Die Vorgeschichte des KWIE: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Gründung des KWIE ging eine lange Phase der Überlegungen, Ideen und Planungen für | [[Datei:Fritz Wuest Mitteilungen aus dem KWIE 1942.jpg|thumb|[[Fritz Wüst|Fritz Wüst]], Leiter des Eisenhüttenmännischen Instituts der Technischen Hochschule Aachen, setzte sich während des Ersten Weltkriegs dafür ein, ein Eisenforschungsinstitut zu gründen.]] | ||
Der Gründung des KWIE ging eine lange Phase der Überlegungen, Ideen und Planungen für eine überbetriebliche Forschungseinrichtung für das Eisenhüttenwesen voraus. Zu ersten Überlegungen über die Gründung eines solchen Eisenforschungsinstituts kam es bereits im frühen 19. Jahrhundert. Auch wenn eine solche Einrichtung in der deutschen Schwerindustrie wiederholt angedacht wurde, gingen die Pläne bis zum [https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg Ersten Weltkrieg] nicht über das erste Stadium einer allgemeinen Erörterung hinaus.<ref>Vgl. Dönges: Geschichte, S. 1 u. Flachowsky: Wagenburg, S. 672.</ref> | |||
==Der Erste Weltkrieg als Katalysator für die KWIE-Gründung== | ==Der Erste Weltkrieg als Katalysator für die KWIE-Gründung== | ||
Die Erfahrungen der deutschen Industrie im Ersten Weltkrieg trieben die Entscheidung zugunsten der [[Die Gründung des KWIE|Gründung eines Eisenforschungsinstituts]] maßgeblich voran. Dabei kamen mehrere Entwicklungen zusammen: Im Krieg zeigte sich, dass die deutschen Stähle – im Gegensatz etwa zu britischen Materialien – nicht den Rüstungsbedürfnissen von Heer und Marine entsprachen. Aus Sicht der Rüstungsindustrie und des Militärs war eine Qualitätsverbesserung des deutschen Stahls notwendig und eine gesteigerte Forschungsaktivität damit unumgänglich. Die Firmenlabore erschienen aufgrund der Ausrichtung auf das Tagesgeschäft ungeeignet; den Hochschulen fehlte der erforderliche finanzielle Spielraum.<ref>Flachowsky: Wagenburg, S. 673; Flachowsky: Das MPIE, S. 128.</ref> Darüber hinaus sanken die Erzimporte für die deutsche Schwerindustrie aufgrund der Blockadepolitik der Entente schon zu Kriegsbeginn um zwei Drittel. Die Industrie sah sich gezwungen, zukünftig technische Verfahren auszuarbeiten, um Stahl angesichts knapper werdender Ressourcen rohstoffsparender und effizienter produzieren zu können. Zudem sollten die heimischen, erzärmeren Gruben intensiver genutzt und die Erzaufbereitung verbessert werden. Zusätzlich wurde für den Fall eines möglichen Waffenstillstands ein Wirtschaftsembargo der Alliierten und ein Wirtschaftskrieg befürchtet, auf den man sich ebenfalls vorbereiten wollte.<ref>Flachowsky: Das MPIE, S. 128. | |||
Die Erfahrungen der deutschen Industrie im Ersten Weltkrieg trieben die Entscheidung zugunsten der [[Die Gründung des KWIE|Gründung eines Eisenforschungsinstituts]] maßgeblich voran. Dabei kamen mehrere Entwicklungen zusammen: Im Krieg zeigte sich, dass die deutschen Stähle – im Gegensatz etwa zu britischen Materialien – nicht den Rüstungsbedürfnissen von Heer und Marine entsprachen. Aus Sicht der Rüstungsindustrie und des Militärs war eine Qualitätsverbesserung des deutschen Stahls notwendig und eine gesteigerte Forschungsaktivität damit unumgänglich. Die Firmenlabore erschienen aufgrund der Ausrichtung auf das Tagesgeschäft ungeeignet; den Hochschulen fehlte der erforderliche finanzielle Spielraum.<ref>Flachowsky: Wagenburg, S. 673; Flachowsky: Das MPIE, S. 128.</ref> Darüber hinaus sanken die Erzimporte für die deutsche Schwerindustrie aufgrund der Blockadepolitik der Entente schon zu Kriegsbeginn um zwei Drittel. Die Industrie sah sich gezwungen, zukünftig technische Verfahren auszuarbeiten, um Stahl angesichts knapper werdender Ressourcen rohstoffsparender und effizienter produzieren zu können. Zudem sollten die heimischen, erzärmeren Gruben intensiver genutzt und die Erzaufbereitung verbessert werden. Zusätzlich wurde für den Fall eines möglichen Waffenstillstands ein Wirtschaftsembargo der Alliierten und ein Wirtschaftskrieg befürchtet, auf den man sich ebenfalls vorbereiten wollte.<ref>Flachowsky: Das MPIE, S. 128. Siehe auch: Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 340-342; Flachowsky: Wagenburg, S. 674; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 158 f; Haus: Lothringen, S. 44.</ref> | |||
==Institutionelle Rahmenbedingungen== | ==Institutionelle Rahmenbedingungen== | ||
Bei der Gründung des KWIE im Jahr 1917 griff man auf die bestehende Forschungsinfrastruktur zurück. Dafür bot sich insbesondere die 1911 gegründete, außeruniversitäre Großforschungsanstalt Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) an. Die KWG hatte sich während der Kriegsjahre nicht nur zu einem neuen „Gravitationszentrum der deutschen Forschung“ entwickelt, sondern stellte auch einen Teil ihrer Institute zunehmend und aktiv in den Dienst kriegsrelevanter und waffentechnischer Forschung.<ref>Zitat nach Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 52. Ash | |||
Im Zusammenhang mit dem Hindenburg-Programm entstand 1916 zusätzlich die [[Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft|Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft (KWKW)]]. Dabei handelte es sich um eine zivile Instanz, die wissenschaftliche Arbeiten mit kriegstechnischer Relevanz für Heer und Marine koordinieren und fördern sollte. Der Fachausschuss VI für Metallgewinnung und Metallbearbeitung der KWKW wurde von [[Fritz Wüst|Professor Dr. Fritz Wüst]], dem damaligen Leiter des Eisenhüttenmännischen Instituts der Technischen Hochschule Aachen (der heutigen RWTH Aachen) und späteren [[Direktoren|ersten Direktor des KWIE]], geleitet. Im Rahmen der Arbeiten der KWKW wurden den Beteiligten schnell große Lücken in der Grundlagenforschung über Eisen und Ersatzmetalle deutlich, die nur durch die Gründung eines Eisenforschungsinstituts geschlossen werden könnten. | Bei der Gründung des KWIE im Jahr 1917 griff man auf die bestehende Forschungsinfrastruktur zurück. Dafür bot sich insbesondere die 1911 gegründete, außeruniversitäre Großforschungsanstalt [[Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft|Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG)]] an. Die KWG hatte sich während der Kriegsjahre nicht nur zu einem neuen „Gravitationszentrum der deutschen Forschung“ entwickelt, sondern stellte auch einen Teil ihrer Institute zunehmend und aktiv in den Dienst kriegsrelevanter und waffentechnischer Forschung.<ref>Zitat nach Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 52. Ash: Ressourcenaustausche, S. 312. </ref> So wurden im Laufe des Ersten Weltkriegs mehrere neue Kaiser-Wilhelm-Institute gegründet. | ||
Im Zusammenhang mit dem Hindenburg-Programm entstand 1916 zusätzlich die [[Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft|Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft (KWKW)]]. Dabei handelte es sich um eine zivile Instanz, die wissenschaftliche Arbeiten mit kriegstechnischer Relevanz für Heer und Marine koordinieren und fördern sollte. Der Fachausschuss VI für Metallgewinnung und Metallbearbeitung der KWKW wurde von [[Fritz Wüst|Professor Dr. Fritz Wüst]], dem damaligen Leiter des Eisenhüttenmännischen Instituts der Technischen Hochschule Aachen (der heutigen RWTH Aachen) und späteren [[Die Direktoren des KWIE im Nationalsozialismus|ersten Direktor des KWIE]], geleitet. Im Rahmen der Arbeiten der KWKW wurden den Beteiligten schnell große Lücken in der Grundlagenforschung über Eisen und Ersatzmetalle deutlich, die nur durch die Gründung eines Eisenforschungsinstituts geschlossen werden könnten. | |||
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Aktuelle Version vom 12. Juni 2020, 09:46 Uhr
Der Gründung des KWIE ging eine lange Phase der Überlegungen, Ideen und Planungen für eine überbetriebliche Forschungseinrichtung für das Eisenhüttenwesen voraus. Zu ersten Überlegungen über die Gründung eines solchen Eisenforschungsinstituts kam es bereits im frühen 19. Jahrhundert. Auch wenn eine solche Einrichtung in der deutschen Schwerindustrie wiederholt angedacht wurde, gingen die Pläne bis zum Ersten Weltkrieg nicht über das erste Stadium einer allgemeinen Erörterung hinaus.[1]
Der Erste Weltkrieg als Katalysator für die KWIE-Gründung
Die Erfahrungen der deutschen Industrie im Ersten Weltkrieg trieben die Entscheidung zugunsten der Gründung eines Eisenforschungsinstituts maßgeblich voran. Dabei kamen mehrere Entwicklungen zusammen: Im Krieg zeigte sich, dass die deutschen Stähle – im Gegensatz etwa zu britischen Materialien – nicht den Rüstungsbedürfnissen von Heer und Marine entsprachen. Aus Sicht der Rüstungsindustrie und des Militärs war eine Qualitätsverbesserung des deutschen Stahls notwendig und eine gesteigerte Forschungsaktivität damit unumgänglich. Die Firmenlabore erschienen aufgrund der Ausrichtung auf das Tagesgeschäft ungeeignet; den Hochschulen fehlte der erforderliche finanzielle Spielraum.[2] Darüber hinaus sanken die Erzimporte für die deutsche Schwerindustrie aufgrund der Blockadepolitik der Entente schon zu Kriegsbeginn um zwei Drittel. Die Industrie sah sich gezwungen, zukünftig technische Verfahren auszuarbeiten, um Stahl angesichts knapper werdender Ressourcen rohstoffsparender und effizienter produzieren zu können. Zudem sollten die heimischen, erzärmeren Gruben intensiver genutzt und die Erzaufbereitung verbessert werden. Zusätzlich wurde für den Fall eines möglichen Waffenstillstands ein Wirtschaftsembargo der Alliierten und ein Wirtschaftskrieg befürchtet, auf den man sich ebenfalls vorbereiten wollte.[3]
Institutionelle Rahmenbedingungen
Bei der Gründung des KWIE im Jahr 1917 griff man auf die bestehende Forschungsinfrastruktur zurück. Dafür bot sich insbesondere die 1911 gegründete, außeruniversitäre Großforschungsanstalt Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) an. Die KWG hatte sich während der Kriegsjahre nicht nur zu einem neuen „Gravitationszentrum der deutschen Forschung“ entwickelt, sondern stellte auch einen Teil ihrer Institute zunehmend und aktiv in den Dienst kriegsrelevanter und waffentechnischer Forschung.[4] So wurden im Laufe des Ersten Weltkriegs mehrere neue Kaiser-Wilhelm-Institute gegründet.
Im Zusammenhang mit dem Hindenburg-Programm entstand 1916 zusätzlich die Kaiser-Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft (KWKW). Dabei handelte es sich um eine zivile Instanz, die wissenschaftliche Arbeiten mit kriegstechnischer Relevanz für Heer und Marine koordinieren und fördern sollte. Der Fachausschuss VI für Metallgewinnung und Metallbearbeitung der KWKW wurde von Professor Dr. Fritz Wüst, dem damaligen Leiter des Eisenhüttenmännischen Instituts der Technischen Hochschule Aachen (der heutigen RWTH Aachen) und späteren ersten Direktor des KWIE, geleitet. Im Rahmen der Arbeiten der KWKW wurden den Beteiligten schnell große Lücken in der Grundlagenforschung über Eisen und Ersatzmetalle deutlich, die nur durch die Gründung eines Eisenforschungsinstituts geschlossen werden könnten.
Einzelnachweise
→ zum ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis
- ↑ Vgl. Dönges: Geschichte, S. 1 u. Flachowsky: Wagenburg, S. 672.
- ↑ Flachowsky: Wagenburg, S. 673; Flachowsky: Das MPIE, S. 128.
- ↑ Flachowsky: Das MPIE, S. 128. Siehe auch: Marsch: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, S. 340-342; Flachowsky: Wagenburg, S. 674; Flachowsky: Alle Arbeit, S. 158 f; Haus: Lothringen, S. 44.
- ↑ Zitat nach Schieder: Der militärisch-industriell-wissenschaftliche Komplex, S. 52. Ash: Ressourcenaustausche, S. 312.