Geschichte des Animationsfilms

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Ausschnitt aus dem 1935 realisierten Film „Das Märchen vom Neubau“. Der Animationsfilm wurde eigens für den Neubau des KWIE-Institutsgebäudes produziert.
Institutsdirektor Friedrich Körber wird angesichts der zahlreichen Entwürfe und Planungen zum Neubau ohnmächtig.

Die Vorläufer des Animationsfilms

Die Wurzeln des Animationsfilms finden sich noch vor der Erfindung der Fotografie und der daraus resultierenden Entwicklung des Films. Der Begriff „Animation“ leitet sich vom lateinischen Verb „animare“ ab. Dies bedeutet so viel wie beleben, beseelen oder in etwas Lebendiges verwandeln.[1] Mit der Laterna magica, die im 17. Jahrhundert aufkam und die sich verschiedenen Erfindern zuschreiben lässt, konnten verschiedene Erscheinungen projiziert werden. Zusammen mit seltsamen Geräuschen und künstlich erzeugtem Nebel konnte das Volk etwa auf Jahrmärkten in Angst und Schrecken versetzt werden. Durch ein schnelles Verschieben oder Austauschen der Bilder konnten Verwandlungen dargestellt werden. Später bemühten sich zahlreiche Forscher um eine Verbesserung der Laterna magica.[2]

Thaumatrop

Der englische Arzt John Ayrton Paris entwickelte zu Beginn des 19. Jahrhunderts das sogenannte Thaumatrop, womit er einen Versuch zur „Belebung“ von statischen Bildern unternahm. Auf einer kleinen Papierscheibe waren auf beiden Seiten unterschiedliche Zeichnungen, etwa ein Vogel auf der einen und ein Käfig auf der anderen Seite. An den Seiten der Scheibe waren Schnüre angebracht, um die Scheibe schnell drehen zu können. Dabei entstand die Illusion, dass der Vogel im Käfig säße.[3]

Phenakistoskop

Im Jahr 1829 veröffentlichte der Belgier Joseph Ferdinand Plateau eine erste Untersuchung über den sogenannten „Netzhauteffekt“. Plateau hatte festgestellt, dass die Netzhaut des Auges den Eindruck eines Bildes noch für Sekundenbruchteile festhält, sodass ein direkt nachfolgendes Bild mit dem ersten ohne Unterbrechung übergeht. Auf dieser Grundlage entwickelte Plateau 1832 sein Phenakistoskop auch „Täuschungsseher“ oder Lebensrad genannt. Dabei handelte es sich um eine Vorrichtung aus zwei drehbaren runden Scheiben. Auf der einen Scheiben befinden sich am oberen Rand eine Reihe von Zeichnungen, die andere Scheibe ist mit Sehschlitzen ausgestattet. Die beiden Scheiben sitzen auf einer Achse und können mit einer Kurbel in Bewegung gesetzt werden. Wenn man nun einen Blick durch die Sehschlitze wirft, entsteht aus den einzelnen Zeichnungen die Illusion der Bewegung. 1836 legte Plateau die Gesetze des „Stroboskopischen Effektes“ fest, wonach die träge arbeitende Netzhaut die Einzelbilder als solche nicht wahrnimmt, sondern sie miteinander verschmelzen lässt, wodurch die Illusion der Bewegung entsteht.[4]

Zoetop und Praxinoskop

William Horner erfand mit dem Zoetrop ein ähnliches Gerät, welches 1867 als Spielzeug auf den Markt kam. Dabei befinden sich austauschbare Phasenzeichnungen an der Seitenwand einer Trommel, die mit Sehschlitzen ausgestattet ist. Wenn man die Trommel dreht und durch die Sehschlitze blickt, erscheinen die Zeichnungen als bewegtes Bild. Eine weiter entwickelte Wundertrommel nennt sich Praxinoskop, die an der Innenseite zusätzlich über rechteckige befestigte Spiegel verfügte.[5]

Der Franzose Emile Reynaud kombinierte 1877 das Praxinoskop mit einem Projektionsgerät. Er entwickelte dabei das Praxinoskop weiter zum „Théâtre Optique“, für das Reynaud bis zu fünfzig Meter lange Bildbänder aus Gelatinefolien verwenden konnte. Seine Vorführungen wurden mit einer eigens dafür komponierten Musik und verschiedenen Geräuscheffekten begleitet und galten lange Zeit als Attraktion. Sein Werk „Le pauvre Pierrot“ von 1891 gilt als erster Zeichentrickfilm.[6]

Von der bewegten Fotografie zum Film

Parallel fanden verschiedene Entwicklungen im Bereich der Fotografie statt, wobei besonders die Reihenfotografie von Edward Muybridge seit dem Jahr 1878 hervorzuheben ist. Muybridge verband seine Fotografien über Bewegungsabläufe mit dem System der Wundertrommel. Dazu befestigte er Glasdiapositive in der Trommel und verband diese mit einem Projektionsgerät. Mit dieser Apparatur – das Zoopraxiskop – leistete er somit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Kinematographie.[7] Ein weiterer wichtiger Schritt war die Erfindung des Zelluloids als die materielle Basis für den biegsamen Endlosstreifen des Films. Dabei war das Zelluloid ursprünglich als Ersatz für Elfenbein entwickelt worden, wie man es für die Herstellung von Billardkugeln verwendete.[8]

Tachyskop und Kinetoskop

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führten unterschiedliche Erfinder verschiedene Entwicklungen zusammen, aus denen letztendlich der Film entstand. Somit kann kein alleiniger Erfinder benannt werden. Der deutsche Ottomar Anschütz etwa entwickelte 1886/1887 das sogenannte Tachyskop („Schnellseher“): mit lebenden Bildern wurden kleinere Geschichten erzählt und vorgeführt, etwa stolpernde Kellner oder mit Zylindern grüßende Herren. Anschütz verwendete allerdings noch Glasplatten. Technische und ökonomische Probleme verhinderten jedoch seinen Erfolg. Der Engländer William Friese-Green produzierte 1889/1890 erste ruckartige Filmaufnahmen mit Zelluloidfilm. Allerdings gelang es ihm nicht, seine Patente kommerziell auszuwerten. Er starb arm und unbekannt.[9] Thomas Alfa Edison verwendete bereits einen beidseitig perforierten Zelluloidfilm und entwickelte eine neue Aufnahmekamera, mit der er kurze Filme produzierte. Diese Filme hatten Titel wie „Teddy, der dressierte Hund“, „Tanzende Girls“ oder „Polizei hebt eine chinesische Opiumhöhle aus“. Edison bot seine „lebenden Fotografien“ ab 1893 im sogenannten Kinetoskop an. Dabei handelte es sich um eine kleine Maschine mit einem Guckloch für einen einzelnen Betrachter, der dazu einen Nickel einwerfen musste. Es diente also nicht der Vorführung auf einer Leinwand vor einem größeren Publikum.[10]

In den 1890er Jahren existierte in England, Frankreich, Deutschland, den USA, Polen und Russland eine Vielzahl an Apparaten, mit denen die Darstellung bewegter Bilder möglich war und die verschiedene Namen trugen. In deutschen Großstädten und auch im Ausland führten etwa die Brüder Max und Emil Skladanowsky selbst produzierte Filme wie „Italienischer Bauerntanz“ und „Das boxende Känguru“ auf. Die französische Konkurrenz erwies sich jedoch als erfolgreicher. Die Brüder Auguste und Louis Lumière führten am 22. März 1895 in Paris nach einem Vortag über die fotografische Industrie den „ersten Film der Welt“ vor: „Arbeiter verlassen die Lumière-Werke“. Darin wird in einer einzigen langen Einstellung gezeigt, wie sich das Firmentor öffnet und die Arbeiterinnen und Arbeiter herausströmen. Anschließend wird das Fabriktor wieder geschlossen. Von den Zeitgenossen wurde besonders die beeindruckende Lebendigkeit der Wirklichkeit als Ausdruck des Lebens geschätzt. Die Lumière-Brüder produzierten etliche dieser kleinen Filmchen, die häufig nur Sekunden oder Minuten dauerten und Titel hatten wie „Die Ankunft des Zuges“, „Den Hafen verlassende Barke“ oder „Niederlegen einer Mauer“. Den Lumières ging es vor allem um die „perfekte“ Reproduktion der Realität und sie sahen in ihrem Kinematographen immer nur eine Verbesserung der Fotografie. Dennoch erlebte die neue Technik mit dem Kinematographen ihren Durchbruch, außerdem wurde damit der spätere Kinobesuch vorweggenommen. Denn am 28. Dezember 1895 boten die Lumières mit ihrem Gerät eine öffentliche Filmvorführung zum Eintrittspreis von einem Franc an, was für viele als die eigentliche Geburtsstunde des Films gilt.[11]

Wahrscheinlich war der Franzose George Méliès jedoch weitaus bedeutender für die Ausbildung des Films als neuem Medium. Méliès betrieb um die Jahrhundertwende in Paris ein kleines Theater. Nachdem er den Kinematographen der Lumières gesehen hatte, beschloss er, selbst in das Filmgeschäft einzusteigen. Seine Filme unterschieden sich aber deutlich von denen der Lumière-Brüder. Im Gegensatz zu deren dokumentarähnlichen Reproduktionen der Wirklichkeit waren Méliès‘ Filme von der Machart „Zauberfilme“. In seinen Streifen gab es kostümierte Schauspieler, die etwa als Geister oder Teufel in Studios vor Kulissen auftraten. Überhaupt schuf er magische und fantastische Bilder. Méliès produzierte seine Szenen nach einem künstlerisch angeordneten Drehplan und einer narrativen Dramaturgie, auch der Einsatz von Farbe und Begleitton waren keine Seltenheit. Daher gilt der Illusionist Méliès auch als erster Regisseur der Filmgeschichte, der sich dazu noch als Kameramann, Beleuchter, Entwickler, Vorführer und Filmverkäufer usw. betätigte. Zwischen 1860 und 1900 schuf er rund 60 Filme. Sein 15-minütiger Film „Die Reise zum Mond“ – nach Vorlagen Jules Vernes und Herbert G. Wells – aus dem 1902 bedeutete den ersten Höhepunkt der Filmgeschichte.[12]

Die Verbindung von Animation und Film – Pioniere des Animationsfilms

Grundlage für die Verbindung von Animation und Film ist die Technik der Einzelbildschaltung, die unabhängig voneinander von drei Männern aus drei unterschiedlichen Nationen entdeckt wurde. Diese schufen fast zeitgleich auf dieser Basis die ersten Animationsfilme. Der spanische Kameramann Segundo de Chomon soll 1905 in seinem Film „Hotel Electrico“ als erster die Einzeltechnik für eine Sachanimation benutzt haben. Damit ließ er Möbelstücke scheinbar von Geisterhand durch den Raum bewegen.[13]

Ein weiterer Pionier des Animationsfilms war der in England geborene und im Alter von zehn Jahren nach Amerika ausgewanderte James Stuart Blackton. In seinem 1906 entstandenen Film „The Humorous Phases of Funny Faces“ zeichnete er Gesichter mit Kreide auf eine Schiefertafel. Nachdem er diese Zeichnungen jeweils kleinen Veränderungen unterzogen hatte, belichtete er diese Bild für Bild. Bei seinem Film „The Haunted Hotel“ aus dem Jahr 1907 verwendete Blackton keine Zeichnungen, sondern bewegte wie de Chomon Möbel von Geisterhand oder erweckte vor den Augen des ungläubigen Zuschauers Spielzeug und andere Gegenstände zum Leben.[14]

Der Franzose Emile Cohl betätigte sich sehr vielseitig auf dem Gebiet des Animationsfilms. 1908 schuf er seinen ersten eigenen Film „Fantasmagorie“, der aus mehreren hundert einzelbildweise aufgenommenen Metamorphose-Bildern bestand. Danach erschienen von ihm innerhalb weniger Monate mehrere Kurzfilme, die kleine, humorvolle Geschichten mit Strichmännchen erzählten. Im Film „La Bataille d´Austerlitz“ rekonstruierte Cohl etwa mit der Sachtrick-Technik den historischen Schlachtenverlauf anhand einer Kartenanimation. Er erschuf darüber hinaus einige Filme mithilfe der Cut-Out-Technik und mischte Trick- und Realfilm. Auch kreierte er verschiedene Puppenanimationen.[15] Ein paar Jahre später – im Jahr 1914 – schuf der Amerikaner Winsor McCay mit seinem Film „Gertie the Dinosaur“ einen wichtigen Meilenstein im Bereich des Zeichentrickfilms, der bis heute das bekannteste Subgenre des Animationsfilms repräsentiert. Dabei handelt es sich bei „Gertie the Dinosaur“ eigentlich um eine Mischung aus Real- und Zeichentrickfilm. Neben der Dinosaurierdame „Gertie“, die trinkt, isst und ein bisschen tanzt, trat McCay selbst als Dompteur des Tiers – elegant im Frack gekleidet – im Film auf. Mit seinem Werk distanzierte er sich von den eher abstrakt wirkenden Zeichnungen und legte Wert auf die Darstellung der Bewegung und überhaupt auf die Möglichkeiten der Animation. Dies bestand in einer möglichst naturalistischen Wiedergabe und einer inhaltlichen Mischung aus Fantasie, Emotionalität und Spiel. Dabei vermenschlichte McCay den gezeichneten Dinosaurier Gertie – eine Vorgehensweise, die Walt Disney schließlich berühmt und erfolgreich werden ließ.[16]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 24.
  2. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 24.
  3. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 24 f.
  4. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 25.
  5. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 25 ff.
  6. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 26.
  7. Faulstich, Werner: Filmgeschichte, Paderborn 2005, S. 16.
  8. Faulstich, Werner: Filmgeschichte, Paderborn 2005, S. 16.
  9. Faulstich, Werner: Filmgeschichte, Paderborn 2005, S. 16 f.
  10. Faulstich, Werner: Filmgeschichte, Paderborn 2005, S. 19 f.
  11. Faulstich, Werner: Filmgeschichte, Paderborn 2005, S. 20f.
  12. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 70.
  13. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 71 f.
  14. Giesen, Rolf: Lexikon des Trick- und Animationsfilms, S. 96-103.; Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 73-76.
  15. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 77 ff.; Giesen, Rolf: Lexikon des Trick- und Animationsfilms, S. 277 f.
  16. Schoemann, Annika: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, Sankt Augustin 2003, S. 77 ff.; Giesen, Rolf: Lexikon des Trick- und Animationsfilms, S. 277 f.