Personalpolitik ab 1947

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Wachsende Mitarbeiterzahl und Wiedereinstellungen

1946 lag die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter am KWIE bei zwölf. Das übrige Personal betrug damals 48 Mitarbeiter. 1946 war ein einziger Doktorand am Institut tätig, 1947 waren es 2 Doktoranden. 1947 erhöhte sich die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter auf 16. Die Erhöhung des Personalbestands resultierte vor allem aus dem Wiederaufbau der Laboratorien in Düsseldorf. Die Zahl des sonstigen Personals lag in diesem Jahr bei 46. In diesem Jahr gab es zusätzlich erstmals wieder eine Veröffentlichung seitens des Instituts.[1]

1947 nahm das Institut insgesamt acht Neuanstellungen von wissenschaftlichen Mitarbeitern vor. Bei fünf von ihnen handelte es sich um „nach Kriegsende ausgeschiedene wissenschaftlichen Mitarbeiter“. Sie wurden – wie es in einem Tätigkeitsbericht über das Kalenderjahr 1947 heißt – „nach Abschluss ihrer politischen Überprüfung wieder eingestellt“. Allerdings wurde keiner derjenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter, die Direktor Franz Wever zum 1. Januar 1946 entlassen hatte, wieder angestellt, sondern ausschließlich jene, die Ende 1945 aufgrund ihrer politischen Belastung auf Anordnung der Alliierten aus dem Institut entfernt worden waren. Dabei handelte es sich um Willy Oelsen, der zum 1. Januar 1947 eingestellt wurde, Alfred Krisch und Max Hempel zum 1. Mai 1947, Heinrich Ploum, der einen Monat später wieder eingestellt wurde, sowie Wilhelm Schlüter, der am 1. Juli eingestellt wurde, aber das Institut zum Jahresende wieder verließ.[2] Die meisten der wiedereingestellten Mitarbeiter waren zuvor als „Mitläufer“ eingestuft worden. Neben Oelsen galt dies z.B. auch für die Laboratoriumsleiter Krisch und Hempel. Krisch wurde 1947 trotz NSDAP- und SA-Mitgliedschaft (letzteres bis 1935) als nur formal belastet bewertet. Der deutsche Entnazifizierungsausschuss bat die britischen Behörden die Entlassung durch die Militärregierung rückgängig zu machen und Krisch wieder in sein Amt zu setzen.[3]

Angelica Schrader

Drei der 1947 neu angestellten Wissenschaftler waren bisher nicht am Institut beschäftigt gewesen. Neu eingestellt wurden: Dr. Koch zum 01.09.1947, Frl. Dr. Schrader zum 01.04.1947, Dr. Jellinghaus zum 01.08.1947. Es schieden aus: Dr. Schwaigerer, Eintritt 02.09.1946, Austritt 30.09.1947, und Dr. Schlüter[4] Darunter war Angelica Schrader, die zum 1. April 1947 ins Institut eintrat und dort bis zu ihrer Pensionierung Mitte der 1960er-Jahre tätig blieb.[5] Schrader gilt als die erste Metallographin Deutschlands. Sie war ab 1909 im metallographischen Labor des Instituts für Metallkunde der TH Berlin tätig und genoss einen exzellenten wissenschaftlichen Ruf. Dort arbeitete sie unter Prof. Heinrich Hanemann, dem Vorsteher des Instituts für Metallkunde der TH Berlin. Hanemann wurde bereits 1927 NSDAP-Mitglied und sammelte als Studenten und Assistenten bevorzugt SS-Leute um sich.[6] Schrader promovierte 1937 an Hanemanns Lehrstuhl. Sie war ebenfalls der NSDAP beigetreten.

Nach Kriegsende wurde Schrader aufgrund ihrer Belastung aus der TH Berlin entlassen. Das KWIE bekundete damals großes Interesse an einer Beschäftigung Schraders. Wie aus der damaligen Korrespondenz hervorgeht, war man sich am Institut der NS-Belastung Schraders bewusst und überlegte, wie sie dennoch ans KWIE geholt werden könnte, um dort den Bereich Metallographie zu stärken.[7] Die Anstellung Schraders lag Wever besonders am Herzen. Schrader sollte in die Erstellung der Berichte für die Field Intelligence Agency, Technical (FIAT), eine der alliierten Wissenschaftsmissionen, einbezogen werden, womit nach Ansicht Wevers ihre Chancen auf eine Entnazifizierung und Entlastung gesteigert würden. In einem Schreiben Wevers hieß es etwa: „Über Fräulein Schrader habe ich gestern mit Herrn Houdremont und Herrn Wiester gesprochen. Wir würden sehr gerne Frl. Schrader zum Institut übernehmen; wenn später einmal Herr Wiester zum Institut kommen sollte, würde damit die Voraussetzung geschaffen sein, die Metallographie noch einmal auf eine ganz neue Grundlage zu stellen. Leider steht aber die politische Belastung von Frl. Schrader einer derartigen Lösung entgegen, und ich weiss nicht, wie wir über diese Klippe hinwegkommen sollen. Wäre es nicht möglich, daß Sie Frl. Schrader zunächst einmal in irgendeiner Form bei der FIAT-Review einbauten, daß dann in dieser Zeit die politische Überprüfung von Frl. Schrader durchgeführt würde und sie später einmal als politisch überprüft und entlastet zum Institut kommen könnte.“[8]

Willy Oelsen

Das Beispiel Oelsen zeigt, dass sich Wever und das KWIE auch 1946 nicht an die erteilten Arbeitsverbote gehalten hatten. Offiziell war Oelsen nach dem Ende der Internierung aufgrund des Arbeitsverbots nicht nahtlos an das Institut zurückgekehrt. Offiziell wurde er erst wieder nach einer Genehmigung seitens der Alliierten eingestellt, nachdem am 28. Januar 1947 der University Education Officer der Militärregierung gegenüber der Bergakademie Clausthal mitgeteilt hatte, dass Oelsen nach seiner Suspendierung wiedereingestellt werden könne und dass seine Vermögenssperre aufgehoben werde.[9] Die Mitteilung des University Education Officers galt dabei nicht nur für die Wiedereinstellung Oelsens an der Bergakademie, sondern in gleicher Weise auch für seine Stellung am Institut. Sie stütze „sich auf die Entscheidungen des Entnazifizierungsausschusses und von Public Safety“ und habe „daher ganz allgemeine Gültigkeit.“[10] Jedoch hatte Oelsen auch in der Zwischenzeit Tätigkeiten für das KWIE übernommen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass in einer Aufstellung zu Rentenbeiträgen für Oelsen von 1960 der Zeitraum zwischen dem 19. April 1946 und 30. September 1948 als Beschäftigungszeit am KWIE aufgeführt wurde; die Zivilinternierung vom 13. August 1945 bis 18. April 1946 hingegen wurde vom KWIE als „unverschuldete Nichtbeschäftigungszeit“ deklariert.[11]

Parallel zu seiner 1946 offiziell aufgenommenen Tätigkeit für das KWIE war Oelsen im Sommer 1948 auch als Dozent an der Bergakademie tätig. Dort wurde er am 1. Oktober 1948 ordentlicher Professor für Eisenhütten-, Gießerei- und Emaillierwesen und zum Direktor des gleichnamigen Instituts ernannt, womit die Tätigkeit am KWIE endete. Wever und Oelsen unterhielten, wie verschiedene Briefe zeigen, nach Kriegsende ein enges und gutes kollegiales Verhältnis.[12] Im Dezember 1949 erfolgte seine Ernennung zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied des inzwischen in MPIE umbenannten Instituts.[13]

Weitere Wiedereinstellungen

Auch der 1945 entlassene Ferdinand Spies wurde 1948 wieder angestellt.[14] Der frühere Laborant Peter Clasen, der sich am Institut in den 1930er-Jahren einen Namen als sogenannter „Alter Kämpfer“ gemacht hatte – und später dennoch nur als „Mitläufer“ eingestuft worden war – war ab 1949 ebenfalls wieder am Institut tätig.[15] Auch die 1945 im Rahmen der politischen „Säuberung“ des Instituts entlassenen Mitarbeiter wie Eduard Schmeier und Gerhard Euting kamen später wieder an das Institut zurück.[16]

Eine der wenigen nach 1945 aufgrund politischer Belastung Entlassenen, die nicht ihren Weg an das Institut zurückfanden, war der frühere leitende Chemotechniker und langjährige stellvertretende DAF-Betriebsobmann Peter Göbbels. Obwohl im Rahmen der Entnazifizierung ein anfänglich gegen Göbbels verhängtes Berufsverbot wieder aufgehoben und er als „Mitläufer“ eingestuft worden war, erfolgte eine Wiedereinstellung am KWIE auch Anfang der 1950er-Jahre nicht, da laut Wever Göbbels frühere Laborleiterposition inzwischen fest vergeben war.[17] Generell bestanden von Seiten der MPIE-Spitze keine Berührungsängste gegenüber früheren NS-Aktivisten, und eine ablehnende Haltung gegenüber Göbbels herrschte am Institut offenbar nicht vor. Oelsen trat gegenüber Wever sogar als Fürsprecher auf: „Ich möchte das hiermit tun und gleichzeitig die herzliche Bitte aussprechen, sich dieses wirklich tüchtigen Menschen anzunehmen und vor allem an seine treue Einstellung zum Institut zu denken.“[18] Im Antwortschreiben äußerte sich auch Direktor Wever positiv: „Ich habe Herrn Göbbels wegen seiner ausgezeichneten fachlichen Leistungen und seiner Treue zum Institut in bester Erinnerung. […] Wie Sie wissen, war es nach dem Kriege gänzlich ausgeschlossen, Herrn Göbbels beim Institut zu halten.“[19]

Kontinuitäten und Wevers Einstellungspolitik

Diese Aussagen sprechen dafür, dass Wever frühere NSDAP-Parteimitglieder, die zunächst als politisch belastet beurteilt wurden, systematisch ans Institut zurückholte und zum Teil auch neu eingestellte. Währenddessen wurden bedeutende Wissenschaftler wie Peter Bardenheuer oder auch Josef Heyes, die 1945 entlassen worden waren, nicht mehr zurück ans Institut geholt. Zugleich zeigt das Beispiel Oelsen, dass Wever und das KWIE sich auch 1946 nicht an die erteilten Arbeitsverbote gehalten hatten.

Insgesamt betrachtet, wies das KWIE aufgrund der milden Einstufung der Institutsmitarbeiter in den Entnazifizierungsverfahren und aufgrund der Personalpolitik Wevers ein hohes Maß an personeller Kontinuität in der Nachkriegszeit auf. Die Mehrheit konnte ihre berufliche Position am KWIE behalten bzw. ab 1947 in diese zurückkehren.

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Rose/Grandmontagne: Zeittafeln, S. 25.
  2. Tätigkeitsbericht über das Kalenderjahr 1947.
  3. NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66102, Entnazifizierungsakte Alfred Krisch, Stellungnahme des Deutschen Entnazifizierungsausschusses, 04.02.1947, Einreihungsbescheid, 23.12.1947.
  4. AMPG, Abt. II, Rep. 66, Nr. 989/3, Tätigkeitsbericht über das Kalenderjahr 1947.
  5. Nachruf auf Angelica Schrader (Stahl und Eisen 96), S. 519.
  6. Maier: Forschung als Waffe Bd. 1, S. 468. Siehe auch: Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 843.
  7. MPIE, 3-0-39, Diverse Schreiben zu Angelica Schrader, ihrer Parteibelastung und Anstellung am KWIE, 1946.
  8. MPIE, 3-0-39, Schreiben von Wever an Prof. Hansen, 30.10.1946.
  9. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Schreiben der Militärregierung an den Rektor der Bergakademie, 28.01.1947; NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 20097, Entnazifizierungsakte Willy Oelsen, Fragebogen des Military Government, 10.05.1947.
  10. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Notiz zur Besprechung mit Mr. Rowton, Res. Branch Göttingen am 14. April 1947.
  11. AMPG, Abt. II, Rep. 0001A, Personalia: Oelsen, Willy Bd. 1.
  12. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, verschiedene Schreiben.
  13. Rose/Grandmontagne: Zeittafeln, S. 26. Siehe auch auch: AMPG, Abt. II, Rep. 0001A, Personalia: Oelsen, Willy Bd. 1; MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen (I), Lebenslauf.
  14. LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Schreiben von Spies an den Entnazifizierungsausschuss Düsseldorf – Berufungsausschuss, 13.12.1948.
  15. LAV NRW, NW 1002-I-73702, Entnazifizierungsakte Peter Clasen, Bescheinigung des KWIE, 18.07.1949.
  16. Max-Planck-Institut für Eisenforschung: Bericht über die Jahre 1965 bis 1970, S. 289.
  17. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Schreiben von Wever an Oelsen, 21.01.1953.
  18. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Schreiben von Oelsen an Wever, 16.01.1953.
  19. MPIE, ohne Signatur, Personalakte Professor Oelsen, alte Akte, Schreiben von Wever an Oelsen, 21.01.1953.