Ferdinand Spies: Unterschied zwischen den Versionen
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Die DAF verfügte innerhalb des Instituts nicht nur über zahlreiche Mitglieder, sondern konnte sich auch auf zahlreiche ehrenamtliche [[Einfluss der DAF-Betriebsfunktionäre|Funktionäre]] in allen Teilen der Belegschaft stützen. An ihrer Spitze stand der sogenannte [[Einführung der NS-Betriebsordnung am KWIE|„Betriebsobmann“]] der DAF. Dies war seit 1934 der Laborant der [[Die Physikalische Abteilung|Physikalischen Abteilung]], [[Peter Clasen|Peter Clasen]]. Nachdem Clasen 1939 zum Wehrdienst eingezogen worden war, übernahm zunächst sein Stellvertreter [[Peter Göbbels|Peter Göbbels]] das Amt des „Betriebsobmanns“, aus gesundheitlichen Gründen aber nur für kurze Zeit. Noch im selben Jahr wurde Spies zum „Betriebsobmann“ ernannt.<ref>MPIE, 6-0-11, 2. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eiseninstitut, 15.11.1939.</ref> | Die DAF verfügte innerhalb des Instituts nicht nur über zahlreiche Mitglieder, sondern konnte sich auch auf zahlreiche ehrenamtliche [[Einfluss der DAF-Betriebsfunktionäre|Funktionäre]] in allen Teilen der Belegschaft stützen. An ihrer Spitze stand der sogenannte [[Einführung der NS-Betriebsordnung am KWIE|„Betriebsobmann“]] der DAF. Dies war seit 1934 der Laborant der [[Die Physikalische Abteilung|Physikalischen Abteilung]], [[Peter Clasen|Peter Clasen]]. Nachdem Clasen 1939 zum Wehrdienst eingezogen worden war, übernahm zunächst sein Stellvertreter [[Peter Göbbels|Peter Göbbels]] das Amt des „Betriebsobmanns“, aus gesundheitlichen Gründen aber nur für kurze Zeit. Noch im selben Jahr wurde Spies zum „Betriebsobmann“ ernannt.<ref>MPIE, 6-0-11, 2. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eiseninstitut, 15.11.1939.</ref> | ||
Dazu gab Spies in der Nachkriegszeit im Verlauf seines [[Entnazifizierungsverfahren in den Besatzungszonen|Entnazifizierungsverfahrens]] an: „Als der Betriebsobmann des Instituts zur Wehrmacht einberufen war und sein Stellvertreter aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, wurde ich von dem damaligen Direktor des Instituts, Herrn [[Friedrich Körber|Professor Körber]] gebeten, diesen Posten zu übernehmen.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.</ref> Im Juli 1946 bestätigte Nora Körber, die Witwe des 1944 verstorbenen [[Direktoren|Institutsdirektors]], diese Darstellung: „Ich […] kenne Herrn Ferdinand Spiess [sic!] seit 26 Jahren […] Ich weiss, dass mein Mann Herrn Spiess [sic!] als Arbeitskollegen und Menschen wegen seiner Lauterkeit und anständigen Gesinnung gegen Jedermann im Institut, sehr geschätzt hat, und ihn daher mit Sonderaufgaben auf sozialem Gebiete in seinem Institut betraute.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Erklärung Nora Körber, 15.07.1946.</ref> Auch wenn Äußerungen in den Entnazifizierungsakten der Nachkriegszeit und den darin enthaltenen [[„Persilscheinmaschinerie“ und Entlastungsargumente am KWIE|Leumundszeugnissen]] generell mit Vorsicht zu bewerten sind, zeigt sich hier dennoch, dass es sich bei den führenden DAF-Funktionären – den Betriebsobmännern – um langjährige Betriebsangehörige handelte, die offensichtlich das Vertrauen Körbers genossen. | Dazu gab Spies in der Nachkriegszeit im Verlauf seines [[Entnazifizierungsverfahren in den Besatzungszonen|Entnazifizierungsverfahrens]] an: „Als der Betriebsobmann des Instituts zur Wehrmacht einberufen war und sein Stellvertreter aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, wurde ich von dem damaligen Direktor des Instituts, Herrn [[Friedrich Körber|Professor Körber]] gebeten, diesen Posten zu übernehmen.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.</ref> Im Juli 1946 bestätigte Nora Körber, die Witwe des 1944 verstorbenen [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Institutsdirektors]], diese Darstellung: „Ich […] kenne Herrn Ferdinand Spiess [sic!] seit 26 Jahren […] Ich weiss, dass mein Mann Herrn Spiess [sic!] als Arbeitskollegen und Menschen wegen seiner Lauterkeit und anständigen Gesinnung gegen Jedermann im Institut, sehr geschätzt hat, und ihn daher mit Sonderaufgaben auf sozialem Gebiete in seinem Institut betraute.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Erklärung Nora Körber, 15.07.1946.</ref> Auch wenn Äußerungen in den Entnazifizierungsakten der Nachkriegszeit und den darin enthaltenen [[„Persilscheinmaschinerie“ und Entlastungsargumente am KWIE|Leumundszeugnissen]] generell mit Vorsicht zu bewerten sind, zeigt sich hier dennoch, dass es sich bei den führenden DAF-Funktionären – den Betriebsobmännern – um langjährige Betriebsangehörige handelte, die offensichtlich das Vertrauen Körbers genossen. | ||
Weiterhin behauptete Spies im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens im Juni 1946, besondere Schritte unternommen zu haben, um die Situation der [[Der Einsatz von Zwangsarbeitern im Deutschen Reich|Ostarbeiter]] sowie der übrigen ausländischen [[Die im KWIE eingesetzten Zwangsarbeiter|Zwangsarbeiter am KWIE]] zu verbessern. So gab er an: „Bei den Ostarbeitern war die Not besonders gross. Ich habe für die Männer Anträge gestellt unter dem Vorwnd [sic!], sie seien Transportarbeiter, obwohl dies nicht ganz zutraf, um für sie besondere Kleidungsstücke und Schuhe zu bekommen. Für alle Ausländer habe ich in der Werksküche, die unter meiner Leitung stand, Essen kochen lassen und sie beim Wirtschaftsamt als deutsche Gefolgschaftsmitglieder gemeldet, damit ich auch für sie die Zuteilungen bekam und im Lager nichts abgezogen wurde. Dies war für mich strafbar.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Bl. 24, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.</ref> Dass Betriebe versuchten, die Versorgung ihrer Zwangsarbeiter und insbesondere auch der rechtlich am schlechtesten gestellten Ostarbeiter gezielt zu verbessern, war durchaus verbreitet. Um die Leistungsfähigkeit der Arbeiter zu erhalten und zu steigern, wurden gerade in vielen [[Stahlunternehmen in Düsseldorf|Unternehmen der Metallindustrie]] die [[Behandlung der Zwangsarbeiter|strengen Behandlungsvorschriften]] gelockert, die für die Ostarbeiter galten, und auch zusätzliche Verpflegung zur Verfügung gestellt. Ein solches Vorgehen wurde ab 1943 im Interesse der allgemeinen Leistungssteigerung der Ostarbeiter auch vom NS-Staat gestützt.<ref>Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik, S. 151.</ref> Die Darstellung von Spies muss vor dem Hintergrund seines Entnazifizierungsverfahrens zugleich kritisch betrachtet werden, zumal es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass er die ausländischen Arbeitskräfte bei den Ämtern als deutsche „Gefolgschaftsangehörige“ falsch angemeldet hätte. | Weiterhin behauptete Spies im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens im Juni 1946, besondere Schritte unternommen zu haben, um die Situation der [[Der Einsatz von Zwangsarbeitern im Deutschen Reich|Ostarbeiter]] sowie der übrigen ausländischen [[Die im KWIE eingesetzten Zwangsarbeiter|Zwangsarbeiter am KWIE]] zu verbessern. So gab er an: „Bei den Ostarbeitern war die Not besonders gross. Ich habe für die Männer Anträge gestellt unter dem Vorwnd [sic!], sie seien Transportarbeiter, obwohl dies nicht ganz zutraf, um für sie besondere Kleidungsstücke und Schuhe zu bekommen. Für alle Ausländer habe ich in der Werksküche, die unter meiner Leitung stand, Essen kochen lassen und sie beim Wirtschaftsamt als deutsche Gefolgschaftsmitglieder gemeldet, damit ich auch für sie die Zuteilungen bekam und im Lager nichts abgezogen wurde. Dies war für mich strafbar.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Bl. 24, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.</ref> Dass Betriebe versuchten, die Versorgung ihrer Zwangsarbeiter und insbesondere auch der rechtlich am schlechtesten gestellten Ostarbeiter gezielt zu verbessern, war durchaus verbreitet. Um die Leistungsfähigkeit der Arbeiter zu erhalten und zu steigern, wurden gerade in vielen [[Stahlunternehmen in Düsseldorf|Unternehmen der Metallindustrie]] die [[Behandlung der Zwangsarbeiter|strengen Behandlungsvorschriften]] gelockert, die für die Ostarbeiter galten, und auch zusätzliche Verpflegung zur Verfügung gestellt. Ein solches Vorgehen wurde ab 1943 im Interesse der allgemeinen Leistungssteigerung der Ostarbeiter auch vom NS-Staat gestützt.<ref>Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik, S. 151.</ref> Die Darstellung von Spies muss vor dem Hintergrund seines Entnazifizierungsverfahrens zugleich kritisch betrachtet werden, zumal es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass er die ausländischen Arbeitskräfte bei den Ämtern als deutsche „Gefolgschaftsangehörige“ falsch angemeldet hätte. | ||
Für das Entnazifizierungsverfahren versuchte Spies, unter anderem eine Bestätigung von den französischen Arbeitskräften Dubois und Chagneau über seinen Umgang mit Zwangsarbeitern zu erhalten. Dem Antwortschreiben der beiden vom 6. Juli 1946 ist zu entnehmen, dass Spies wohl eine relativ weitgehende Bestätigung erbeten hatte, wahrscheinlich in Bezug auf seine Rolle als DAF-Betriebsobmann bei der Behandlung und Verpflegung der Zwangsarbeiter. Die knapp gehaltene Antwort lautete: „Monsieur, Nous avons bien reçu en leur temps vos lettre du 16 Avril et carte du 2 Juin 1946. Nous sommes au regret de vous faire savoir qu’il nous est très difficile de vous envoyer le certificat demandé; cependant, nous pouvons dire que dans vos rapports de travail vis â vis des étrangers! Russes, Belges et Francais [sic !], déportés en Allemagne, vous avez été correct. Veuillez agréer, Monsieur, nos salutations distinguées.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Anlage 11, Benachrichtigung an Ferdinand Spies, Abschrift, Paris, Juli 1946.</ref> Ein generell positives Leumundszeugnis wollten die ehemaligen französischen Zwangsarbeiter dem ehemaligen Nazi-Aktivisten Spies nicht ausstellen. Sie bestätigten aber, dass er im konkreten Arbeitszusammenhang die ausländischen Arbeitskräfte „korrekt“ behandelt habe. Diese Aussage zeugt nicht von einem besonderen Engagement von Spies für die Belange der Zwangsarbeiter und deren Wohlergehen, vielmehr hielt er sich wohl lediglich an die Vorschriften, worauf die Verwendung des Wortes „correct“ hindeutet. Dieses Dokument zeigt aber zumindest, dass es unter Spies’ direkter Ägide im [[Einsatz von Zwangsarbeitern aus der Düsseldorfer Stahl- und Eisenindustrie am KWIE|„Arbeitseinsatz“]] beim KWIE nicht zu [[Behandlung der Zwangsarbeiter|Misshandlungen und Ähnlichem kam]], weder an den West- noch an den Ostarbeitern. | Für das Entnazifizierungsverfahren versuchte Spies, unter anderem eine Bestätigung von den französischen Arbeitskräften Dubois und Chagneau über seinen Umgang mit Zwangsarbeitern zu erhalten. Dem Antwortschreiben der beiden vom 6. Juli 1946 ist zu entnehmen, dass Spies wohl eine relativ weitgehende Bestätigung erbeten hatte, wahrscheinlich in Bezug auf seine Rolle als DAF-Betriebsobmann bei der Behandlung und Verpflegung der Zwangsarbeiter. Die knapp gehaltene Antwort lautete: „Monsieur, Nous avons bien reçu en leur temps vos lettre du 16 Avril et carte du 2 Juin 1946. Nous sommes au regret de vous faire savoir qu’il nous est très difficile de vous envoyer le certificat demandé; cependant, nous pouvons dire que dans vos rapports de travail vis â vis des étrangers! Russes, Belges et Francais [sic !], déportés en Allemagne, vous avez été correct. Veuillez agréer, Monsieur, nos salutations distinguées.“<ref>LAV NRW, NW 1002-I-69945, Anlage 11, Benachrichtigung an Ferdinand Spies, Abschrift, Paris, Juli 1946.</ref> Ein generell positives Leumundszeugnis wollten die ehemaligen französischen Zwangsarbeiter dem ehemaligen Nazi-Aktivisten Spies nicht ausstellen. Sie bestätigten aber, dass er im konkreten Arbeitszusammenhang die ausländischen Arbeitskräfte „korrekt“ behandelt habe. Diese Aussage zeugt nicht von einem besonderen Engagement von Spies für die Belange der Zwangsarbeiter und deren Wohlergehen, vielmehr hielt er sich wohl lediglich an die Vorschriften, worauf die Verwendung des Wortes „correct“ hindeutet. Dieses Dokument zeigt aber zumindest, dass es unter Spies’ direkter Ägide im [[Einsatz von Zwangsarbeitern aus der Düsseldorfer Stahl- und Eisenindustrie am KWIE|„Arbeitseinsatz“]] beim KWIE nicht zu [[Behandlung der Zwangsarbeiter|Misshandlungen und Ähnlichem kam]], weder an den West- noch an den Ostarbeitern. |
Version vom 1. Juni 2020, 15:45 Uhr
Werdegang
Ferdinand Spies wurde am 21. April 1906 in Düsseldorf geboren. Nach dem Besuch der Volksschule begann er beim KWIE eine Lehre als Metallograph, die er im Jahr 1923 abschloss. Spies wurde schließlich 1936 zum technischen Assistenten und damit zum technischen Laborleiter der Metallographischen Abteilung befördert.[1]
Mitgliedschaft in NS-Organisationen
Im April 1933 trat Spies sowohl in die NSDAP und die SA ein. Für die NSDAP war er in den Jahren 1933 und 1940 jeweils für einige Monate als Blockhelfer tätig. In der SA bekleidete er als höchstes Amt den Rang eines Scharführers. 1934 wurde er Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), 1937 der DAF, dem NS-Bund Deutscher Technik (NSBDT) und dem NS-Reichsbund für Leibesübungen (NSRL). Sein Eintritt in den Reichsluftschutzbund (RLB) erfolgte 1939.[2]
Spies als „Kriegsbetriebsobmann“ der DAF
Die DAF verfügte innerhalb des Instituts nicht nur über zahlreiche Mitglieder, sondern konnte sich auch auf zahlreiche ehrenamtliche Funktionäre in allen Teilen der Belegschaft stützen. An ihrer Spitze stand der sogenannte „Betriebsobmann“ der DAF. Dies war seit 1934 der Laborant der Physikalischen Abteilung, Peter Clasen. Nachdem Clasen 1939 zum Wehrdienst eingezogen worden war, übernahm zunächst sein Stellvertreter Peter Göbbels das Amt des „Betriebsobmanns“, aus gesundheitlichen Gründen aber nur für kurze Zeit. Noch im selben Jahr wurde Spies zum „Betriebsobmann“ ernannt.[3] Dazu gab Spies in der Nachkriegszeit im Verlauf seines Entnazifizierungsverfahrens an: „Als der Betriebsobmann des Instituts zur Wehrmacht einberufen war und sein Stellvertreter aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, wurde ich von dem damaligen Direktor des Instituts, Herrn Professor Körber gebeten, diesen Posten zu übernehmen.“[4] Im Juli 1946 bestätigte Nora Körber, die Witwe des 1944 verstorbenen Institutsdirektors, diese Darstellung: „Ich […] kenne Herrn Ferdinand Spiess [sic!] seit 26 Jahren […] Ich weiss, dass mein Mann Herrn Spiess [sic!] als Arbeitskollegen und Menschen wegen seiner Lauterkeit und anständigen Gesinnung gegen Jedermann im Institut, sehr geschätzt hat, und ihn daher mit Sonderaufgaben auf sozialem Gebiete in seinem Institut betraute.“[5] Auch wenn Äußerungen in den Entnazifizierungsakten der Nachkriegszeit und den darin enthaltenen Leumundszeugnissen generell mit Vorsicht zu bewerten sind, zeigt sich hier dennoch, dass es sich bei den führenden DAF-Funktionären – den Betriebsobmännern – um langjährige Betriebsangehörige handelte, die offensichtlich das Vertrauen Körbers genossen. Weiterhin behauptete Spies im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens im Juni 1946, besondere Schritte unternommen zu haben, um die Situation der Ostarbeiter sowie der übrigen ausländischen Zwangsarbeiter am KWIE zu verbessern. So gab er an: „Bei den Ostarbeitern war die Not besonders gross. Ich habe für die Männer Anträge gestellt unter dem Vorwnd [sic!], sie seien Transportarbeiter, obwohl dies nicht ganz zutraf, um für sie besondere Kleidungsstücke und Schuhe zu bekommen. Für alle Ausländer habe ich in der Werksküche, die unter meiner Leitung stand, Essen kochen lassen und sie beim Wirtschaftsamt als deutsche Gefolgschaftsmitglieder gemeldet, damit ich auch für sie die Zuteilungen bekam und im Lager nichts abgezogen wurde. Dies war für mich strafbar.“[6] Dass Betriebe versuchten, die Versorgung ihrer Zwangsarbeiter und insbesondere auch der rechtlich am schlechtesten gestellten Ostarbeiter gezielt zu verbessern, war durchaus verbreitet. Um die Leistungsfähigkeit der Arbeiter zu erhalten und zu steigern, wurden gerade in vielen Unternehmen der Metallindustrie die strengen Behandlungsvorschriften gelockert, die für die Ostarbeiter galten, und auch zusätzliche Verpflegung zur Verfügung gestellt. Ein solches Vorgehen wurde ab 1943 im Interesse der allgemeinen Leistungssteigerung der Ostarbeiter auch vom NS-Staat gestützt.[7] Die Darstellung von Spies muss vor dem Hintergrund seines Entnazifizierungsverfahrens zugleich kritisch betrachtet werden, zumal es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass er die ausländischen Arbeitskräfte bei den Ämtern als deutsche „Gefolgschaftsangehörige“ falsch angemeldet hätte. Für das Entnazifizierungsverfahren versuchte Spies, unter anderem eine Bestätigung von den französischen Arbeitskräften Dubois und Chagneau über seinen Umgang mit Zwangsarbeitern zu erhalten. Dem Antwortschreiben der beiden vom 6. Juli 1946 ist zu entnehmen, dass Spies wohl eine relativ weitgehende Bestätigung erbeten hatte, wahrscheinlich in Bezug auf seine Rolle als DAF-Betriebsobmann bei der Behandlung und Verpflegung der Zwangsarbeiter. Die knapp gehaltene Antwort lautete: „Monsieur, Nous avons bien reçu en leur temps vos lettre du 16 Avril et carte du 2 Juin 1946. Nous sommes au regret de vous faire savoir qu’il nous est très difficile de vous envoyer le certificat demandé; cependant, nous pouvons dire que dans vos rapports de travail vis â vis des étrangers! Russes, Belges et Francais [sic !], déportés en Allemagne, vous avez été correct. Veuillez agréer, Monsieur, nos salutations distinguées.“[8] Ein generell positives Leumundszeugnis wollten die ehemaligen französischen Zwangsarbeiter dem ehemaligen Nazi-Aktivisten Spies nicht ausstellen. Sie bestätigten aber, dass er im konkreten Arbeitszusammenhang die ausländischen Arbeitskräfte „korrekt“ behandelt habe. Diese Aussage zeugt nicht von einem besonderen Engagement von Spies für die Belange der Zwangsarbeiter und deren Wohlergehen, vielmehr hielt er sich wohl lediglich an die Vorschriften, worauf die Verwendung des Wortes „correct“ hindeutet. Dieses Dokument zeigt aber zumindest, dass es unter Spies’ direkter Ägide im „Arbeitseinsatz“ beim KWIE nicht zu Misshandlungen und Ähnlichem kam, weder an den West- noch an den Ostarbeitern.
„UK“-Stellung während des Kriegs
Während des Zweiten Weltkriegs war er durch den Betrieb „UK“ (unabkömmlich) gestellt. Zwischen dem 1. Februar und dem 16. März 1942 hatte Spies jedoch als ziviler Ski-Lehrer im belgischen Elsenborn Wehrmachts-Angehörige der 166. Division unterrichtet. Gegen Kriegsende wurde er zwischen Dezember 1944 und März 1945 noch zum Volkssturm herangezogen.[9]
Entlassung nach dem Zweiten Weltkrieg
Bereits wenige Monate nach Kriegsende begann eine erste Entnazifizierungsphase am KWIE. Im Zuge dessen erfolgte eine vorläufige Begutachtung der Institutsbelegschaft. Diese Begutachtung war im September 1945 abgeschlossen. Spies wurde zwar in den Blick genommen, jedoch als lediglich „formal belastet“ eingestuft. Diese formale Belastung wurde Spies aufgrund seiner seit April 1933 bestehenden Mitgliedschaft in der NSDAP und der SA attestiert. Bei der SA hatte Spies den Rang eines Scharführers. Zudem bekleidete er am KWIE als DAF-Funktionär das Amt des sogenannten „Kriegs-Betriebsobmanns“. Spies durfte nach dieser Begutachtung seine Stelle zunächst behalten, „da er nachweisbar während seiner Amtsführung als Betriebsobmann sich stets loyal gezeigt hat und sich auch für die gute Behandlung der Fremdarbeiter positiv eingesetzt hat. Als Buße wurde ihm ein Gehaltsabzug von RM 50,00 monatlich für 5 Jahre auferlegt.“[10] Basierend auf weiteren Überprüfungen durch die britischen Behörden wurden allerdings weitere Entlassungen aus politischen Gründen für das KWIE angeordnet. So ordnete die Militärregierung am 6. Oktober 1945 die Entlassung von weiteren sechs Betriebsangehörigen an.[11] Dazu zählte nun doch Ferdinand Spies. Hintergrund dieser Anordnung bildete eine weitere politische Überprüfung, die neben der von Betriebsausschuss und Gewerkschaft durchgeführt wurde. Hierfür war der Field Security Service, Mil. Gov. 606 Det. Clausthal zuständig.[12] Mit dem Anliegen, die Entlassungen zu verhindern, war das KWIE bei den Alliierten und den zuständigen zivilen Behörden auf deutscher Seite nicht erfolgreich. So teilte der zuständige Landrat des Kreises Zellerfeld dem KWIE am 6. November 1945 mit, dass nach Rücksprache mit dem Field Security Reserve Detachment alle genannten Personen zu entlassen seien, also auch Spies.[13] Die Entlassung dieser sechs Institutsmitarbeiter sollte zum 15. November 1945 erfolgen.[14] Spies fand daraufhin eine Anstellung als Hilfsarbeiter in einem Sägewerk.[15]
Weiteres Entnazifizierungsverfahren und Wiedereinstellung beim Institut
Im Juni 1946 reichte Spies einen umfangreichen „Antrag zur politischen Entlastung“ ein. Die politische Rolle von Spies ließ sich nicht leugnen, aber doch relativieren. So gestand er zunächst ein, dass er „von der NSDAP und ihrem Programm einmal viel Gutes erwartete, wie mit mir die grosse Masse des deutschen Volkes“. Er fuhr fort: „Ich habe einer Partei angehört und in ihren Gliederungen Tätigkeiten ausgeübt, deren Inhalt Hilfsbereitschaft, Sozialismus, Gerechtigkeit waren.“ Er selbst war sich dabei keiner Schuld bewusst, da er „nachweislich alle kleinen und grossen Verbrechen der Partei und ihrer Führer, soweit sie mir überhaupt bekannt waren, verurteilte“.[16] Seine Tätigkeit am Institut als DAF-„Betriebsobmann“ habe er auf Bitte Direktor Körbers übernommen, politische Beweggründe hätten dabei keine Rolle gespielt. Außerdem habe er das Amt nicht mit politischen Zielen geführt.[17] Spies untermauerte seine Darstellung mit zahlreichen Leumundszeugnissen von Institutsmitarbeitern. Der Laborant der Chemischen Abteilung des KWIE Hans Haase gab im Dezember 1946 gegenüber dem Entnazifizierungsausschuss des Kreises Zellerfeld eine politische Beurteilung über Spies ab, die für Spies wenig schmeichelhaft ausfiel, ihn aber doch entlastete: „Herr Spiess [sic] ist mir als Wichtigtuer bekannt. In der Politik wie als „Betriebsobmann“ benahm er sich entsprechend. Als Aktivist im üblen Sinne kann ich ihn jedoch nicht bezeichnen.“[18] Am 28. Juli 1947 erhielt Spies von der Militärregierung einen Einreihungsbescheid in die Kategorie III („Minderbelasteter“). Er durfte seiner Tätigkeit als Metallograph zwar nachgehen, eine aufsichtführende Stellung im öffentlichen oder nicht öffentlichen Dienst wurde ihm verboten.[19] Unter diesen Voraussetzungen konnte Spies zu Beginn des Jahres 1948 seine Tätigkeit beim KWIE wieder aufnehmen.[20] Im Rahmen eines Berufungsverfahrens erreichte Spies Ende 1948 vor dem Düsseldorfer Entnazifizierungsausschuss schließlich eine Neueinstufung in die Kategorie IV („Mitläufer“).[21]
Einzelnachweise
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Fragebogen des Military Governments, 13.06.1947.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Fragebogen des Military Governments, 13.06.1947.
- ↑ MPIE, 6-0-11, 2. Feldpostbrief der Daheimgebliebenen aus dem Eiseninstitut, 15.11.1939.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Erklärung Nora Körber, 15.07.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Bl. 24, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.
- ↑ Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik, S. 151.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Anlage 11, Benachrichtigung an Ferdinand Spies, Abschrift, Paris, Juli 1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Fragebogen des Military Government, 05.08.1945.
- ↑ NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66974, Entnazifizierungsakte Max Hempel, Protokoll der politischen Begutachtung im Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung, 22.09.1945.
- ↑ NLA HA Nds. 171 Hildesheim, Nr. 66974, Entnazifizierungsakte Max Hempel, Schreiben des KWIE an den Landrat des Kreises Zellerfeld, 09.11.1945. Siehe hierzu auch NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66974, Entnazifizierungsakte Max Hempel, Schreiben des Landrats des Kreises Zellerfeld an die Militärregierung z. Hd. Captain Whitely, 29.10.1945.
- ↑ Letzteres wird erwähnt in NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66974, Entnazifizierungsakte Max Hempel, Schreiben von Hempel an den Kreisentnazifizierungsausschuss Clausthal, 06.07.1946.
- ↑ NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66974, Entnazifizierungsakte Max Hempel, Schreiben des Landrats des Kreises Zellerfeld an das KWIE, 06.11.1945.
- ↑ NLA HA Nds. 171 Hildesheim Nr. 66974, Entnazifizierungsakte Max Hempel, Schreiben des KWIE an den Landrat des Kreises Zellerfeld, 09.11.1945.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung,
- ↑ 15.06.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Antrag zur politischen Entlastung, 15.06.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Schreiben von Haase an das KC für Schulwesen, 06.12.1946.
- ↑ LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Einreihungsbescheid der Militärregierung, 28.07.1947.
- ↑ In seinem Einreihungsbescheid des „Sonderbeauftragten für die Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen“ vom 11. März 1949 war darüber hinaus keine Vermögenssperre vorgesehen. LAV NRW, NW 1002-I-69945, Entnazifizierungsakte Ferdinand Spies, Sitzungs-Protokoll der Berufungskammer für den Entnazifizierungsausschuss, Stadtkreis Düsseldorf, 23.12.1948; Einreihungsbescheid des Sonderbeauftragten für die Entnazifizierung im Lande Nordrhein-Westfalen, 11.03.1949.