Der Vierjahresplan und das KWIE

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Der Vierjahresplan

Der Vierjahresplan, den Hitler – nach mehrmonatigen Vorbereitungen – am 9. September 1936 zunächst offiziell verkündete und dessen Umsetzung er am 18. Oktober 1936 dann per Erlass anordnete, sollte – durch Weiterführung der vom Rohstoff- und Devisenstab angestoßenen Maßnahmen – die deutsche „Wehrwirtschaft“ binnen vier Jahren „kriegsfähig“ und „blockadefest“ machen. Rüdiger Hartmann fasst dies so zusammen: „Die Organe des Vierjahresplans beschäftigten sich vor allem mit der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, der Verwirklichung der Roh- und Ersatzstoffplanungen und der Verteilung der vorhandenen Rohstoffmengen, der Verbesserung der Devisenlage, der Preisbildung und Preiskontrolle und der Lenkung der Arbeitskräfte“.[1]

Im Rahmen des Vierjahresplans untersuchte die Erzabteilung des KWIE die Nutzbarmachung verschiedener deutscher Eisenerze und führte zwischen 1936 und 1938 eine Vielzahl von Anreicherungsversuchen durch. So wurden Untersuchungen des Raseneisenerzvorkommens im Kreis Rees, zur Anreicherung von ilmenithaltigem Meeressand von der Kurischen Nehrung, von schweraspathaltigen Brauneisenerzen des Schmalkaldener Reviers, von Kostellitzer Eisensandstein und von Erzen des steirischen Erzbergs sowie der Grube Hannoversche Treue durchgeführt. Mit kleineren Einschränkungen waren diese Röst- und Anreicherungsversuche erfolgreich.[2]

Arbeiten des KWIE im Rahmen des Vierjahresplans

Im Bericht über das Geschäftsjahr 1936 reflektierte das Institut seine Arbeiten, „die mit den Fragen der Rohstoffbewirtschaftung, der Deviseneinsparung und der Verwendung von Heimstoffen in engerem Zusammenhang stehen.“[3] Diese wurden, wie das Institut betont, „mit besonderem Nachdruck […] gefördert“.[4] Der Geschäftsbericht von 1936 vermeldete zudem, dass gerade in diesen Aufgabenbereichen „die Arbeitsleistung des Instituts durch Anforderungen und Aufträge von behördlichen Stellen in noch stärkerem Maße als in früheren Jahren in Anspruch genommen“ worden sei.[5]

Der Großteil dieser Forschungen war von der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau (RWA) in Auftrag gegeben worden, zu der das Rohstoffamt inzwischen reorganisiert worden war.[6] Die RWA war nunmehr für die Herstellung und Entwicklung von synthetischem Kautschuk, von Leichtmetallen, Pulver und Sprengstoff sowie chemischen Kampfstoffen zuständig, für die durch den Aufbau umfangreicher Produktionskapazitäten eine rasche Produktionssteigerung erreicht werden sollte. Somit hatte die RWA die wichtigste Aufgabe des Vierjahresplans – die Planung der Rohstoffwirtschaft – übernommen. Formal war sie dem Reichswirtschaftsministerium unterstellt, konnte jedoch weitgehend autonom agieren.[7] Im Dezember 1939 wurde die RWA durch einen Erlass Hermann Görings in Reichsamt für Wirtschaftsausbau umbenannt und zum entscheidenden Exekutivorgan der Vierjahresplan-Behörde ausgebaut. Die Leitung übernahm nunmehr Carl Krauch, der mit der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) als Senator und Erster Schriftführer eng verbunden war.[8]

Kooperationen mit dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh)

Bei ihren Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Vierjahresplan waren die wissenschaftlichen Mitarbeiter eng mit dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) vernetzt. So beteiligten sie sich in den verschiedenen Fachausschüssen des VDEh und an den daraus resultierenden „Gemeinschaftsarbeiten“.[9] Die Entwicklung setzte sich in den folgenden Jahren fort. Der Geschäftsbericht von 1937 hielt fest, dass das Institut nicht nur vom VDEh zur Mitarbeit an Forschungsaufgaben der Rohstoffbewirtschaftung, der Deviseneinsparung und der Verwendung von Heimstoffen herangezogen wurde. Das KWIE wurde auch weitaus stärker als bisher von staatlichen Stellen durch Forschungsaufträge und Gutachten für die Förderung dieser Aufgaben in Anspruch genommen.[10] Die Wissenschaftler des Instituts hielten sowohl im Rahmen ihrer Mitarbeit in den Fachausschüssen des VDEh als auch in sonstigen Ausschüssen, sowie bei Tagungen wissenschaftlicher Vereinigungen wiederholt Vorträge.

Die langfristig orientierte Eisenhüttenforschung wurde in dieser Zeit fortgesetzt; im Vordergrund standen aber akute wirtschaftliche und „wehrwirtschaftliche“ Themen. So hieß es über das Jahr 1937 zusammenfassend: „Das Berichtjahr war für das Institut ein Zeitabschnitt reicher, aber auch Erfolg begleiteter Arbeit. Neben der stetigen Fortführung der schon seit Jahren planmäßig bearbeiteten grossen Forschungsaufgaben, deren Ziel die Vervollständigung und Vertiefung der wissenschaftlichen Grundlagen der Arbeitsverfahren der Eisenhüttentechnik ist, […] wurden besonders wieder die Aufgaben in den Vordergrund der Forschung gestellt, die, im volkswirtschaftlichen und wehrtechnischen Blickfeld gesehen, vordringlich sind.“[11]

Forschungsumfeld und Einrichtung der Thomasschlackenstelle

1938 orientierte sich das Institut bei seiner Arbeit an den Hauptforderungen des Vierjahresplans und bemühte sich um eine Steigerung der Güte des Stahls, um die Verbesserung der Erzeugungsverfahren, die Ausnutzung heimischer Rohstoffe und die Einsparung von Devisen.[12] Stolz vermeldete der Bericht, dass trotz „starker Beanspruchung durch die in wehrtechnischer und volkswirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollen Aufgaben“ nun „einige seit Jahren in Bearbeitung befindliche Forschungsaufgaben abgeschlossen und neue wichtige Arbeiten in Angriff genommen werden“ konnten.[13]

Im Zusammenhang mit den auf Autarkie im Ernährungssektor ausgerichteten Zielen des Vierjahresplans standen offenbar die Arbeiten der 1938 am KWIE gegründeten Thomasschlackenstelle. Sie war mit der Gewinnung von Phosphaten und Phosphorsäure und den Einsatzmöglichkeiten von Thomasschlacke als Düngemittel beschäftigt.[14]

Das Institut bot in diesen Jahren für die an den „wichtigen Arbeiten“ beteiligten Wissenschaftler wohl ideale Arbeitsbedingungen. Franz Wever etwa lehnte eine Professur an der Universität Göttingen ab, um seine Forschungsarbeiten am KWIE weiterführen zu können. Wever lehnte jedoch ab, aus dem exzellent ausgestatteten Zentrum der Eisenforschung in Düsseldorf, dessen Neubau erst kurz zuvor eingeweiht worden war, in die preußische Provinz zu wechseln, und begründete dies mit seinen laufenden Vierjahresplanaufgaben.[15]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 571. Siehe auch: Petzina: Autarkiepolitik, S. 91.
  2. MPIE, 24-9-02-6, Abschrift Raseneisenerzvorkommen im Kreise Rees, 29.10.1937; Bericht über Anreicherungsversuche mit ilmenithaltigem Meeressand, 02.02.1938; MPIE, 24-4-01-3, Bericht über einen Röstversuch mit Kostellitzer Eisensandstein, 06.01.1939; MPIE, 24-4-01-4, Bericht über einen Röst- und Anreicherungsversuch der Grube Hannoversche Treue, 15.11.1938.
  3. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Geschäftsjahr 1936. Vgl. auch Flachowsky: Alle Arbeit, S. 170.
  4. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Geschäftsjahr 1936. Siehe auch Flachowsky: Alle Arbeit, S. 170.
  5. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Geschäftsjahr 1936.
  6. MPIE, 24-1-00-2, Schreiben von Körber an den Leiter der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau, 30.09.1939.
  7. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 288.
  8. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 288-290.
  9. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Geschäftsjahr 1936.
  10. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Geschäftsjahr 1937.
  11. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Geschäftsjahr 1937.
  12. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Arbeitsjahr 1938.
  13. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Arbeitsjahr 1938.
  14. MPIE, 8-2-01-6, Bericht über die Arbeiten des Instituts 1939. Siehe auch: Petzina: Autarkiepolitik, S. 89.
  15. Maier: Forschung als Waffe, S. 466 f.