systematisch einbezogen. Um sich ein Bild des vorhandenen wissenschaftlichen Potentials zu verschaffen, wandte sich Telschow an verschiedenen Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI), so auch an das KWIE[6] Mitte Juli 1936 trat Telschow mit Direktor Körber in Kontakt und informierte ihn über das Vorhaben, das KWIE gemeinsam mit anderen Instituten und führenden Wissenschaftlern in Forschungsarbeiten einzubeziehen, die im Wesentlichen den „Ersatz von Rohstoffen“ zum Ziel hatten. Das KWIE solle sich mit „Fragen des Metallersatzes und besonders hierbei Eisen“ befassen. Ziel sei die gesteigerte Verhüttung deutscher Eisenerze und die Reduzierung der Einfuhren.[7] Aus einem Schreiben des Leiters des Rohstoffstabs, Loeb, geht hervor, dass Körber sich kurz darauf zur Mitwirkung bereit erklärte hatte.[8] Neben dem KWIE erklärten die KWI für Lederforschung, Metallforschung, physikalische Chemie und Elektrochemie, Silikatforschung, Züchtungsforschung sowie die Institute für Kohlenforschung in Mühlheim und Breslau ihre Bereitschaft mit der Forschungsabteilung des Rohstoff- und Devisenstabs zusammenzuarbeiten.[9]

Das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe als Vorstufe zum Vierjahresplan

Die Arbeiten des Göringschen Rohstoff- und Devisenstabs waren inhaltlich und personell eine direkte Vorstufe zum 1936 verkündeten Vierjahresplan. Der Vierjahresplan sollte – durch Weiterführung der vom Rohstoff- und Devisenstab angestoßenen Maßnahmen – die deutsche „Wehrwirtschaft“ binnen vier Jahren „kriegsfähig“ und „blockadefest“ machen.[10] Der Rohstoff- und Devisenstab wurde in Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, ebenfalls kurz Rohstoffamt, umbenannt. Im Rahmen der neuen Vierjahresplan-Organisation, die ebenfalls von Göring geführt wurde, stieg das Rohstoffamt unter der Führung Loebs zur wichtigsten Instanz auf.[11] Im Zuge der Umstrukturierung für den Vierjahresplan wurde das Rohstoffamt in die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau (RWA) umgewandelt.[12]

Die RWA wiederum wurde im Dezember 1939 durch einen Erlass Hermann Görings in Reichsamt für Wirtschaftsausbau umbenannt und zum entscheidenden Exekutivorgan der Vierjahresplan-Behörde ausgebaut. Die Leitung übernahm nunmehr Carl Krauch, der mit der KWG als Senator und Erster Schriftführer eng verbunden war.[13]

Die Rolle des KWIE im Rohstoff- und Devisenstab und im Rohstoffamt

Bald nach Erlass des Vierjahresplans standen erste Konferenzen und Planungen im Bereich der Eisen- und Metallforschung auf der Tagesordnung, in die das KWIE federführend eingebunden war. So fand die vom Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe einberufene Sitzung „über Eisen, Nichteisenmetalle und Aufbereitungs- und Lagerfragen“, an der unter dem Vorsitz Telschows über 30 Vertreter von Hochschulen, der KWG und der Wirtschaft teilnahmen, am 29. Oktober 1936 in den Räumen des KWIE statt.[14] Telschow wies – die Sitzung einleitend – auf die Aufgaben des Amts im Rahmen des Vierjahresplans hin. In der Niederschrift zur Sitzung heißt es konkret: „Die Durchführung dieser Arbeiten erfordere eine gewisse Planung und Steuerung in der Bearbeitung der wissenschaftlichen Probleme bei allen Forschungs-Instituten.“[15] Aufgabe der Sitzung war es, zunächst festzustellen, welche Probleme auf den Gebieten Eisen, Nichteisenmetalle, Aufbereitungs- und Lagerfragen besonders vordringlich seien. Im Anschluss daran sollte eine Liste derjenigen Persönlichkeiten und Institute aufgestellt werden, „die für die Bearbeitung dieser Probleme auf Grund ihrer besonderen Fachkenntnisse, Erfahrungen und Institutseinrichtungen in Frage kämen“.[16]

Die Wahl des KWIE als Veranstaltungsort zeigt an, welche Bedeutung Telschow und das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe dem Institut bei der Umsetzung des Vierjahresplans beimaßen. Zudem stellten die Wissenschaftler des KWIE mit Friedrich Körber, Walter Luyken, Franz Wever und Peter Bardenheuer die zahlenmäßig größte Delegation unter den insgesamt 34 Sitzungsteilnehmern, gefolgt von der TH Aachen und der TH Berlin mit jeweils drei Vertretern. Von anderen Instituten der KWG (KWI für Silikatforschung und KWI für Metallforschung) war jeweils ein Vertreter in Düsseldorf erschienen.[17] Zu vielen Fragen und Problemen, die formuliert wurden, konnte das KWIE Lösungsvorschläge beitragen.[18] So forschten die Wissenschaftler des Instituts forciert insbesondere zur Klärung der Gesetzmäßigkeiten der Eisengewinnung, die Möglichkeiten der Einsparung von Koks und die Aufbereitung der armen Erze zur Steigerung der Güte des Stahls. Außerdem wurden die Anwendung von Legierungen und Zusätzen auf heimische Rohstoffe, die Verwendbarkeit von Ersatzstoffen und die Verbesserung der Erzeugungsverfahren erforscht.[19]

Forschungen im Bereich Erzaufbereitung

Das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe hatte in der Vorbereitung bereits Probleme benannt, „die auf Grund der vorhandenen Unterlagen vom Amt als besonders wichtig bezeichnet“ wurden, und über die eine Aussprache stattfinden sollte.[20] Einige davon waren, so ein Ergebnis der Besprechung, bereits geklärt. Dies galt beispielsweise für das Problem „Aufarbeitung armer deutscher Eisenerze“. Dazu hieß es im Protokoll: „Es liegen zurzeit keine Aufgaben vor, deren wissenschaftliche Erforschung im Rahmen des Vierjahresplanes als besonders dringlich anzusehen sind. Die industriellen Vorarbeiten sind bereits vorgeschritten. Das Problem als solches kann gestrichen werden, da es sich schon im technischen Stadium befindet.“[21]

Generell war die massive Erhöhung der Erzförderung und Stahlerzeugung eine der zentralen Prioritäten des Vierjahresplans.[22] Die wissenschaftliche Forschung hierzu war aber bereits etabliert und fortgeschritten – insbesondere im Rahmen der Erzaufbereitungsabteilung des KWIE. Spezielle Forschungsfragen der Erzaufbereitung waren aber für den Vierjahresplan noch zu bearbeiten. Aus dem Themenkomplex „Gewinnung und Aufbereitung“ sollte etwa die Forschung zur Frage, wie Manganmetall aus armen Erzen durch Elektrolyse gewonnen werden kann, forciert werden. Bei der Gewinnung von Vanadium sollte vor allem eine höhere Wirtschaftlichkeit erzielt werden, wobei im Sitzungsprotokoll noch die heute veraltete Bezeichnung „Vanadin“ benutzt wurde. Die Aufbereitung verschiedener Erze, unter anderem die von geringwertigen Wolframerzen, war ebenfalls ein wichtiges Thema für die Zukunft.[23]

Weitere Forschungsgebiete

Darüber hinaus wurde eine Vielzahl weiterer Themen diskutiert: Aus dem Themenbereich der „Ersatzstoffforschung“ sollten künftig besonders der Ersatz von Wolfram und Chrom durch Vanadium, der Ersatz von Messinglegierungen, der Ersatz von Blei in Rostschutzanstrichen und der Ersatz von Kupfer in Schädlingsbekämpfungsmitteln weiterbehandelt werden.[24] Fragen zu „verschiedenen Legierungen“ waren ein weiterer wichtiger Punkt. Leichtmetalllegierungen wurden als Ersatz für Lagermetalle angedacht. Ebenso sollten die Entwicklung und Herstellung einer kupferfreien Leichtmetalllegierung weiterbearbeitet, Untersuchungen zu Titan in Stahl und der Legierungsmöglichkeit von Niob durchgeführt und zinnarme oder zinnfreie Lagermetalle entwickelt werden. Geforscht werden sollte außerdem zu binären und tertiären Stählen, die Vanadium enthielten.[25]

Im Bereich der „Oberflächenbehandlung“ sollten verschiedene Probleme verstärkt untersucht werden. Insgesamt war das Ziel, die Oberflächenbehandlungsverfahren zu verbessern. Ebenso beabsichtigte man durch die Oberflächenbehandlung eine Verbesserung des Verschleißwiderstands von Eisen und Stahl zu erreichen. Hinzu kam eine Reihe weiterer Probleme, die zu behandeln waren. Dazu zählten unter anderem das Schweißen und Löten, die Untersuchung der Gleichgewichte bei der Verhüttung und einige keramische Probleme.[26]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Petzina: Autarkiepolitik, S. 40-43; Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 286 f.
  2. Petzina: Autarkiepolitik, S. 66. Siehe auch: Flachowsky: Reichsamt für Wirtschaftsausbau.
  3. Maier: Forschung als Waffe Bd. 1, S. 424 f., S. 430.
  4. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, Göttingen 2007, S. 287.
  5. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 288.
  6. Maier: Forschung als Waffe Bd. 1, S. 424-426.; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 179.
  7. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 2891, Schreiben von Telschow an Körber, 15.07.1936.
  8. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 2891, Schreiben von Loeb an Körber, 22.07.1936. Siehe auch: Flachowsky: Alle Arbeit, S. 179.
  9. Maier: Forschung als Waffe Bd. 1, S. 428.
  10. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 571. Vgl. Petzina: Autarkiepolitik, S. 91.
  11. Petzina: Autarkiepolitik, S. 40 f.
  12. MPIE, 24-1-00-2, Schreiben von Körber an den Leiter der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau, 30.09.1939.
  13. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 288-290.
  14. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  15. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  16. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  17. Flachowsky: Alle Arbeit, S. 180.
  18. Lübke: Rohstoffwunder.
  19. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  20. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  21. Vgl. Petzina: Autarkieforschung, S. 86 f.
  22. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  23. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  24. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  25. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.
  26. MPIE, 24-1-00-2, Niederschrift der Sitzung, 29.10.1936.