Die ALSOS-Mission: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Wissenschaftler und Techniker, die im Rahmen der Mission in Deutschland unterwegs waren, waren selbst nicht am Manhattan-Projekt beteiligt und wussten auch nicht, dass es ein solches Projekt überhaupt gab.<ref>Goudsmit | |||
Die Wissenschaftler und Techniker, die im Rahmen der Mission in Deutschland unterwegs waren, waren selbst nicht am Manhattan-Projekt beteiligt und wussten auch nicht, dass es ein solches Projekt überhaupt gab.<ref>Goudsmit: ALSOS., S. 16.</ref> Die einzige Ausnahme war der wissenschaftliche Leiter der Mission, Samuel Goudsmit, der für die Mission ausgewählt worden, da er fließend Deutsch sprach und als Physiker einige Kenntnisse der Nuklearphysik besaß.<ref>Mackrakis: Surviving the Swastika, S. 181.</ref> | |||
==Interesse am KWIE== | ==Interesse am KWIE== | ||
Obwohl der Fokus der ALSOS-Mission auf der Nuklearforschung lag, untersuchten ihre Mitglieder unterschiedlichste Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Darunter | |||
Obwohl der Fokus der ALSOS-Mission auf der Nuklearforschung lag, untersuchten ihre Mitglieder unterschiedlichste Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Darunter waren auch das KWIE und andere Kaiser-Wilhelm Institute (KWI). Die Untersuchungen in diesem Bereich leitete der wissenschaftliche Berater („expert consultant“) Dr. Allan Bates, in dessen Zuständigkeitsbereich die Metallforschung lag.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Im März und April 1945 war Bates bei der Untersuchung verschiedener, als „major targets“ klassifizierten, Metallunternehmen westlich des Rheins und des Eisenhüttenmännischen Instituts der TH Aachen auf das KWIE und das KWI für Metallforschung aufmerksam gerworden: „[the] two great metallurgical research instituts of pre-war Germany, viz., the KWI für Eisenforschung, Düsseldorf and the KWI für Metallforschung Stuttgart had remained the outstanding organizations of their kind in war-time Germany and that the directors of these two institutes should constitute the major future targets.“ Bates und seine Mitarbeiter suchten damals u.a. die Deutschen Edelstahlwerke in Krefeld, die Dürener Metallwerke AG, IG Farben in Köln sowie Siemens-Halske in Köln auf.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Daraufhin kategorisiert Bates das KWIE und dessen [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|Direktor]] [[Franz Wever|Franz Wever]] als wichtige Ziele weiterer Aktivitäten. Hatte er zunächst darauf gehofft, diese Untersuchungen in Düsseldorf durchzuführen, erfuhr er Anfang April, dass das KWIE inzwischen [[Verlagerung des Instituts nach Clausthal|nach Clausthal verlegt]] worden war.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Daher reiste er nach Clausthal, wo er wenige Tage nach den ersten alliierten Truppen eintraf und umgehend mit der Inspektion des KWIE begann. Alle Institutsakten und einige Geräte wurden beschlagnahmt.<ref>Flachowsky: Wagenburg, S. 689.</ref> | |||
==Der Bates-Bericht== | ==Der Bates-Bericht== | ||
Über die Untersuchungen am KWIE und die Befragungen von Mitarbeitern verfasste Bates einen umfangreichen Bericht für die Verantwortlichen der Mission.<ref>Bates: Summary Report. </ref> Bemerkenswert an Bates’ Bericht ist seine Einschätzung der Forschungsaktivitäten des KWIE. Er bewertete „most of the research work“ als Fortsetzung der Forschungsarbeiten „carrried out in peace time“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Die Relevanz des Instituts und seiner Forschungen für militärische Anwendungen | |||
Über die Untersuchungen am KWIE und die Befragungen von Mitarbeitern verfasste Bates einen umfangreichen Bericht für die Verantwortlichen der Mission.<ref>Bates: Summary Report. </ref> Bemerkenswert an Bates’ Bericht ist seine Einschätzung der Forschungsaktivitäten des KWIE. Er bewertete „most of the research work“ als Fortsetzung der Forschungsarbeiten „carrried out in peace time“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Die Relevanz des Instituts und seiner Forschungen für militärische Anwendungen schätzte Bates als gering ein. Deutsche Wissenschaftler hätten sich insgesamt nur zu einem geringen Grad in den Dienst der deutschen Kriegsanstrengungen gestellt und nur wenige geheime Studien durchgeführt: „German scientists were in only small degree devoted to the German war effort. The majority of them were interested above all in continuing their normal, peaceful studies. Most of the German research work in progress during the war was a continuation of non-military, peace-time effort.“<ref>Bates: Summary Report.</ref> Dagegen wurde der traditionelle Beitrag der deutschen Wissenschaft zur Verbesserung der Lebensbedingungen in aller Welt betont. Der Großteil der Studien sei veröffentlicht worden und Menschen in aller Welt zugänglich gewesen: „German science has been at the disposal of the world and has contributed incalculably to improvement of the world’s standard of living. I found very little research work which had not been published in whole or in part.“<ref>Bates: Summary Report.</ref> Dieses Ergebnis steht in deutlichem Gegensatz zu den [[Übersicht: Autarkie- und Rüstungsforschung|umfangreichen Rüstungsforschungen]], die bereits seit den [[Rüstungsforschung zur Zeit der Weimarer Republik|1920er Jahren am KWIE]] durchgeführt wurden. | |||
Auch die Wissenschaftler sah Bates als nicht direkt in die Rüstungsforschung involviert, sondern gar als militärkritisch eingestellt: „The German scientists whom I have encountered have, with few exceptions, felt themselves ill-treated by the German military and have been resentful of the regimentation to which they were subjected“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Sie seien sogar Bewunderer der amerikanischen Wissenschaft: „They were uniform in their admiration of and respect for American science and technology“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Bates verstand die deutsche wissenschaftliche Elite darüber hinaus als eine Schicht, die zum Aufbau eines neuen Nachkriegsdeutschlands viel beitragen könne: „They are probably the most internationally-minded class in Germany and would provide the most hopeful nucleus about which to regenerate a non-militaristic, non-chauvinistic Germany“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> | Auch die Wissenschaftler sah Bates als nicht direkt in die Rüstungsforschung involviert, sondern gar als militärkritisch eingestellt: „The German scientists whom I have encountered have, with few exceptions, felt themselves ill-treated by the German military and have been resentful of the regimentation to which they were subjected“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Sie seien sogar Bewunderer der amerikanischen Wissenschaft: „They were uniform in their admiration of and respect for American science and technology“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> Bates verstand die deutsche wissenschaftliche Elite darüber hinaus als eine Schicht, die zum Aufbau eines neuen Nachkriegsdeutschlands viel beitragen könne: „They are probably the most internationally-minded class in Germany and would provide the most hopeful nucleus about which to regenerate a non-militaristic, non-chauvinistic Germany“.<ref>Bates: Summary Report.</ref> | ||
Bates’ Bericht ist insgesamt ein bemerkenswertes Beispiel für ein positives, weitgehend unpolitisches Bild von der deutschen Wissenschaft, wie es auf Seiten der Alliierten, offenbar zumindest bei den wissenschaftlichen Beratern der amerikanischen Besatzungsmacht, vorherrschte. Über den Krieg hinaus und die Kriegsfronten hinweg hatte auf Seiten der Alliierten die Idee einer überpolitischen scientific community eine solche Wirkungsmacht, dass das KWIE im Rahmen der alliierten Missionen trotz deren erheblicher Verstrickung in die NS-Kriegs- und Rüstungswirtschaft als entlastet eingestuft wurde.<ref>Heinemann | |||
Bates’ Bericht ist insgesamt ein bemerkenswertes Beispiel für ein positives, weitgehend unpolitisches Bild von der deutschen Wissenschaft, wie es auf Seiten der Alliierten, offenbar zumindest bei den wissenschaftlichen Beratern der amerikanischen Besatzungsmacht, vorherrschte. Über den Krieg hinaus und die Kriegsfronten hinweg hatte auf Seiten der Alliierten die Idee einer überpolitischen scientific community eine solche Wirkungsmacht, dass das KWIE im Rahmen der alliierten Missionen trotz deren erheblicher Verstrickung in die NS-Kriegs- und Rüstungswirtschaft als entlastet eingestuft wurde.<ref>Heinemann: Wiederaufbau und Neugründungen S. 417. </ref> Auch die Befragungen durch die alliierten Kommissionen an den KWI liefen in der Regel in kollegial-freundschaftlicher Atmosphäre ab. Die vollständige Demontage eines Instituts kam de facto nicht vor. Meist konnte auch nach der Institutsbesetzung und den Beschlagnahmungen weitergearbeitet werden.<ref>Heinemann: Wiederaufbau und Neugründungen, S. 417; Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 934-952.</ref> | |||
==Weitere Untersuchungen== | ==Weitere Untersuchungen== | ||
Nach Abschluss seiner Arbeiten übertrug Bates, der im Wesentlichen als eine Art Vorauskommando der ALSOS-Mission agierte, die gesammelten Akten und Materialien an Samuel Hoyt. Hoyt war zugleich auch die Evaluierung der „war work“ des KWI für Metallforschung in Stuttgart bzw. an seinen Verlagerungsorten im amerikanischen Einflussbereich übertragen worden.<ref>Bates: Summary Report; Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 939.</ref> Ein Bericht von Hoyt über das KWIE ist nicht überliefert, jedoch wurde das Institut offenbar als für die Amerikaner relevant eingestuft. Hoyt plante, die beiden metallforschenden Institute der KWG noch im Spätsommer 1945 wieder in Betrieb zu nehmen und sogar zusammenzuführen. Er erhielt von Samuel Abraham Goudsmit, dem Leiter der ALSOS-Mission, zu diesem Zweck die Erlaubnis, beide Institute in die US-Zone zu evakuieren. Die Umsetzung der Pläne dürfte jedoch vor allem an den Interessen der anderen beiden westalliierten Besatzungsmächte, Frankreich und Großbritannien, gescheitert sein.<ref>Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 939-943.</ref> | Nach Abschluss seiner Arbeiten übertrug Bates, der im Wesentlichen als eine Art Vorauskommando der ALSOS-Mission agierte, die gesammelten Akten und Materialien an Samuel Hoyt. Hoyt war zugleich auch die Evaluierung der „war work“ des KWI für Metallforschung in Stuttgart bzw. an seinen Verlagerungsorten im amerikanischen Einflussbereich übertragen worden.<ref>Bates: Summary Report; Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 939.</ref> Ein Bericht von Hoyt über das KWIE ist nicht überliefert, jedoch wurde das Institut offenbar als für die Amerikaner relevant eingestuft. Hoyt plante, die beiden metallforschenden Institute der KWG noch im Spätsommer 1945 wieder in Betrieb zu nehmen und sogar zusammenzuführen. Er erhielt von Samuel Abraham Goudsmit, dem Leiter der ALSOS-Mission, zu diesem Zweck die Erlaubnis, beide Institute in die US-Zone zu evakuieren. Die Umsetzung der Pläne dürfte jedoch vor allem an den Interessen der anderen beiden westalliierten Besatzungsmächte, Frankreich und Großbritannien, gescheitert sein.<ref>Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 939-943.</ref> | ||
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Aktuelle Version vom 20. Januar 2021, 15:21 Uhr
Die ALSOS-Mission ist die bekannteste der zahlreichen alliierten Wissenschaftsmissionen, die 1945 in Deutschland unterwegs war. Ihre Bekanntheit resultiert zum einen aus ihrem Fokus auf die Nuklearforschung und zum anderen darauf, dass leitende Mitglieder Bücher über die Mission veröffentlichten.[1] Die ALSOS-Mission war Teil des Manhattan-Projekts und hatte das Ziel herauszufinden, wie weit das deutsche Atombombenprogramm fortgeschritten war.[2] Implizit sollte sie darüber hinaus herausfinden, welche deutschen Forschungen nützlich für das Manhattan-Projekt sein könnten.[3] Als Name der Mission wurde das griechische Wort „ἄλσος“ gewählt, das „Hain“ – auf Englisch „grove“ – bedeutet und wegen Major General Leslie R. Groves, dem militärischem Leiter des Manhattan-Projekts, gewählt wurde.[4] Groves hielt dies für eine schlechte Idee, da Missionsnamen so gewählt werden sollten, dass keine Rückschlüsse auf das Ziel oder beteiligte Personen möglich wären. Dennoch wollte er den Namen aber nicht mehr ändern, um keine Aufmerksamkeit darauf zu ziehen.[5]
Die Wissenschaftler und Techniker, die im Rahmen der Mission in Deutschland unterwegs waren, waren selbst nicht am Manhattan-Projekt beteiligt und wussten auch nicht, dass es ein solches Projekt überhaupt gab.[6] Die einzige Ausnahme war der wissenschaftliche Leiter der Mission, Samuel Goudsmit, der für die Mission ausgewählt worden, da er fließend Deutsch sprach und als Physiker einige Kenntnisse der Nuklearphysik besaß.[7]
Interesse am KWIE
Obwohl der Fokus der ALSOS-Mission auf der Nuklearforschung lag, untersuchten ihre Mitglieder unterschiedlichste Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Darunter waren auch das KWIE und andere Kaiser-Wilhelm Institute (KWI). Die Untersuchungen in diesem Bereich leitete der wissenschaftliche Berater („expert consultant“) Dr. Allan Bates, in dessen Zuständigkeitsbereich die Metallforschung lag.[8] Im März und April 1945 war Bates bei der Untersuchung verschiedener, als „major targets“ klassifizierten, Metallunternehmen westlich des Rheins und des Eisenhüttenmännischen Instituts der TH Aachen auf das KWIE und das KWI für Metallforschung aufmerksam gerworden: „[the] two great metallurgical research instituts of pre-war Germany, viz., the KWI für Eisenforschung, Düsseldorf and the KWI für Metallforschung Stuttgart had remained the outstanding organizations of their kind in war-time Germany and that the directors of these two institutes should constitute the major future targets.“ Bates und seine Mitarbeiter suchten damals u.a. die Deutschen Edelstahlwerke in Krefeld, die Dürener Metallwerke AG, IG Farben in Köln sowie Siemens-Halske in Köln auf.[9] Daraufhin kategorisiert Bates das KWIE und dessen Direktor Franz Wever als wichtige Ziele weiterer Aktivitäten. Hatte er zunächst darauf gehofft, diese Untersuchungen in Düsseldorf durchzuführen, erfuhr er Anfang April, dass das KWIE inzwischen nach Clausthal verlegt worden war.[10] Daher reiste er nach Clausthal, wo er wenige Tage nach den ersten alliierten Truppen eintraf und umgehend mit der Inspektion des KWIE begann. Alle Institutsakten und einige Geräte wurden beschlagnahmt.[11]
Der Bates-Bericht
Über die Untersuchungen am KWIE und die Befragungen von Mitarbeitern verfasste Bates einen umfangreichen Bericht für die Verantwortlichen der Mission.[12] Bemerkenswert an Bates’ Bericht ist seine Einschätzung der Forschungsaktivitäten des KWIE. Er bewertete „most of the research work“ als Fortsetzung der Forschungsarbeiten „carrried out in peace time“.[13] Die Relevanz des Instituts und seiner Forschungen für militärische Anwendungen schätzte Bates als gering ein. Deutsche Wissenschaftler hätten sich insgesamt nur zu einem geringen Grad in den Dienst der deutschen Kriegsanstrengungen gestellt und nur wenige geheime Studien durchgeführt: „German scientists were in only small degree devoted to the German war effort. The majority of them were interested above all in continuing their normal, peaceful studies. Most of the German research work in progress during the war was a continuation of non-military, peace-time effort.“[14] Dagegen wurde der traditionelle Beitrag der deutschen Wissenschaft zur Verbesserung der Lebensbedingungen in aller Welt betont. Der Großteil der Studien sei veröffentlicht worden und Menschen in aller Welt zugänglich gewesen: „German science has been at the disposal of the world and has contributed incalculably to improvement of the world’s standard of living. I found very little research work which had not been published in whole or in part.“[15] Dieses Ergebnis steht in deutlichem Gegensatz zu den umfangreichen Rüstungsforschungen, die bereits seit den 1920er Jahren am KWIE durchgeführt wurden.
Auch die Wissenschaftler sah Bates als nicht direkt in die Rüstungsforschung involviert, sondern gar als militärkritisch eingestellt: „The German scientists whom I have encountered have, with few exceptions, felt themselves ill-treated by the German military and have been resentful of the regimentation to which they were subjected“.[16] Sie seien sogar Bewunderer der amerikanischen Wissenschaft: „They were uniform in their admiration of and respect for American science and technology“.[17] Bates verstand die deutsche wissenschaftliche Elite darüber hinaus als eine Schicht, die zum Aufbau eines neuen Nachkriegsdeutschlands viel beitragen könne: „They are probably the most internationally-minded class in Germany and would provide the most hopeful nucleus about which to regenerate a non-militaristic, non-chauvinistic Germany“.[18]
Bates’ Bericht ist insgesamt ein bemerkenswertes Beispiel für ein positives, weitgehend unpolitisches Bild von der deutschen Wissenschaft, wie es auf Seiten der Alliierten, offenbar zumindest bei den wissenschaftlichen Beratern der amerikanischen Besatzungsmacht, vorherrschte. Über den Krieg hinaus und die Kriegsfronten hinweg hatte auf Seiten der Alliierten die Idee einer überpolitischen scientific community eine solche Wirkungsmacht, dass das KWIE im Rahmen der alliierten Missionen trotz deren erheblicher Verstrickung in die NS-Kriegs- und Rüstungswirtschaft als entlastet eingestuft wurde.[19] Auch die Befragungen durch die alliierten Kommissionen an den KWI liefen in der Regel in kollegial-freundschaftlicher Atmosphäre ab. Die vollständige Demontage eines Instituts kam de facto nicht vor. Meist konnte auch nach der Institutsbesetzung und den Beschlagnahmungen weitergearbeitet werden.[20]
Weitere Untersuchungen
Nach Abschluss seiner Arbeiten übertrug Bates, der im Wesentlichen als eine Art Vorauskommando der ALSOS-Mission agierte, die gesammelten Akten und Materialien an Samuel Hoyt. Hoyt war zugleich auch die Evaluierung der „war work“ des KWI für Metallforschung in Stuttgart bzw. an seinen Verlagerungsorten im amerikanischen Einflussbereich übertragen worden.[21] Ein Bericht von Hoyt über das KWIE ist nicht überliefert, jedoch wurde das Institut offenbar als für die Amerikaner relevant eingestuft. Hoyt plante, die beiden metallforschenden Institute der KWG noch im Spätsommer 1945 wieder in Betrieb zu nehmen und sogar zusammenzuführen. Er erhielt von Samuel Abraham Goudsmit, dem Leiter der ALSOS-Mission, zu diesem Zweck die Erlaubnis, beide Institute in die US-Zone zu evakuieren. Die Umsetzung der Pläne dürfte jedoch vor allem an den Interessen der anderen beiden westalliierten Besatzungsmächte, Frankreich und Großbritannien, gescheitert sein.[22]
Einzelnachweise
→ zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis
- ↑ Goudsmit: ALSOS
- ↑ Groves: Now It Can Be Told, S. 186.
- ↑ Beck/Bortz/Lynch/Mayo/Weld: The Technical Services, S. 556. https://history.army.mil/html/books/010/10-22/CMH_Pub_10-22.pdf
- ↑ Beck/Bortz/Lynch/Mayo/Weld: The Technical Services, S. 557. https://history.army.mil/html/books/010/10-22/CMH_Pub_10-22.pdf
- ↑ Groves: Now It Can Be Told, S. 191.
- ↑ Goudsmit: ALSOS., S. 16.
- ↑ Mackrakis: Surviving the Swastika, S. 181.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Flachowsky: Wagenburg, S. 689.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Bates: Summary Report.
- ↑ Heinemann: Wiederaufbau und Neugründungen S. 417.
- ↑ Heinemann: Wiederaufbau und Neugründungen, S. 417; Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 934-952.
- ↑ Bates: Summary Report; Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 939.
- ↑ Maier: Forschung als Waffe Bd. 2, S. 939-943.