Anpassungswille und vorauseilender Gehorsam: Unterschied zwischen den Versionen

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Von Seiten der [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Institutsleitung]] und der [[Die Abteilungsleiter des KWIE|führenden Wissenschaftler]] des KWIE sind für den Zeitraum der Vorkriegsjahre nur wenige [[Übersicht: Das Verhältnis des KWIE zu NS-Regime und NS-Ideologie|politische Äußerungen oder Stellungnahmen]] überliefert. Anfangs herrschte offenbar eine gewisse Vorsicht und taktische Abwartehaltung, gepaart mit einem generellen Anpassungswillen an das neue Regime.  
Von Seiten der [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Institutsleitung]] und der [[Die Abteilungsleiter des KWIE|führenden Wissenschaftler]] des KWIE sind für den Zeitraum der Vorkriegsjahre nur wenige [[Übersicht: Das Verhältnis des KWIE zu NS-Regime und NS-Ideologie|politische Äußerungen oder Stellungnahmen]] überliefert. Anfangs herrschte offenbar eine gewisse Vorsicht und taktische Abwartehaltung, gepaart mit einem generellen Anpassungswillen an das neue Regime.  

Aktuelle Version vom 30. Juni 2020, 15:47 Uhr

Das Schreiben von KWIE-Direktor Körber an KWG-Generaldirektor Glum dokumentiert den Anpassungswillen der Institutsbelegschaft, 27. Juli 1933.
KWIE Koerber Glum Jul1933 II.jpg

Von Seiten der Institutsleitung und der führenden Wissenschaftler des KWIE sind für den Zeitraum der Vorkriegsjahre nur wenige politische Äußerungen oder Stellungnahmen überliefert. Anfangs herrschte offenbar eine gewisse Vorsicht und taktische Abwartehaltung, gepaart mit einem generellen Anpassungswillen an das neue Regime.

Der Schriftwechsel zwischen Direktor Körber und der KWG-Generalverwaltung

Eine solche Haltung geht etwa aus einem Schriftwechsel zwischen Direktor Friedrich Körber und der KWG-Generalverwaltung hervor, der die „Gleichschaltung“ der akademischen Verbände und die Einordnung der KWIE-Institutsangehörigen betraf. Im Institut sei aufgrund von inzwischen überholten Plänen „einer alsbaldigen Eingliederung aller Angestellten und Arbeiter in den ständischen Aufbau […] Beunruhigung in der Belegschaft“ entstanden, erklärte Körber in einem Schreiben vom Juli 1933. Außerdem sei er auf einer Veranstaltung der Technischen Hochschule (TH Aachen) zum Beitritt bei der Fachschaft der NS-Hochschullehrer und -Wissenschaftler aufgefordert worden und er wäre nun unsicher, ob sowohl die wissenschaftlichen Mitglieder als auch die Assistenten des KWIE dort „einzugliedern“ seien oder aber bei der DAF. Im Schreiben fragte Körber Glum u.a.: „Sind Sie darüber unterrichtet, ob diese Fachschaft auch die gegebene Stelle für die Eingliederung der wissenschaftlichen Mitglieder der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sein würde?“ Bezüglich der Assistenten erkundigte er sich, ob diese „nicht besser in der zurzeit in Bildung begriffenen Fachorganisation der Deutschen Arbeitsfront aufgehoben [wären]?“[1]

KWG-Generaldirektor Friedrich Glum forderte in seiner Antwort zum Abwarten auf, denn es würde „wohl auch schwer sein zu erfahren, welche von den verschiedenen bestehenden Tendenzen sich durchsetzen wird.“ Weiter hieß es: „Jedenfalls möchte ich raten, nichts zu übereilen, vor allem aber irgendwelchen Besorgnissen in den Kreisen Ihrer Institutsangestellten entgegenzutreten. Die Kaiser Wilhelm-Gesellschaft erfreut sich des größten Wohlwollens der gegenwärtigen Regierung und das beruht auf den Leistungen ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter und wird weiter darauf beruhen. Die Zugehörigkeit zu irgendwelchen politischen oder halbpolitischen Organisationen ändert daran garnichts.“ Weiter hieß es: „Ich glaube, dass die Kaiser-Wilhelm-Institute am besten tun, zunächst abzuwarten, wie sich die Hochschulprofessoren und Assistenten formieren, und dann eine Entscheidung des Reichsministeriums des Inneren herbeizuführen, das in allen diesen Dingen außerordentlich verständig ist.“[2]

Die Haltung des KWIE-Kuratoriums und der KWG

Von einer abwartenden Haltung zeugen auch Diskussionen um die Verschiebung der Neuwahl des KWIE-Kuratoriums zwischen VDEh-Geschäftsführer und Kuratoriumsmitglied Otto Petersen und dem Vorsitzenden Friedrich Springorum. Petersen initiierte, die für den 4. Oktober 1933 anstehenden Neuwahlen des Kuratoriums auf 1934 hinauszuschieben, „zum mindesten bis zu einer gewissen Klärung der Verhältnisse“ – wie es hieß. Die Überlegungen Petersens waren taktischer Natur. Im Schreiben hieß es: „Da ferner die nächsten Jahre, d.h. die Amtszeit des neu zu bildenden Kuratoriums, im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung in Deutschland für das Institut vielleicht besonders wichtige Entscheidungen bringen“ könnten, „auch vielleicht die Neubaupläne neue Gestalt gewinnen, nachdem jetzt erneut von seiten der Stadt Düsseldorf Fühlung genommen und eine Hilfsaktion im Rahmen der allgemeinen Arbeitsbeschaffung angeregt worden ist“ gehe seine „Meinung dahin, die Entscheidung über die Zusammensetzung des Kuratoriums möglichst noch etwas hinauszuschieben; später könnte dann gegebenenfalls auch den sich anbahnenden Entwicklungen in der Eisenindustrie in etwa Rechnung getragen werden.“ Weiterhin vermutete Petersen, dass auch die KWG und die Ministerien keinen Wert auf eine baldige Neubesetzung des Gremiums legen würden.[3] Petersen wollte die Besetzung des Kuratoriums an die weiteren politischen Entwicklungen anpassen, gerade auch im Hinblick auf die von Oberbürgermeister Hans Wagenführ in Aussicht gestellte Wiederaufnahme der früheren Institutsneubaupläne. Tatsächlich wurden die Neuwahlen dann auf 1934 verschoben.[4]

Ein taktisches Verhältnis zum NS-Staat zeigte sich mit Hinsicht auf die Wiederaufnahme der Neubaupläne auch von Seiten der KWG. So gab Glum Körber 1933 die Empfehlung, sich in der Frage der von Oberbürgermeister Wagenführ erneut ins Gespräch gebrachten Neubaupläne an das Ministerium des Inneren zu wenden. Um Kontakt zu einer preußischen Stelle herzustellen, empfahl er außerdem, dass Albert Vögler, „der ja Herrn Ministerpräsidenten Göring persönlich gut kennt und evt. auch Herr Fritz Thyssen sich an den Ministerpräsidenten persönlich wenden würden.“[5] Man wollte also auch parteipolitische Netzwerke gezielt für die Geschicke von KWG und KWIE nutzen.

Die Position des KWIE 1933-1935

Intern abwartend und taktierend, reagierte das KWIE in offiziellen Verlautbarungen positiv auf die NS-Machtübernahme, so etwa im aktuellen Geschäftsbericht des Instituts für das Jahr 1933: „Das Berichtsjahr 1933 war in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht so bedeutsam und eindrucksvoll, daß der Geschäftsbericht selbst eines wissenschaftlichen Institutes unvollständig wäre, wenn er die Bedeutung dieses Jahres nicht besonders unterstreichen würde.“[6] Es standen die von der „neuen Reichsregierung“ betriebene Arbeitsbeschaffungspolitik und die wirtschaftliche Erholung der Eisenindustrie im Fokus – Entwicklungen, die für das KWIE und dessen Hauptträger VDEh von besonders großer Bedeutung waren. Auch die inzwischen wiederaufgenommenen Neubaupläne, bei denen das KWIE direkt von den NS-Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanziell profitierte, wurden als bedeutende Wendung des Jahres 1933 charakterisiert. Für das Institut seien „die grossen Erfolge in diesem Kampfe der Reichsregierung gegen die Arbeitslosigkeit, abgesehen von der zum Schlusse des Berichtes zu behandelnden Frage des Neubaus, insofern nicht ohne Einfluss geblieben, als die mit der Wirtschaftsbelebung zusammenhängende Erhöhung der Erzeugung von Eisen und Stahl in der zweiten Hälfte des Jahres 1933 allmählich einen Stand erreichte, der der Höhe des im Vorjahre dem Institut seitens der Werke zugesicherten Mindestbeitrages entsprach.“[7]

Der Verweis auf die NS-„Machtübernahme“ war eindeutig, jedoch ohne propagandistische Überhöhung. Eine direkte Huldigung Hitlers oder der NS-Bewegung blieb aus. Zugleich wurde im Geschäftsbericht eine nationale Ausrichtung der Eisenforschung am KWIE deutlich gemacht. Das Institut dankte etwa der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, der heutigen Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), für deren „nachdrückliche Förderung“ bei „einigen wichtigen und grundlegenden Forschungsaufgaben […], deren Lösung sie für unsere nationale Wirtschaft eine besondere Wichtigkeit beimisst.“[8]

In den folgenden jährlichen Geschäftsberichten des KWIE wurde weitgehend auf politische Einlassungen und Wertungen verzichtet. Im folgenden Jahr 1934 beschränkte sich der Geschäftsbericht etwa auf ein knappes Lob für die Entwicklungen bei der Eisenerzeugung: „Der erfreuliche Auftrieb in der deutschen Eisenindustrie wirkte sich auch für die Arbeiten des Instituts günstig aus.“[9] 1935 wurde die Neueröffnung bzw. der Bezug des Institutsbaus gewürdigt.

Zunehmende Integration in den NS-Staat

In den weiteren Berichten wurden die zunehmende wehrtechnische Beanspruchung des KWIE, die Beauftragung durch verschiedene staatliche Stellen und die Bedeutung des Vierjahresplans erwähnt. Direkte politische Bezüge zu NS-Instanzen finden sich vereinzelt, und darin zeigte sich in verschiedenen Aspekten durchaus die Einbindung und Integration des KWIE in den NS-Staat. Wissenschaftliche Mitarbeiter hielten Vorlesungen in Lehrgängen der technisch-wissenschaftlichen Einrichtungen der DAF, etwa Anton Pomp, der in den Winterhalbjahren 1937/38 und 1938/39 an der Arbeitsschule der DAF eine „Einführung in die Werkstoffprüfung und Metallographie“ hielt.[10] Auch verwies der Bericht darauf, dass die KWG und ihre Institute „für die Verleihung des vom Führer geschaffenen ‚Treudienst-Ehrenzeichens‘ den Behörden gleichgestellt“ worden sei und dass vier Institutsangehörigen das „Ehrenzeichen für 25-jährige Tätigkeit verliehen“ wurde. Außerdem wurde die regelmäßige Teilnahme der Lehrlinge des KWIE am Reichsberufswettkampf erwähnt.[11]

Dem „Führer“ wurde in den Berichten und Veröffentlichungen des Instituts nicht gehuldigt, wohl aber der deutschen Eisenindustrie. „Die umfangreiche Tätigkeit des Instituts wäre nicht möglich gewesen ohne die weitschauende und verständnisvolle Opferwilligkeit der deutschen Eisenhüttenwerke, die die für die Aufrechterhaltung und den weiteren Ausbau des Institutsbetriebes erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stellten.“[12]

In diesem Sinne kann von einer ideologischen Anpassung der Institutsleitung gesprochen werden, nicht von einer „habituellen Überanpassung“.[13]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. AMPG, Abt I, Rep. I1 A, Nr. 1953-01/1, Schreiben von Körber an Generaldirektor der KWG F. Glum, 27.07.1933.
  2. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 1953-01, Schreiben von Glum an Körber, 29.07.1933.
  3. VDEh, Ac 207, Band 1, Entwurf eines Schreibens von Petersen an Springorum, 27.09.1933.
  4. VDEh, Ac 207, Band 1, Gemeinsame Sitzung des Kuratoriums und des Bauausschusses, 18.12.1933.
  5. AMPG, Abt. I, Rep. 1 A, Nr. 1953-01, Schreiben von Glum an Körber, 29.07.1933.
  6. MPIE, 8-2-01-3, Bericht über das Geschäftsjahr 1933.
  7. MPIE, 8-2-01-3, Bericht über das Geschäftsjahr 1933.
  8. MPIE, 8-2-01-3, Bericht über das Geschäftsjahr 1933.
  9. MPIE, 8-2-01-3, Bericht über das Geschäftsjahr 1934.
  10. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Arbeitsjahr 1938, Bericht über das Geschäftsjahr 1937; MPIE , 8-2-01-4, Bericht über das Geschäftsjahr 1936.
  11. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Arbeitsjahr MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Geschäftsjahr 1937.
  12. MPIE, 8-2-01-5, Bericht über das Arbeitsjahr 1938.
  13. Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 452-456.