(Selbst-)„Gleichschaltung“ und Selbstmobilisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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==Führerprinzip und Harnack-Prinzip==  
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Die Implementierung des Führerprinzips innerhalb der Institute erübrigte sich insofern, als in der KWG und ihren Einzelinstituten über das sogenannte „Harnack-Prinzip“ ohnehin eine zentralistische, auf die Entscheidungsgewalt der jeweiligen [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Direktoren]] ausgerichtete Struktur existierte. Die wissenschaftliche Arbeit des jeweiligen Forschungsinstituts sollte von einem auf Lebenszeit berufenen „exzellenten“ Gelehrten möglichst unabhängig und ohne bürokratische Hindernisse geführt werden. Der Direktor sollte uneingeschränkter „Herr im Hause“ sein. Dieser autoritäre Ansatz, der für das Selbstverständnis der KWG zentrale Bedeutung hatte und der auf die „Genialität“ einer einzelnen Leitungsfigur abstellte, war somit mit der autoritären Idee des Führerprinzips durchaus verwandt. Diese Nähe wurde seitens der KWG-Repräsentanten wie [https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Planck Max Planck] und [https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Glum Friedrich Glum] nach der NS-„Machtübernahme“ selbst betont und das an den KWI schon vor 1933 geltende Harnack-Prinzip als nationalsozialistisch interpretiert. Hinzu kam, dass sich die KWG und ihre verschiedenen Institute [[Anpassungswille und vorauseilender Gehorsam|durchaus bereitwillig]] den nationalsozialistischen Zielsetzungen anpassten.<ref>Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 649-655; Ash: Ressourcenaustausche, S. 318 f. Siehe auch: Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 51 f., S. 54-62.</ref> Auf betrieblicher Ebene wurden die Direktoren durch die nationalsozialistische Neuordnung des Arbeitsrechts Mitte 1934 zu [https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Arbeitsfront DAF]-[[Die Betriebsfunktionäre der Deutschen Arbeitsfront (DAF)|„Betriebsführern“]] ernannt.<ref>Vgl. Seier: Rektor als Führer.</ref>
Die Implementierung des Führerprinzips innerhalb der Institute erübrigte sich insofern, als in der KWG und ihren Einzelinstituten über das sogenannte „Harnack-Prinzip“ ohnehin eine zentralistische, auf die Entscheidungsgewalt der jeweiligen [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Direktoren]] ausgerichtete Struktur existierte. Die wissenschaftliche Arbeit des jeweiligen Forschungsinstituts sollte von einem auf Lebenszeit berufenen „exzellenten“ Gelehrten möglichst unabhängig und ohne bürokratische Hindernisse geführt werden. Der Direktor sollte uneingeschränkter „Herr im Hause“ sein. Dieser autoritäre Ansatz, der für das Selbstverständnis der KWG zentrale Bedeutung hatte und der auf die „Genialität“ einer einzelnen Leitungsfigur abstellte, war somit mit der autoritären Idee des Führerprinzips durchaus verwandt. Diese Nähe wurde seitens der KWG-Repräsentanten wie [https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Planck Max Planck] und [https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Glum Friedrich Glum] nach der NS-„Machtübernahme“ selbst betont und das an den KWI schon vor 1933 geltende Harnack-Prinzip als nationalsozialistisch interpretiert. Hinzu kam, dass sich die KWG und ihre verschiedenen Institute [[Anpassungswille und vorauseilender Gehorsam|durchaus bereitwillig]] den nationalsozialistischen Zielsetzungen anpassten.<ref>Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 649-655; Ash: Ressourcenaustausche, S. 318 f. Siehe auch: Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 51 f., S. 54-62.</ref> Auf betrieblicher Ebene wurden die Direktoren durch die nationalsozialistische Neuordnung des Arbeitsrechts Mitte 1934 zu [[Die Betriebsfunktionäre der Deutschen Arbeitsfront (DAF)|„DAF-Betriebsführern“]] ernannt.<ref>Vgl. Seier: Rektor als Führer.</ref>


==Erhalt der Selbstständigkeit==
==Erhalt der Selbstständigkeit==

Version vom 2. Juni 2020, 12:35 Uhr

(Selbst-) „Gleichschaltung“, Kontinuität und „Selbstmobilisierung“ in der KWG

Im Unterschied zu den Universitäten erfolgte in der KWG unmittelbar nach der NS-„Machtübernahme“ kein Umbau der Leitungs- und Verwaltungsstrukturen nach dem Führerprinzip. Bis etwa 1937 blieb die Autonomie der Institutsdirektionen seitens der KWG-Hauptverwaltung zumindest nominell unangefochten. Dies betraf vorwiegend die wissenschaftliche Arbeit der Institute. Mit der 1937 novellierten Satzung der KWG wurde dann formell das Führerprinzip eingeführt und eine zunehmende Zentralisierung der KWG auf die Macht des Präsidenten hin in die Wege geleitet.[1]

Führerprinzip und Harnack-Prinzip

Die Implementierung des Führerprinzips innerhalb der Institute erübrigte sich insofern, als in der KWG und ihren Einzelinstituten über das sogenannte „Harnack-Prinzip“ ohnehin eine zentralistische, auf die Entscheidungsgewalt der jeweiligen Direktoren ausgerichtete Struktur existierte. Die wissenschaftliche Arbeit des jeweiligen Forschungsinstituts sollte von einem auf Lebenszeit berufenen „exzellenten“ Gelehrten möglichst unabhängig und ohne bürokratische Hindernisse geführt werden. Der Direktor sollte uneingeschränkter „Herr im Hause“ sein. Dieser autoritäre Ansatz, der für das Selbstverständnis der KWG zentrale Bedeutung hatte und der auf die „Genialität“ einer einzelnen Leitungsfigur abstellte, war somit mit der autoritären Idee des Führerprinzips durchaus verwandt. Diese Nähe wurde seitens der KWG-Repräsentanten wie Max Planck und Friedrich Glum nach der NS-„Machtübernahme“ selbst betont und das an den KWI schon vor 1933 geltende Harnack-Prinzip als nationalsozialistisch interpretiert. Hinzu kam, dass sich die KWG und ihre verschiedenen Institute durchaus bereitwillig den nationalsozialistischen Zielsetzungen anpassten.[2] Auf betrieblicher Ebene wurden die Direktoren durch die nationalsozialistische Neuordnung des Arbeitsrechts Mitte 1934 zu „DAF-Betriebsführern“ ernannt.[3]

Erhalt der Selbstständigkeit

Im Umfeld der NS-Führung und des 1934 neugründeten Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unter dem nationalsozialistischen Reichsminister Bernhard Rust wurden vorhandene Ansätze, die KWG und ihre Institute aufzulösen und etwa in eine Reichsakademie zu überführen, nicht umgesetzt. Somit blieb die institutionelle Selbstständigkeit der KWG vom NS-Staat nach 1933 erhalten.[4] Wolfgang Schieder betont in diesem Kontext, dass die KWG sich „in institutioneller Hinsicht einen erstaunlichen Freiraum“ erhielt, „den sie auch bestens zu nutzen“ verstanden habe. Außer den christlichen Kirchen habe „sich keine gesellschaftliche Organisation“ während der NS-Zeit „so viel Autonomie bewahren“ können.[5]

Kontinuitäten und Entlassungen

In der Generalverwaltung und den Spitzengremien der KWG gab es über das Jahr 1933 hinaus insgesamt nicht nur eine institutionelle, sondern auch eine starke personelle Kontinuität. Beispiele hierfür sind Präsident Max Planck (bis 1936) und Generaldirektor Friedrich Glum (bis 1937), die noch mehrere Jahre an der Spitze der KWG standen.[6] Die personelle Zusammensetzung von Spitzengremien der KWG erfuhr dennoch teils erhebliche Änderungen. Zu den Maßnahmen der von der KWG-Generalverwaltung orchestrierten „Selbstgleichschaltung“[7] und einer vorauseilenden Anpassung an das NS-Regime gehörte unter anderem die Neuaufstellung und personelle „Säuberung“ des KWG-Senats, eines Aufsichtsgremiums, in dem Industrie, Wissenschaft und Politik vertreten waren. Zahlreiche jüdische, sozialdemokratische und politisch anderweitig nicht NS-konforme Senatoren wurden auf der Jahresversammlung im Mai 1933 entlassen bzw. nicht wiedergewählt. Bereits im Vorfeld wurde von der KWG-Hauptverwaltung gegenüber dem zuständigen Innenministerium geäußert, dass sie bereitwillig alle Mitglieder entlassen werde, die „Nicht-Arier“ seien. Nur drei besonders prominente Mitglieder mit jüdischem Hintergrund – Franz von Mendelssohn, Paul Schottländer und Alfred Merton – wollte die KWG-Generalverwaltung im Senat halten. Hingegen wurden u.a. fördernde Mitglieder wie Max M. Warburg und Fritz Mannheimer aus dem Gremium gedrängt. Neu aufgenommen wurden Senatoren, die linientreu waren. Geringere Veränderungen gab es im Verwaltungsausschuss der KWG. Sechs bereits langjährig dort vertretene Persönlichkeiten blieben dem Gremium auch nach 1933 erhalten und waren gewissermaßen Garanten der Kontinuität, darunter die Industriellen Gustav Krupp v. Bohlen und Halbach und Albert Vögler sowie bis zu seinem Tod 1935 Franz von Mendelsohn als einzige Person jüdischer Herkunft. 1933 und 1935 wurden außerdem insgesamt fünf neue Personen aufgenommen, u.a. der nationalsozialistische Industrielle Fritz Thyssen und der Mathematiker und frühere NSDAP-Gauleiter von Pommern Karl Theodor Vahlen. Mit der Wahl dieser Persönlichkeiten in den Verwaltungsausschuss wollte die KWG ihr Verhältnis zur NS-Staatsführung verbessern. Auch wurde auf Grundlage des nationalsozialistischen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Vertreibung zahlreicher jüdischer Wissenschaftler aus den Instituten der KWG in die Wege geleitet.[8]

„Selbstmobilisierung“ der KWG

Insgesamt lassen sich für die KWG-Generalverwaltung und ihre verschiedenen Institute nach 1933 Tendenzen erkennen, die im Wesentlichen auch auf das KWIE übertragbar sein dürften. Neben der „Selbstgleichschaltung“ kam es zu einer erheblichen „Selbstmobilisierung“ der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Angehörigen der KWG und ihrer Institute für die Ziele und Praktiken des NS-Regimes.[9] Rüdiger Hachtmann unterzieht den Begriff der „Selbstgleichschaltung“, den der ehemalige Generaldirektor der KWG Glum nach 1945 selbst für das Vorgehen der Generalverwaltung der KWG ab 1933 verwendete, einer kritischen Revision und erweitert seinen Forschungsblickwinkel auf den Aspekt der „Selbstmobilisierung“, die er in wesentlichen Aspekten der Politik der Generalverwaltung gegeben sieht.[10] „Selbstmobilisierung“ meint die freiwillige Indienststellung für den NS-Staat und die NS-Rüstung, nicht eine durch „Gleichschaltung“ erzwungene Anpassung. Im Zuge einer massenhaften „Selbstmobilisierung“ unterstützten viele Akteure nach 1933 aktiv und in unterschiedlichen Aspekten den NS-Staat und versuchten gewissermaßen, „dem Führer entgegen[zu]arbeiten“.[11] Sie zeigte sich unter anderem in der Begeisterung für die NS-Politik und Kriegsführung oder in Beitritten zu NS-Organisationen. In den technischen Wissenschaften gab es bei vielen Wissenschaftlern den Drang bzw. das Ziel, ihre Forschung für die Rüstung dienstbar zu machen.[12] Nur wenige der Direktoren der verschiedenen Institute der KWG standen dem NS-Regime ablehnend gegenüber. Die ältere im Kaiserreich sozialisierte Generation war nationalkonservativ bzw. nationalistisch und gegen die Weimarer Republik eingestellt; die jüngere Wissenschaftlergeneration tendierte ins Völkische. Die „Machtübernahme“ und die Förderung der Wissenschaft durch das NS-Regime wurden begrüßt. „In Distanz zum NS-Regime“ seien die Direktoren Wolfgang Schieder zufolge nur dann geraten, „wenn sie sich höchstpersönlich benachteiligt fühlten.“[13]

Einzelnachweise

zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis

  1. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 657-660.
  2. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 649-655; Ash: Ressourcenaustausche, S. 318 f. Siehe auch: Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 51 f., S. 54-62.
  3. Vgl. Seier: Rektor als Führer.
  4. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 39. Siehe auch: Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 458-471, S. 581-589; Grüttner: Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, S. 561; Kohl: Präsidenten, S. 78-80.
  5. Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 52.
  6. Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 54.
  7. Hierzu: Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 33-39.
  8. Renn/Kant/Kolboske: Stationen der KWG/MPG, S. 33-39; Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 1, S. 408-410, S. 507 f., S. 520-524.
  9. Vgl. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 2, S. 1211.
  10. Hachtmann: Wissenschaftsmanagement Bd. 2, S. 1211-1215. Siehe auch: Ludwig: Technik und Ingenieure, S. 241-245; Mehrtens: Kollaborationsverhältnisse, S. 28; sowie aktuell mit Überblick über die Genese des Begriffs: Dinckal/Mares: Selbstmobilisierung, S. 15 f.
  11. Kershaw: Hitler, S. 663-655.
  12. Siehe hierzu Ludwig: Technik und Ingenieure, S. 244.
  13. Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 58.