Eingesetzte Zwangsarbeiter am KWIE

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Aus institutsinternen Unterlagen geht hervor, dass ab Mitte 1942 zivile Zwangsarbeiter am KWIE eingesetzt wurden. Seit dem 24. August 1942 waren zunächst zwei zivile Zwangsarbeiterinnen aus Belgien in der Mechanisch-Technologischen Abteilung beschäftigt.[1] Seit Anfang 1943 wurden darüber hinaus ein niederländischer, zwei französische und sechs russische Zwangsarbeiter im Institut eingesetzt. Unter letzteren befanden sich vier Frauen.[2] Während die russischen Arbeitskräfte im KWIE schlicht als „Ostarbeiter“ geführt wurden, werden die Namen der anderen Ausländer in den Unternehmensakten verschiedentlich erwähnt.

Tätigkeiten der am KWIE eingesetzten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

Das Tätigkeitsprofil der ausländischen Arbeitskräfte war unterschiedlich, wobei nur wenige Einzelheiten überliefert sind. Über die Tätigkeit der belgischen Arbeiterinnen ist bekannt, dass sie in der Werkstatt eingesetzt wurden. In Unterlagen des Instituts zu Krankheit und Fehlzeiten werden zudem Name und Alter der beiden Belgierinnen angegeben. Demnach waren im Januar 1943 Frau van den B. 27 und Frau L. 37 Jahre alt.[3] Die russischen Arbeitskräfte sowie der Niederländer, dessen Nachname gemäß den institutsinternen Akten de B. lautete, waren ebenfalls in der Werkstatt beschäftigt.[4] Im Gegensatz zu den Belgierinnen und den Franzosen wurde der Arbeitseintritt der russischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter am KWIE nicht in den Tätigkeitsberichten erwähnt. Aus den wenigen Unterlagen, die über Krankheit und Fehlzeiten in den institutsinternen Akten existieren, geht hervor, dass alle sechs Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter in der Werkstatt eingesetzt wurden, allerdings ohne namentlich genannt zu werden.[5] Sie waren also mit handwerklichen Aufgaben bzw. mit Hilfstätigkeiten betraut.

Der Franzose Maurice D. arbeitete seit dem 4. Februar 1943 als „Laborant der mech. Abteilung“, André C. seit dem 5. Februar als Laborant im Verschleißlabor.[6] Maurice D. wurde laut der Kriegszeitkartei der Gemeinde Clausthal-Zellerfeld am 17. September 1904 in Paris geboren, sein Beruf wurde auch hier mit „Laborant“ angegeben.[7] Der andere französische Zwangsarbeiter, André Gaston C., wurde am 6. Januar 1922 in Menetou-Ratel geboren, als Beruf wurde für ihn ebenfalls „Laborant“ angegeben.[8] Es handelte sich bei ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach um ausgebildete Facharbeiter, die bereits in ihrem Heimatland eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt hatten.

Der Status der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

Der genaue Status der erwähnten Zwangsarbeiter ist nicht mehr zu klären. In den unternehmensinternen Unterlagen zu Krankheits- und Unfalltagen des Personals wurden die Zwangsarbeiter unter dem Begriff „Ausländer“ gemeinsam mit den anderen Beschäftigten und als Teil der „Gefolgschaft“ aufgeführt – mit Ausnahme der „Ostarbeiter“, die explizit aus der „Gefolgschaftsaufstellung“ herausgenommen waren.[9] Die französischen Laboranten wurden vom KWIE sogar explizit als „Angestellte“ eingruppiert. Es handelte sich wahrscheinlich um zivile Zwangsarbeiter und nicht um Kriegsgefangene. Sie waren möglicherweise im Zuge der sogenannten „Sauckel-Aktionen“ nach Düsseldorf gelangt, die die deutschen Arbeitseinsatzbehörden unter dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel ab 1942 in Frankreich vor allem zur Facharbeiteranwerbung durchführten. Parallel dazu wurden verstärkt französische Kriegsgefangene aus den Kriegsgefangenenlagern entlassen, um sie im Anschluss daran direkt in einem zivilen Arbeitsverhältnis einzusetzen. Es sind auch für andere KWI einige Beispiele von Westarbeitern nachgewiesen, die im wissenschaftlichen Bereich eingesetzt wurden, und deren Status nahelegt, dass sie zuvor Kriegsgefangene gewesen waren. So befanden sich etwa unter den französischen Soldaten, die 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft gekommen waren, zahlreiche Wissenschaftler. Sie wandten sich zum Teil selbsttätig an die KWI und wurden dann auf Initiative des jeweiligen Instituts aus der Gefangenschaft entlassen und in die KWI versetzt.[10] Daher ist auch im Fall der französischen Laboranten des KWIE nicht auszuschließen, dass es sich um frühere Kriegsgefangene handelte, die nun als zivile Arbeitskräfte in Deutschland tätig waren.

Seit 1942 wurden vier dieser „Sauckel-Aktionen“ durchgeführt, in deren Zuge jeweils bis zu 250.000 Arbeitskräfte rekrutiert werden sollten. Mit der erwähnten Umwandlung des Kriegsgefangenen- in einen „Zivilarbeiter“-Status bezweckte die deutsche Arbeitsverwaltung eine verbesserte Arbeitsmoral und eine gesteigerte Produktivität der französischen Arbeitskräfte. Denn die Umwandlung bedeutete eine nicht unwesentliche Verbesserung ihrer materiellen Lage, was von zahlreichen französischen Kriegsgefangenen auch genutzt wurde.[11] An anderen Instituten erlangten diese wissenschaftlich qualifizierten Zwangsarbeiter oftmals einen Status, der eher mit dem eines deutschen zivilen Angestellten vergleichbar war, und es herrschte ein kollegiales Verhältnis mit den deutschen Institutsangehörigen.[12] Darauf, ob sich dies am KWIE ebenso verhielt, gibt es aber keinen Hinweis.

Auch für die übrigen männlichen Zwangsarbeiter ist nicht davon auszugehen, dass es sich um Kriegsgefangene handelte. Nicht nur hätte dies normalerweise in den Akten Erwähnung gefunden, Kriegsgefangene hatten zudem generell einen anderen Status als zivile Zwangsarbeiter. Sie wurden nicht zur sogenannten „Gefolgschaft“ eines Betriebes gezählt. Allgemein wurde der „Arbeitseinsatz“ der Kriegsgefangenen – im Unterschied zu dem von zivilen Zwangsarbeitern – nicht im Sinne eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses behandelt. So wurde der Kriegsgefangeneneinsatz regulär auch nicht in individuellen Arbeitsverträgen geregelt, die bei der Beschäftigung ziviler „Fremdarbeiter“ üblich waren, sondern über einen kollektiven Überlassungsvertrag zwischen den fraglichen Unternehmen – den sogenannten „Einsatzträgern“ – und dem Reich.[13] Allerdings musste ab Mitte 1940 auch mit polnischen und sowjetischen „Zivilarbeitern“ seitens der Arbeitgeber kein individueller Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, zugleich hatten sie aber ein Arbeitsbuch zu führen.[14]

Die Stellung der sogenannten „Ostarbeiter“ war generell niedriger als die der zivilen Zwangsarbeiter aus den westeuropäischen Staaten. Sie wurden in weniger qualifizierten Tätigkeiten eingesetzt und hatten einen geringeren Status. Auch der Einzelbefund über das KWIE entspricht diesem Gesamtbild. Für den niederen Status der Ostarbeiter am KWIE spricht, dass sie explizit nicht zur „Gefolgschaft“ gezählt wurden und auch, dass ihre Namen nirgendwo genannt werden. Dies entsprach dem niedrigen Rang, der den sowjetischen Zwangsarbeitern in der NS-Zwangsarbeiterhierarchie auf Grundlage der zutiefst rassistischen NS-Ideologie beigemessen wurde.

Zwangsarbeit am KWIE ab 1944

Für die folgenden Jahre 1944 und 1945 ist über den Einsatz von zivilen Zwangsarbeitern am Institut äußerst wenig bekannt. Aus der Kriegszeitkartei der Gemeinde Clausthal-Zellerfeld geht hervor, dass die beiden französischen Zwangsarbeiter im Zuge der Verlagerung mit nach Clausthal gelangten und hier weiterhin als Laboranten tätig waren. Der Zuzug von Maurice D. aus Düsseldorf nach Clausthal-Zellerfeld wurde auf den 1. Oktober 1943 datiert.[15]

Bildergalerie

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. MPIE, 12-2-00-1, Tätigkeitsbericht der Mechanisch-Technologischen Abteilung 01.07.-30.09.1942.
  2. MPIE, 6-0-11, 19. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eiseninstitut, 15.04.1943.
  3. MPIE, 9-1-00, U/K-Unterlagen.
  4. MPIE, 9-1-00, U/K-Unterlagen; MPIE, 6-0-11, 19. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eiseninstitut, 15.04.1943.
  5. MPIE, 9-1-00, U/K-Unterlagen: Stichtag 31.03.1943.
  6. MPIE, 9-2-01-1, Tätigkeitsbericht der Mechanisch-Technologischen Abteilung, 01.01.-31.03.1943.
  7. Arolsen Archives, 2.2.2.1./72101523, Kriegszeitkartei Maurice D.
  8. Arolsen Archives, 2.2.2.1./71754632, Kriegszeitkartei André C.
  9. MPIE, 9-1-00, U/K-Unterlagen, siehe etwa Aufstellung der Gfm., Stichtag 28. Februar 1943.
  10. Vgl. Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 51.
  11. Vgl. Leissa/Schröder: Zwangsarbeit in Düsseldorf, S. 98.
  12. Vgl. Strebel/Wagner: Zwangsarbeit, S. 67.
  13. Spoerer: Zwangsarbeit, S. 164.
  14. Spoerer: Soziale Differenzierung, S. 533.
  15. Arolsen Archives, 2.2.2.1./72101523, Kriegszeitkartei Maurice D.; Arolsen Archives, 2.2.2.1./71754632, Kriegszeitkartei André C.