Einführung der NS-Betriebsordnung am KWIE

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In einer Mitteilung an die „Gefolgschaft“ erläuterte Direktor Körber im September 1934 den Institutsangehörigen die Idee der nationalsozialistischen Betriebsgemeinschaft.

Einen wichtigen Einschnitt für die gesamte deutsche Wirtschaft bildete das nationalsozialistische Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20. Januar 1934, das die Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen neu ordnete. Auf der Grundlage dieses Gesetzes trat im Oktober 1934 auch beim KWIE eine neue Betriebsordnung in Kraft.

Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG)

Das AOG schaffte die bis dahin noch gültige Tarifautonomie ab und symbolisierte die endgültige Zerschlagung der Organisationen der Arbeiterbewegung, an deren Stelle nunmehr die als Einheitsverband von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gegründete Deutsche Arbeitsfront (DAF) trat. Mit dem AOG erhielt das Führerprinzip in den Unternehmen Einzug. Das Kernelement der neuen nationalsozialistischen Arbeitsverfassung war die Idee einer Beendigung des früheren Klassenkampfes und einer einheitlichen Betriebsgemeinschaft. Der Arbeitgeber erhielt den Titel eines „Führers des Betriebes“, der alle Entscheidungen treffen und die soziale Verantwortung für die Belegschaft, die von da an als „Gefolgschaft“ bezeichnet wurde, übernehmen sollte. Gremien, wie die durch das Betriebsrätegesetz aus dem Jahr 1921 eingeführten Betriebsräte, wurden formal aufgelöst. In Betrieben mit über 20 Beschäftigten musste nun ein sogenannter „Vertrauensrat“ gebildet werden, dem der „Betriebsführer“ vorsaß.[1]

Die neue KWIE-Betriebsordnung

Vor diesem Hintergrund erhielt auch der Institutsdirektor am KWIE den Titel des „Betriebsführers“, was ihm nominell eine weitgehend innerbetriebliche Autorität gegenüber den Institutsmitarbeitern verlieh. Dementsprechend lautete der erste Paragraf der KWIE-Betriebsordnung, welche am 1. Oktober 1934 für alle „Gefolgschaftsmitglieder“ und am Institut arbeitende Gäste in Kraft trat: „Der Führer des Betriebes entscheidet in allen betrieblichen Angelegenheiten. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Sorge für das Wohl der Gefolgschaft. […] Die Gefolgschaft hat dem Führer des Betriebes die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten. Jedes Mitglied der Gefolgschaft ist verpflichtet, die ihm übertragenden Arbeiten gewissenhaft und fleissig auszuführen, das gemeinsame Ziel der Betriebsgemeinschaft mit allen Kräften zu fördern und alle Nachteile von ihr fernzuhalten.“[2]

In einer Mitteilung an die „Gefolgschaft“ erläuterte die Institutsleitung die Idee der NS-Betriebsgemeinschaft folgendermaßen: „Führer und Gefolgschaft sind zu einer Betriebsgemeinschaft vereinigt, die zur Erfüllung der dem Institut gestellten Aufgaben und damit zum Besten von Volk und Staat arbeitet. Wer dieser Gemeinschaft angehört, muss im Geiste des nationalsozialistischen Deutschlands innerhalb und außerhalb des Betriebes zur Erreichung dieser Ziele mitwirken. […] Zur Verwirklichung einer echten Betriebsgemeinschaft muss daher jedes Gefolgschaftsmitglied den Führer des Betriebes und den Vertrauensrat in ihrem Bemühen um Erhaltung und Vertiefung des Vertrauensverhältnisses unterstützen, erzieherisch und aufklärend innerhalb der Gefolgschaft wirken, damit in unserem Institut der Geist wahrer Verbundenheit alle erfasst und umschließt.“[3] Wegen „groben Verstößen gegen die Betriebsordnung“ und – nicht konkreter definierten „Untergrabungen der Betriebsgemeinschaft“ konnte laut Paragraf 10 fristlos gekündigt werden. Hierzu hieß es weiter: „Die Betriebsgemeinschaft beruht auf gegenseitigem Vertrauen. […] Quertreibereien, Mißgunst, Nörgeleien und Angebereien haben in ihr keinen Raum“.[4]

Abgesehen von der Verwendung der Begrifflichkeiten „Gefolgschaft“ oder „Betriebsgemeinschaft“ war die Betriebsordnung des KWIE darüber hinaus weitgehend unpolitisch gehalten. So gab es etwa keine Regelung zu Neueinstellungen und dem Beschäftigungsverbot von „nichtarischen“ Mitarbeitern. Auch wurden, anders als bei manch anderen Betrieben, „Frontkämpfer“ des Ersten Weltkriegs sowie alte und verdiente Angehörige der NSDAP, der SS und der SA bei der Einstellung offenbar nicht bevorzugt. Die weiteren Paragrafen behandelten arbeitsrechtliche Fragen. Dies entsprach den Vorgaben der AOG und den Musterbetriebsordnungen der NS-Reichstreuhänder der Arbeit.[5]

Einzelnachweise

  1. Zur Neuordnung der betrieblichen Beziehungen ab 1933 und den Implikationen des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit: Frese, Matthias: Betriebspolitik im „Dritten Reich“. Deutsche Arbeitsfront, Unternehmer und Staatsbürokratie in der westdeutschen Großindustrie 1933-1939, Paderborn 1991, S. 36-250; Spohn, Wolfgang: Zur „Betriebsverfassung“ im nationalsozialistischen Deutschland, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 9 (1984 ), S. 545-555., hier S. 547; Siegel, Tilla: Leistung und Lohn in der nationalsozialistischen „Ordnung der Arbeit“, Wiesbaden 1989, S. 19-61.
  2. MPIE, 8-2-01-3, Betriebsordnung (auf Grund des § 26 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit), 25.09.1934.
  3. MPIE, 8-2-01-3, An die Gefolgschaft des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf, September 1934.
  4. MPIE, 8-2-01-3, An die Gefolgschaft des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf, September 1934.
  5. MPIE, 8-2-01-3, Betriebsordnung (auf Grund des § 26 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit), 25.09.1934. Vgl. AOG vom 20. Januar 1934. Frese: Betriebspolitik im Dritten Reich, S. 153-162.